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Fake Science
Problem Pseudojournale "nicht wirklich lösbar"

In vielen Fällen sei es schwierig, seriöse Verlage von unseriösen sogenannten Raubverlagen zu unterscheidet, sagte Clara Ginther von der Universität Graz im Dlf. Auch seien die Herausgeber rechtlich kaum erreichbar. Wichtig sei es, junge Forscher früh vor diesen Gefahren des Publizierens zu informieren.

Clara Ginther im Gespräch mit Arndt Reuning |
    Person in einen Labor
    Fake Journals sind für Wissenschaftler und die Wissenschaft selbst gleichermaßen problematisch (imago/Westend61)
    Arndt Reuning: Raubverleger bietet Wissenschaftlern an, deren Forschungsarbeiten zu veröffentlichen, allerdings gegen eine Publikationsgebühr. Denn solchen Raubverlagen geht es ausschließlich ums Geldverdienen. Qualität spielt keine Rolle, eine wissenschaftliche Begutachtung der Arbeiten durch Kollegen findet nicht statt, das sogenannte Peer-Review-Verfahren, das eigentlich zum wissenschaftlichen Standard gehört.
    Eine Expertin, die sich mit dieser Form des räuberischen Publizierens beschäftigt, ist Clara Ginther von der Universitätsbibliothek der Universität Graz. Von ihr wollte ich wissen, wo sie die großen Probleme sieht bei diesen Pseudojournalen.
    Clara Ginther: Zum einen können dadurch erhebliche Probleme für Wissenschaftlerinnen entstehen, gerade wenn hochqualitative Artikel in Zeitschriften mit einem fragwürdigen Ruf publiziert werden. Es ist auch oft der Fall, dass bei predatory oder räuberischen Journals die Onlinepräsenz nicht wirklich garantiert ist und auch nicht gegeben ist. Das heißt, Artikel werden publiziert, sind aber binnen kürzester Zeit im Internet nicht mehr auffindbar. Damit gibt es auch den Nachweis der Publikation nicht.
    Auf der anderen Seite entstehen auch Probleme für die Wissenschaft an und für sich. Gerade fragwürdige wissenschaftliche Thesen wie zum Beispiel von Leugnern des Klimawandels propagiert, werden gerne über solche räuberischen Zeitschriften verbreitet und dann über Social Media als seriöse wissenschaftliche Publikationen dargestellt. Ein weiterer Punkt, gerade für Deutschland, Österreich oder auch die Schweiz, wo Universitäten aus Steuergeldern finanziert sind, ist natürlich auch das Problem, dass hier Steuergelder für eine räuberische Geschäftspraxis ausgegeben werden. Und das ist natürlich eine Praxis, die von Universitäten nicht toleriert und auch nicht gefördert werden kann.
    "Fake Journals werfen schlechtes Licht auf Open Access"
    Reuning: Verlage, die gegen eine Gebühr wissenschaftliche Ergebnisse veröffentlichen, das kennen wir ja bereits und ich denke jetzt nicht an die Raubverlage, sondern an das Modell des Open Access, bei dem nicht die Bibliothek dafür zahlt, dass sie Zugriff hat auf die Journale, sondern wo die Wissenschaftler vorab zahlen für ihre Veröffentlichung, die dann aber hinterher für alle offen zugänglich im Netz steht. Dieses Konzept scheint sich ja von den Pseudojournalen doch gar nicht so sehr zu unterscheiden, oder?
    Ginther: Open Access stellt sozusagen den finanziellen Aspekt des wissenschaftlichen Publizierens von Zeitschriften auf Artikel um. Das wird eben genau von diesen Herausgebern räuberischer Zeitschriften ausgenutzt. Wesentliche Unterschiede aber sind, dass die sogenannten Article Processing Charges, also die Gebühren, die man für die Publikation eines Artikels zahlt, bei seriösen Herausgebern transparent sind. Der Autor, die Autorin wissen von Anfang an, was diese Gebühren sind. Gerade bei räuberischen Zeitschriften ist es durchaus so, dass oft behauptet wird, es gebe gar keine Gebühren, und wenn bereits der gesamte Prozess am Laufen ist, oft eine Autorin, ein Autor auch einen Publikationsvertrag unterschrieben hat, auf einmal Gebühren anfallen oder Gebühren auch sehr gut versteckt werden.
    Reuning: Wie sieht es denn aus mit der Qualitätskontrolle und mit der Leistung, die der Verlag erbringt, im Vergleich von den pseudowissenschaftlichen Verlagen zu den Open-Access-Verlagen?
    Ginther: Das ist der Punkt, wo es wirklich einen großen Unterschied gibt, und es ist vielleicht auch ein Punkt, an dem man räuberische Zeitschriften sehr leicht erkennen kann. Es wird eine Qualitätssicherung eben im Sinne einer Peer Review versprochen. Diese erfolgt dann laut Angabe des Verlages binnen drei Tagen, binnen einer Woche, binnen zwei Wochen. Wenn man sich näher mit dem Prozess des wissenschaftlichen Publizierens auseinandersetzt, weiß man aber, dass diese Zahlen utopisch sind, wenn wirklich eine Qualitätssicherung stattfinden soll. Allein die Auswahl von Professoren, Professorinnen, WissenschaftlerInnen, die solche Artikel begutachten, braucht an und für sich schon mindestens zehn Tage, wenn nicht mehrere Wochen. Das heißt, das ist einfach realistisch nicht möglich, dass dieser Peer-Review-Prozess stattfindet.
    Reuning: Aber werfen denn diese Pseudojournale der Raubverleger dann nicht auch ein schlechtes Licht auf diese Praxis des Open Access, auf diese Zeitschriften, die als Open Access publizieren?
    Ginther: Es ist sicherlich so, dass diese Predatory oder Fake Journals ein schlechtes Licht auf Open Access werfen. Ich denke mir, wenn man das Ganze pragmatisch betrachtet, ist es so, dass man eigentlich in jedem Wirtschaftsbereich, wo es eine gute Praxis gibt, sicherlich auch schlechte Praxis finden wird. Im Fall des Open Access, was ja ein ganz neues finanzielles Modell im Bereich des wissenschaftlichen Publizierens darstellt, da ist es natürlich sehr wichtig, aufzuklären und besonders eben auch den Fokus auf durchaus mittlerweile hochwertige Open-Access-Journals zu richten. Was natürlich ein Problem ist - dadurch, dass Open Access so ein neuer Bereich ist - ,dass sehr viele Journals neu entstehen. Und da ist dann oft die Grenze fließend: Was ist jetzt hier wirklich ein Open-Access-Journal, das im Moment noch einfach eine schlechte Qualität hat, und was ist ein Open-Access-Journal, das eine räuberische Geschäftspraxis betreibt?
    Herausgeber von Pseudojournalen arbeiten sehr professionell
    Reuning: Das heißt, der Übergang zwischen den Qualitäten ist auch dort fließend?
    Ginther: Fließend in der Hinsicht, dass man in vielen Fällen diese Predatory Journals nicht einfach anhand von drei, vier Kriterien erkennen kann. Auch Herausgeber von Predatory Journals sind mittlerweile so professionell, dass es häufig äußerst schwierig ist, diese Journals zu identifizieren. Wir bieten diesen Service an der Universitätsbibliothek, dass Wissenschaftlerinnen uns Journals melden können, die für sie fragwürdig erscheinen. Meine Kolleginnen und ich sitzen bis zu drei, vier Stunden über einem Journal, um hier wirklich in die Tiefe zu recherchieren und die verschiedenen Merkmale, die wirklich als fragwürdig anzusehen sind, auch herauszuarbeiten. Das heißt, diese Predatory Journals, die man vielleicht noch aus Anfangszeiten kennt, die man auch relativ leicht erkennen kann, weil sie einfach schlecht gemacht sind, von denen gibt es mittlerweile weniger und weniger.
    Reuning: Was muss denn Ihrer Meinung nach geschehen, um dieses Problem der Raubverlage zu lösen?
    Ginther: Aus unserer Sicht ist dieses Problem nicht wirklich lösbar. Die Herausgeber von Predatory Journals sind so gut wie nicht greifbar, auch rechtlich nur schwer zu verfolgen. Das, was uns wichtig ist, was auch an der Universität Graz passiert, ist, zum einen WissenschaftlerInnen schon früh über die Gefahren des Publizierens in Predatory Journals zu informieren, auch Services anzubieten, wo es WissenschaftlerInnen eben möglich ist, zu fragwürdigen Journals Fragen zu stellen, und anzubieten, diese zu recherchieren und es den WissenschaftlerInnen zu ermöglichen, wie man es im Englischen sagt, eine "informed decision" zu treffen, wenn sie publizieren. Also ihnen die bestmögliche Information zur Verfügung zu stellen, wenn es sich dann um die Auswahl einer Zeitschrift handelt, in der sie dann publizieren möchten.
    Das, was für uns auch sehr wichtig ist, ist, uns jetzt auch verstärkt mit anerkannten Verlagen zu koordinieren und zu vernetzen, weil viele Herausgeber von Predatory Journals ja auch vorgeben, eine seriöse Zeitschrift zu sein und in einem der bekannten Verlage zu erscheinen. Diese Information fehlt dann oft den Verlagen. Die Information sehen die WissenschaftlerInnen, aber es erreicht nicht die Verlage nicht. Und hier versuchen wir, auch eine Mittlerrolle zu übernehmen und diese Informationen eben auch an die Verlage weiterzugeben, weil diese natürlich auch eine ganz andere rechtliche Möglichkeit haben, dann gegen solche Fälle vorzugehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.