"Willkommen auf den Falklands. Dies ist Volunteer Point. Hier haben wir einen wunderschönen Strand mit weißem Sand. Und dort drüben am Ende liegt eine der größten Königspinguin-Kolonien."
Vor uns liegt die Yorke Bay am östlichen Ende der Falklands und gleich daneben die alte Flugzeuglandebahn von Stanley, der Inselhauptstadt. Hier befinden sich leider die Minenfelder, die die Argentinier 1982 gelegt haben.
Königs- und Eselspinguine spazieren auf Traumstränden
Zwei Männer, zwei Traumstrände, zwei Geschichten, wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten - und gleichzeitig typisch für die Falkland Islands sind. Da ist Fremdenführer Marcel Lichtenstein, der Touristen die schönsten Seiten der fast 800 Inseln zeigt, sie zu unberührten Stränden wie dem drei Kilometer langen Volunteer Point führt - einem Ort, der in der Karibik von Tausenden Badeurlaubern belagert würde. Hier aber dient er einzig Königs- und Eselspinguinen zum Spazierengehen.
Und da ist Gerald Cheek, früher Beamter, jetzt Rentner, der an den Dünen der Yorke Bay steht. Die Bucht ist abgesperrt mit rotem Flatterband und Schildern, auf denen "Danger Mines" steht - "Vorsicht Minen" - das Erbe des Falklandkrieges.
"Das ist das Befreiungsdenkmal. Es wurde in Erinnerung an den Krieg 1982 errichtet; an den Wänden hängen die Tafeln mit den Namen der 255 getöteten britischen Soldaten. Und rechts unten in der Ecke die Namen der drei Ladys, die starben, als eine argentinische Granate ihr Haus traf. Sie waren die einzigen Frauen und die einzigen zivilen Opfer."
Der englische Singer-Songwriter Billy Bragg gehörte zu den wenigen Künstlern, die gegen Britanniens militärisches Eingreifen protestierten. In „Island of no return" prangert er die Sinnlosigkeit des Feldzugs an.
Feier zum 30-jährigen Kriegsende
Alljährlich gibt es am 14. Juni, dem Tag als die argentinischen Truppen nach zehn Wochen Krieg kapitulierten, in der Hauptstadt Stanley eine Parade. Dann wird der Obelisk aus hellem Granit ebenso mit frischen roten Kränzen geschmückt wie die halbrunde Sandsteinmauer am Thatcher Drive gleich dahinter. Die Feierlichkeiten finden meist bei aufgewühlter See in der Bucht statt und im Schneegestöber, denn dann herrscht hier auf der südlichen Erdhalbkugel ein harscher Winter.
2012 feierten die Falklands das 30-jährige Kriegsende - für die Bewohner Anlass, sich in einem Beschluss zu ihrer Britishness zu bekennen. In diesem Frühjahr wurde ein Referendum abgehalten, in dem die Falkländer zu entscheiden hatten, ob sie weiterhin zu Großbritannien gehören wollten:
"Wir wollten das Referendum, weil fast hundert Prozent von uns sich als Briten verstehen. Unsere Regierung bekräftigt das zwar bei Besuchen im Ausland, aber dann wurde oft gefragt: Sehen das die Falkländer auch so? Deshalb glaube ich, dass so ein Statement wichtig ist. Wir sagen der Welt damit, dass wir ein britisches Überseeterritorium bleiben."
Seit 1929 gibt es auf den Falklands ein eigenes Inselradio. Der Falkland Island Radio Service ist eine unabhängiger Sender, der täglich etwa sieben Stunden Programm ausstrahlt - vor allem Musik.
Penguin News als Nachrichtenquelle
Die Falklands besitzen auch eine eigene Zeitung mit dem originellen Namen Penguin News. Die Redaktion ist in der Hauptstadt Stanley untergebracht.
Auf dem flachen Holzhaus mit grasgrünem Dach prangt das Schild mit dem Pinguin in der Mitte, schwarz gerahmt wie eine Todesanzeige: Penguin News.
"Naja, Pinguin Nachrichten, das war einfach als Witz gemeint, als die Zeitung 1978 gegründet wurde. Manchmal nervt es uns, wenn die Leute immer wieder fragen, was denn nun die Pinguine machen. Dann müssen wir ihnen sagen: Wir haben echt keine Ahnung, die überlassen wir sich selbst."
Dafür berichten die Penguin News einmal pro Woche darüber, was den Falkländern wichtig ist:
"Die Leute hier wollen vor allem lokale Neuigkeiten, vielleicht sogar auch nur eine Bestätigung dessen, was sie ohnehin schon wissen."
1.350 Exemplare in Din A4-Format und in der Druckqualität einer Schülerzeitung werden wöchentlich ausgeliefert. In jedem Haushalt der Falklands landet statistisch gesehen eine Kopie. Sogar 77 Abonnenten im Ausland erfahren, was auf dem fernen Archipel passiert.
" Eine kleine Gruppe Grindwale ist am Pleasant Roads Beach gestrandet, wie die Naturschutzbehörde gemeldet hat …"
"Es gibt viele Dinge, auf die wir stolz und dankbar sein können. Aber der Zustand der Hauptstraße zwischen unserer Hauptstadt und dem internationalen Flughafen ist eine Schande."
"Es wurde bekannt gegeben, dass der Direktor der Grundschule im August dieses Jahres seinen Posten aufgibt."
Karl und Sian gaben Ihr Eheversprechen in der Christ Church Kathedrale. Wegen des schlechten Wetters verzichteten sie klugerweise auf die Fotos draußen unter dem Walknochen-Bogen.
Der britische Botschafter in Buenos Aires ist angewiesen worden, gegen die Einbeziehung der Falklandinseln zum argentinischen Hoheitsgebiet auf einer argentinischen Briefmarke zu protestieren
So lauten die Schlagzeilen der Penguin News. Es sind nicht immer die großen Weltnachrichten, für die sich die Bewohner der Falklands interessieren. Auch hier, 1.500 Kilometer von der Antarktis entfernt, passiert irgendwo immer etwas:
"And sometimes we feel that we´re really … you missed that!"
Manchmal haben wir auch das Gefühl, die Leute erzählen uns mit Absicht nicht, was sie wissen, um zu sehen, ob wir es selbst herausfinden und uns dann am Ende der Woche sagen zu können: Hey, das habt Ihr ja gar nicht mitbekommen!
Ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Lesern also. Und was ist mit investigativem Journalismus in einer Gemeinschaft, in der jeder jeden kennt?
"Enttäuschenderweise haben wir hier kaum größere Korruptionsfälle. Unsere acht Parlamentsmitglieder fahren leider keine Cadillacs oder leben auch nicht in Saus und Braus. Um Wesentliches zu erfahren, verbringt unsere junge Journalistin ihre meiste Zeit in der Kneipe, dem Zentrum allen Gossips. Aber natürlich kennt uns jeder hier. Und niemand will dabei erwischt werden, uns den neuesten Tratsch zu stecken. Wenn du im Geschäft den Leuten dein Notizbuch unter die Nase hältst, laufen viele weg oder verstecken sich hinter dem Gefrierschrank mit dem Tiefkühlgemüse. Ganz zu schweigen, wenn du auch noch ein Foto von ihnen machen willst."
Seit dem Falklandkrieg wird John Fowlers Pinguin-Bote sogar vom Feind im fernen Buenos Aires mit Ungeduld erwartet:
"Natürlich geht auch ein Exemplar an das argentinische Außenministerium. Dort liest man jede Woche mit großer Aufmerksamkeit unsere Nachrichten, wie man mir gesagt hat."
Eine besondere Kopie mit persönlichen Grüßen?
"Früher war das tatsächlich fast so. Wir schickten es den Argentiniern immer als Fax über den Militärattaché in London. Das war denen dann aber zu langsam, und sie baten uns, es ihnen direkt nach Buenos Aires zu faxen. Haben wir auch gemacht. Für diese Kopie haben wir dann jedes Mal 50 Pfund berechnet."
Die Hauptstadt Stanley ist die einzige größere Siedlung
Der Großteil der Bevölkerung steht im Staatsdienst und wohnt in Stanley. Die Hauptstadt ist mit gut 2.000 Seelen die einzige größere Siedlung des Archipels und liegt auf West Falkland, einer der beiden großen Inseln, zu denen sich knapp 800 weitere hügelige Eilande und Felsen gesellen - fast alle komplett baumlos, fast alle unbewohnt.
Gerald Cheek, der joviale Rentner mit dem ordentlich über den kahlen Schädel gelegten Resthaar, zeigt uns die Hauptstadt Stanley.
"Das da ist die Gemeindeschule. Sie wurde nach dem Krieg gebaut. Dort drüben steht das Schwimmbad, das Elektrizitätswerk rechts. Wir haben jetzt überall 24 Stunden Strom und Breitband-Internet. Da hinten mit dem blauen Dach kann man das Krankenhaus erkennen. Es gibt 36 Betten, drei Ärzte, zwei Zahnärzte und einen Chirurgen."
Stanley, in Hanglage über der Hafenbucht, das ist eine überschaubare Welt, durch die Gerald mit seinem Geländewagen kutschiert. Es gibt ein Kino und die typischen roten Telefonkabinen. Die Gemeindeschule geht für Kinder bis zum 16. Lebensjahr. Für weiterführende Schulen müssen die Falkländer nach Großbritannien ziehen. Stanley, das sind bunte Holzhäuser, das ist ein Dutzend Straßen, ein Friedhof mit weißen Gräberreihen, eine Kathedrale mit vier gewaltigen Walknochen in Form eines Kreuzgangs davor. In fünf Minuten hat man die Hauptstadt mit dem Auto durchquert.
"Wir sind jetzt am Westende von Stanley. Das Haus des Gouverneurs links wurde um 1840 gebaut, der Gouverneur wird alle drei Jahre von der Queen ernannt. Er hat zwei Gärtner, ein Dienstmädchen und einen Koch. Ja, man kümmert sich ganz gut um ihn."
Sprecher: Seit Kriegsende achtet London darauf, dass die Falklands mit der Moderne Schritt halten. Die Inseln haben ihre eigenen Briefmarken, ihre eigenen Münzen und Banknoten. Es gab Einwanderungswellen, die die schrumpfende Bevölkerung nahezu verdoppelten: Aus England, von anderen Inselgruppen im Atlantik, ja sogar aus Chile, das sich als einziges Land Südamerikas 1982 nicht gegen Großbritannien stellte und traditionell gute Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich pflegt.
Tourismus als lukratives Zusatzgeschäft
Gut 3.000 Menschen leben heute auf den Falklands, wenn nicht in Stanley, dann auf Schaffarmen, die sich über das Land verteilen. Haupteinnahmequellen der Inseln sind Wolle und die Vergabe von Fischereirechten. In der Zukunft hofft man auf Gelder aus der Ölförderung: Mehrere Vorkommen im Meer werden zurzeit erforscht. Bis dahin sorgt der Kreuzfahrttourismus für die höchsten Zuwachsraten. Wenn große Ocean-Liner vor Anker gehen, überfluten Tausende Tagesbesucher wie ein Tsunami für wenige Stunden die Hauptstadt Stanley.
"Die gehen Geschäfte anschauen, Souvenirs kaufen, schlendern durch Stanley, schießen viele Fotos - kurz: Die Falklands werden abgehakt. Wenn du früher etwas zu essen haben wolltest, musstest du es zu Hause kochen. Heute gibt es immerhin ein paar Pensionen und Restaurants, die in den letzten 20, 25 Jahren dazukamen."
Wenn manchmal 4.000 Kreuzfahrtpassagiere gleichzeitig an Land gehen, dann ist das mehr, als die Inseln Einwohner haben. Daraus hat sich ein florierendes Zusatzgeschäft für die Falkländer entwickelt.
"Wenn du morgen früh zum Hafen kommst, stehen dort 60, 70 Autos, die nur darauf warten, mit Urlaubern Inselrundfahrten zu machen. Das Touristenbüro versorgt alle Bewohner mit E-Mails über die erwarteten Ankünfte. Viele von ihnen werden dann schon für Touren vorgebucht."
Caroline Middleton sitzt mit einer Freundin auf dem Hügel von Gypsy Cove. Vor ihnen ausgebreitet liegen all die Waren, die sie gerne verkaufen möchten:
"Wir verkaufen hier Postkarten, Briefmarken und Bilderrahmen für die Touristen, die heute mit dem Schiff gekommen sind. Ich hoffe, dass noch mehr Leute wie ihr mit Gerald hierher kommen und ich ein paar Sachen verkaufen kann."
Gypsy Cove hat eine der schönsten Fernsichten auf Ost Falkland. Denn auch zu den Orten, zu denen Touristenbusse und Privatguides fahren, schwärmen Falkländer aus - immer auf der Jagd nach ein paar Extra-Pfund.
"Für mich ist das so was wie ein Hobby. Damit verdiene ich mir ein bisschen dazu. Denn eigentlich habe ich einen Teilzeit-Job in Stanley und mache dann nachmittags dort meine Schicht."
Der eigentliche Höhepunkt der Falklandinseln ist deren unberührte Natur. Nur 1.200 km von der antarktischen Halbinsel entfernt, kann man zu Pinguinen, Seevögeln und Robben bequem mit dem Auto oder Boot fahren - Tiere, die sich auf dem gefrorenen Kontinent sonst nur mit großem Aufwand erleben lassen. Hier sind sie ganz nah:
"Natürlich ist das Wildlife eine große Attraktion. Die Pinguin-Brutstätten sind sehr populär, vor allem die Kolonien am Volunteer Point, das zwei Autostunden nördlich von hier liegt. Königspinguine sind dort "das" große Erlebnis."
Auch Guide Marcel Lichtenstein ist hier vor Ort mit einer Urlaubergruppe. Deren schnittige französische Kreuzfahrtjacht liegt in der Bucht vor dem halbmondförmigen Traumstrand. In ihren dicken, knallroten Expeditionsjacken sehen die Passagiere genauso uniform und ungelenk aus wie die Pinguine, die in kleinen Gruppen über den blendend weißen Sand watscheln. Der Wind bläst schneidend vom Atlantik herüber.
"In dieser Kolonie gibt es bis zu 1.000 Paare, und zwar in allen Lebensphasen. Es gibt balzende Pinguine, das sind die, die ihre Schnäbel so elegant in den Himmel recken; dann brütende, die ihre Eier mit dem Körper schützen; dazwischen seht ihr Dutzende Küken aller Altersstufen, die größten stehen in der Mitte der Gruppe und warten darauf, dass ihre Eltern mit Futter aus dem Meer zurückkommen."
Paradies für Liebhaber der antarktischen Vogelwelt
Die Brutkolonien von Albatrossen, Kormoranen und Pinguinen auf den Falklandinseln sind ein Paradies für Liebhaber der antarktischen Vogelwelt. Alle sind relativ leicht zu erreichen. Außer dort, wo Minen liegen, darf jeder hin. Nur die abgelegene Lage des Archipels hat einen Run der Naturfreunde bisher verhindert. In Volunteer Point bitten kleine Schilder die Besucher, den Königs- und Eselspinguinen, die dicht gedrängt in einem Kreis von dreißig Metern zusammenstehen, nicht zu nah auf die Pelle zu rücken. Ein Mann steht am Rand der Dünen und achtet darauf, dass das respektiert wird.
"Ich bin Derek Pettersen, der Wächter am Volunteer Point. Das Land gehört zu einer großen Schaffarm. Die Königspinguine, die ihr seht, leben das ganze Jahr hier. Es ist die größte Kolonie auf den Falklands. Vor 50 Jahren waren es etwa 40 Paare, jetzt sind es 25 mal soviele, das hat sich über die Zeit auf ganz natürliche Weise so aufgebaut. Wir haben in dieser Kolonie jedes Jahr 7 bis 800 Küken. Nach etwa 12 Monaten gehen sie dann ins Meer und kommen zum Brüten zurück, wenn sie 3 Jahre alt sind, genau an die Stelle, wo sie geboren wurden. Mini-Sender, die man an einigen befestigt hat, haben gezeigt, dass sie bis nach Rio de Janeiro schwimmen. Schutz brauchen sie eigentlich nicht. Alles, was wir machen, ist, ein paar herumliegende Steine um die Kolonie weiß anzupinseln und die Schilder dort aufzustellen, damit niemand zu nah herangeht."
Wer erlebt, wie unkompliziert die Kolonien der Kaiser-, Königs-, Esels-, Felsen- und Adeliepinguine in der weitläufigen Inselwelt der Falkland Islands zusammenleben, den mag ein Gedanke überkommen: Vielleicht wären die schwarz-weiß-gefrackten flugunfähigen Seevögel ein gutes Beispiel für Argentinier und Briten, für uns Menschen überhaupt, denen es bis heute oft sehr viel schwerer zu fallen scheint, friedlich miteinander auszukommen.