Spaniens oberste Fake-News-Jägerin ist omnipräsent: im Fernsehen, auf Youtube, Whatsapp und Co. Mit einfachen Worten und großen Gesten dröselt Clara Jiménez Falschinformationen und Gerüchte auf.
"Traditionelles Fact Checking wurde bisher von seriösen Herren betrieben, die sehr förmlich in sieben langen Absätzen erklärten, was falsch war. Wir haben das umgedreht und fragen die Nutzer, was sie interessiert, woran sie zweifeln, und erzählen ihnen dann die Geschichte so, als stünden wir am Tresen einer Bar."
Die 36-jährige mit der großen schwarzen Brille ist eine der bekanntesten Journalistinnen des Landes geworden. Über eine Million User hat das 2014 von ihr mitbegründete Projekt inzwischen. Das ist kein Zufall. In Spanien haben sich, beflügelt vor der durch den Katalonienkonflikt angeheizten Debatte, Fakes und Falschmeldungen in den letzten Jahren wie Viren verbreitet.
Schwierige Lage für die Redaktionen
Unterbesetzte Redaktionen und die prekären Arbeitsbedingungen boten dazu das ideale Biotop. Wer mit Blick auf Klickzahlen und Google-Algorythmus Nachrichten produziert, übernimmt schon mal ungeprüft den vermeintlichen Scoop von der Konkurrenz.
"Während der katalanischen Wahlen von 2017 wurde zum Beispiel veröffentlicht, dass der inhaftierte Vizepräsident Oriol Junqueras wegen eines Radiointerviews für drei Tage in Isolationshaft musste. Das war eine Lüge, stand aber in allen spanischen Medien: Kein Journalist hat einfach seine Arbeit gemacht und die Information beim Innenministerium oder der Gefängnisverwaltung gegengecheckt."
Fakten überprüfen kostet Zeit und Geld. In Spanien aber sind die Menschen kostenlosen Medienkonsum gewohnt. Erst seit kurzem experimentieren die großen Verlage mit Paywall-Modellen, neu gegründete Medien versuchen sich an Genossenschaftsmodellen oder an der Finanzierung über Mitglieder.
Verbreitung per Whatsapp
Ein weiterer Grund, warum Fakes und Gerüchte besonders gut gedeihen: 36 Prozent der Spanier konsumieren Nachrichten hauptsächlich oder ausschließlich über Whatsapp. Im restlichen Europa liegt die Quote gerade einmal zwischen sechs und elf Prozent.
Clara Jiménez: "Damit sind wir auf dem Niveau von Argentinien oder Brasilien – Ländern, in denen Desinformation ein großes Problem ist. Wenn man auf Twitter ein Gerücht postet, dann kommt sofort jemand und sagt, das stimmt nicht. Aber wenn man in eine Whatsapp-Gruppe eine Lüge postet und niemand sie als solche enttarnt, dann bleibt sie da stehen und überlebt."
Inspiriert vom Beispiel Brasilien hat die spanische Rechts-außen-Partei Vox im Wahlkampf fast ausschließlich auf Whatsapp und Telegram gesetzt – also auf Kanäle, mit denen man ein Millionenpublikum erreichen kann, die aber dem Kommunikationsgeheimnis und somit keiner Kontrolle unterliegen. Durch Nutzen dieser sogenannten "Dark Social"-Funktion von Messenger-Diensten haben es die Rechtspopulisten zur drittstärksten Kraft im spanischen Parlament geschafft. Vox hat dabei wie keine andere Partei von der polarisierten öffentlichen Debatte profitiert.
Auf die Show kommt es an
Wie sehr dabei die Fetzen fliegen, lässt sich täglich im Fernsehen beobachten. 35 Stunden pro Woche zanken sich Meinungsmacher – viele von ihnen sind von politischen Parteien entsandt – vor laufender Kamera. Die sogenannten "tertulias" erzielen meist zehn bis 15 Prozent Zuschauer. In den letzten Jahren hat sich ihr Programmanteil verdoppelt, sagt die Madrider Medienwissenschaftlerin Paloma Abejón.
"Weil sie immer stärker mit digitalen Medien konkurrieren müssen, versuchen Zeitungen, Radio- und Fernsehsender über einen möglichst subjektiven Zugang eigene Haltung zu zeigen. Je dezidierter jemand dort seine eigene politische Meinung vertritt, desto häufiger wird er eingeladen. Wenn jemand abwägt oder versucht, objektiv zu sein, sinkt sein Show-Wert und vor allem Fernsehen ist eben in erster Linie Spektakel. Daher glaube ich, dass die Medien mit zur Polarisierung beitragen."
Paloma Abejón fordert eine klarere Trennung zwischen Meinung und Information. Das könne ein erster Schritt sein – für eine ausgewogenere öffentliche Debatte, die auch Falschinformationen den Nährboden entzieht.