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Fall al-Bakr
"Der Generalbundesanwalt hätte von Anfang an führen müssen"

Der von Dschaber al-Bakr geplante Anschlag habe der gesamten Bundesrepublik Deutschland und unserer Gesellschaft gegolten, sagte der CDU-Innenexperte Armin Schuster im DLF. Deshalb hätte der Generalbundesanwaltschaft den Fall von Anfang an führen müssen. Er habe die Erfahrung und nötige Kompetenz.

Armin Schuster im Gespräch mit Christine Heuer |
    Armin Schuster, Obmann der CDU/CSU im Innenausschuss des Bundestages.
    "Der Generalbundesanwalt wird darüber diskutieren, ob es ein Fall von besonderer Bedeutung war", sagte Armin Schuster von der CDU. (imago stock&people)
    Christine Heuer: Am Telefon ist der CDU-Innenexperte Armin Schuster. Guten Tag.
    Armin Schuster: Guten Tag, Frau Heuer.
    Heuer: Ist Deutschland insgesamt ein Entwicklungsland im Umgang mit islamistischen Gefährdern, oder agiert nur Sachsen amateurhaft, Herr Schuster?
    Schuster: Ich kann bei beidem nicht zustimmen, weil wir angesichts einer überhitzten Debatte um Personalfragen - und das in diesen Zeiten, verstehe ich überhaupt nicht - völlig vergessen, dass Bundesnachrichtendienst und Bundesamt für Verfassungsschutz zum wiederholten Male in den letzten Monaten einen hervorragenden Gefahrenhinweis gemacht haben, der dazu geführt hat, dass wir keinen Anschlag hatten, und der letztlich dazu geführt hat, dass der Täter dingfest gemacht wurde. Ich sage mal, mich interessiert, wie wir mit Terrorbekämpfung und Terrorabwehr umgehen und was wir besser machen können. Die hochgeputschten Personalfragen dieser Tage ist, glaube ich, das, was die Bürger am wenigsten interessiert.
    "Wir haben Justizvollzugsanstalten, die Erfahrung haben mit Terrorgefährdern oder mit Terroristen"
    Heuer: Gut, Herr Schuster. Dann sprechen wir darüber, was wir besser machen können. Aus der Union kommen heute Vorschläge, zum Beispiel die Forderung nach einem Zentralgefängnis für islamistische Terrorverdächtige. Brauchen wir das?
    Schuster: Da bin ich mir nicht sicher, weil ich glaube, dass wir im Land natürlich Justizvollzugsanstalten haben, die Erfahrung haben mit Terrorgefährdern oder mit Terroristen. Eventuell muss man dort aufrüsten. Aber dass wir jetzt gleich eine komplette Justizvollzugsanstalt bauen müssen, das sehe ich erst mal nicht.
    Heuer: Aber die JVA Leipzig gehört ja nun eindeutig nicht zu diesen erfahrenen Justizvollzugsanstalten und da war Dschaber al-Bakr offenbar nicht so gut aufgehoben. Wo hätte man den denn hinbringen sollen?
    Schuster: Mal abgesehen davon - das ist aber nicht meine Aufgabe, das tut, glaube ich, Sachsen sehr gezielt, das selber zu untersuchen, was da schiefgelaufen ist, und da ist was schiefgelaufen - für mich ist die Frage, hatten wir hier einen versuchten Terroranschlag einer besonderen Güte. Das Wort Güte verbietet sich fast. Das hatten wir. Fünf vor zwölf, so nahe dran waren wir selten an einem so kapitalen Anschlag. Und dann hätte ich gern alle Spezialisten Deutschlands an so einem Fall.
    Heuer: Und wo kann man die denn sammeln?
    Schuster: Wir haben ausgewiesene Erfahrung und Kompetenz bei der Generalbundesanwaltschaft, beim Bundeskriminalamt, Zugriffseinheiten wie die GSG9, wir haben Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof, da hätte man al-Bakr auch vorführen können. Ich gehe einfach davon aus: Wenn der GBA …
    Heuer: Der Generalbundesanwalt.
    Schuster: … einen Fall von besonderer Bedeutung erkannt hätte, dann hätten wir wesentlich mehr Spezial-Knowhow an den Einsatz bringen können. Und wenn nicht bei diesem Fall, bei welchem sonst.
    Heuer: Dann hat der Generalbundesanwalt einen Fehler gemacht? Das sagen Sie?
    Schuster: Nein. Zwei Juristen, drei Meinungen. Der Generalbundesanwalt wird darüber diskutieren, ob es ein Fall von besonderer Bedeutung war. Das ist ja das Ermessen, was er ausübt.
    "Es war ein Anschlag auf die Bundesrepublik Deutschland und unsere Gesellschaft geplant"
    Heuer: Aber das liegt doch auf der Hand, Herr Schuster. Da müssen wir doch gar nicht drüber nachdenken.
    Schuster: Genau, so argumentiere ich auch. Aber es wird andere geben, warten Sie es ab, am Mittwoch im Innenausschuss. Fakt ist aber: Du kannst es so auslegen, dass Sachsen führt, und Du kannst es so auslegen, wie ich es tue, nämlich hier muss zentral geführt werden. Es war kein Anschlag in Sachsen geplant, nicht in Tegel, sondern es war ein Anschlag auf die Bundesrepublik Deutschland und unsere Gesellschaft geplant. Und deswegen glaube ich, dass der GBA hätte führen müssen von Anfang an mit all den Spezialkräften des BKA etc., die dann zur Verfügung stehen. Wenn er das bisher nicht getan hat und auch nicht so sieht, dann ist das juristisch wahrscheinlich sogar erklärbar. Mir geht es aber darum, wie gehen wir künftig mit solchen Dingen um, und ich habe große Lust, dass der Bundesjustizminister notfalls diese Mentalitätsfrage, diese Ermessensfrage mit dem GBA noch mal diskutiert. Es ist unsere Top-Behörde in diesen Fragen und da erwarte ich ein sehr offensives Verhalten in der Zukunft und nötigenfalls auch, dass in den laufenden Haushaltsverhandlungen Personalressourcen beim GBA aufgebaut werden, sollte es daran mangeln.
    Heuer: Das muss ein ernstes Gespräch sein, das Sie fordern, aber schon mit dem Ziel, dass da einfach ordentlicher gearbeitet wird? In diesem Zusammenhang würden Sie jetzt keine neuen Regeln haben wollen?
    Schuster: Doch! Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, was wir schon lange in der Union diskutieren, dass wir den Fall al-Bakr jetzt auch wesentlich besser aufklären könnten, wenn wir länger als zehn Wochen in die Verkehrsdaten reingucken dürften. Dieser Fall wird ziemlich deutlich zeigen, dass wir bei der Vorratsdatenspeicherung auf sechs Monate müssen. Ich glaube, dass dieser Fall besonders deutlich zeigt, dass die Nachrichtendienste sehr gute Arbeit machen und wir denen unter Umständen auch unter strengen Voraussetzungen diese Möglichkeiten geben müssen, in die Verkehrsdaten zu schauen, um Vernetzungen zu erkennen. Da sehe ich schon noch enormen Nacharbeitsbedarf.
    "Das Ansinnen der CSU halte ich für richtig"
    Heuer: Die Vorratsdatenspeicherung ist ja ein weites Feld, wird immer wieder diskutiert. Heute kommt von der CSU die Forderung, Präventivhaft zu verhängen für islamistische Gefährder. Das würde dann aber klar dem Grundgesetz widersprechen, oder?
    Schuster: Ich habe auch so meine Bedenken, ob wir das juristisch haltbar konstruieren können. Das Ansinnen der CSU halte ich für richtig. Ob es aber verfassungsrechtlich wirklich machbar ist, da habe ich meine Zweifel. Ich glaube, wenn Polizei und Staatsanwaltschaften die Haft- und Ingewahrsamnahme-Möglichkeiten offensiv ausschöpfen, die wir schon haben, dann kommen wir der CSU ziemlich nahe.
    Heuer: Herr Schuster, ich komme noch mal zum Schluss auf das Zentralgefängnis zurück, weil Sie ja auch gesagt haben, dass der Generalbundesanwalt mit den ganzen Experten eigentlich diese Ermittlungen von Anfang an hätte führen müssen. Das wäre dann ein bisschen schwierig, wenn so ein Terrorverdächtiger zum Beispiel in Sachsen einsitzt. Es gibt ja Stuttgart-Stammheim. Das könnte man zum Beispiel ausbauen. Ist jetzt nicht so weit weg von Karlsruhe. Solche Überlegungen finden Sie aber falsch?
    Schuster: Nein, finde ich nicht falsch. Nach meiner Devise ging es ja so, dass der Generalbundesanwalt solche Fälle generell an sich zieht, wenn es um Terror gegen Deutschland geht. Dann muss er automatisch den Täter mit nach Karlsruhe nehmen und beim Bundesgerichtshof dem Ermittlungsrichter vorführen, und der wird dann eine in Deutschland geeignete Justizvollzugsanstalt aussuchen. Dass es dann sinnvoll ist, dass man eine gute Handvoll hat, wo auch der Ermittlungsrichter weiß, dort sind sie auf solche Beschuldigte vorbereitet und haben auch Erfahrung, das liegt auf der Hand, dass wir dafür sorgen müssen.
    Heuer: Der CDU-Innenexperte Armin Schuster. Ich danke Ihnen sehr für das Interview.
    Schuster: Vielen Dank, Frau Heuer.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.