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Fall Böhmermann
Bundesregierung will Begehren Ankaras prüfen

Dass der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan sich mit allen Mitteln gegen seine Kritiker wehrt, bekommt derzeit auch ZDF-Moderator Jan Böhmermann zu spüren. Ankara verlangt nach einem satirischen Gedicht über den Präsidenten die Strafverfolgung Böhmermanns in Deutschland. Inzwischen ist ein entsprechendes Schreiben des türkischen Botschafters in Berlin eingegangen. Jetzt wird es von Experten geprüft.

    Der Träger des Ehrenpreises, Jan Böhmermann, ist am 08.04.2016 in Marl (Nordrhein-Westfalen) bei der Verleihung der Grimmepreise nur auf einem Bildschirm in einem Ausschnitt aus seiner Sendung "Neo Magazin Royale" zu sehen.
    Jan Böhmermann, Ehrenpreisträger, bei der Verleihung der Grimmepreise. Böhmermann war nur auf dem Bildschirm zu sehen. (picture alliance / dpa / Henning Kaiser)
    Die Bundesregierung will den förmlichen Wunsch der Türkei nach Strafverfolgung des Satirikers Jan Böhmermann prüfen. Dies werde ein paar Tage, aber nicht Wochen dauern, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.
    Noch an diesem Montag soll es erste Gespräche auf Ebene der fachlich Zuständigen im Auswärtigen Amt, Justizministerium und Kanzleramt geben.
    Seibert betont Pressefreiheit
    Die türkische Regierung wehrt sich gegen ein Gedicht mit dem Titel "Schmähkritik", das Böhmermann am 31. März in seiner satirischen Fernsehshow "Neo Magazin Royale" präsentiert hatte. Der 35-Jährige beleidigte dabei bewusst den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, um - wie Böhmermann selbst sagte - die Unterschiede zwischen in Deutschland erlaubter und verbotener Satire deutlich zu machen.
    Seibert betonte, die Freiheit der Kunst und die Pressefreiheit seien für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) weder nach innen noch nach außen verhandelbar. Dies gelte unabhängig davon, ob sie etwas für geschmacklos halte und davon, dass die EU mit der Türkei in der Flüchtlingskrise zusammenarbeite.
    Die Staatsanwaltschaft Mainz, die schon wegen mehrerer Anzeigen gegen Böhmermann sowie gegen ZDF-Verantwortliche ermittelt, wurde nach eigenen Angaben bislang nicht über das Strafverlangen der Türkei informiert. "Hier liegt noch nichts vor, und ich bin auch von keiner amtlichen Seite diesbezüglich unterrichtet", teilte die leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller mit. Für eine Strafverfolgung in solchen Fällen brauche es neben dem Strafverlangen der Türkei auch eine entsprechende Ermächtigung vonseiten der Bundesregierung.
    ZDF hält zu Böhmermann
    Das ZDF will Böhmermann trotz des Ärgers die Treue halten. Dessen "Neo Magazin Royale" stehe nicht zur Disposition, teilte der Sender auf Anfrage mit. "Die Sendung wird wie bisher fortgeführt." Die Late-Night-Show werde am Donnerstagabend in der Mediathek und auf ZDFneo sowie am Freitag im ZDF zu sehen sein. Das strittige Schmähgedicht hatte das ZDF jedoch nach der Sendung vom 31. März aus seiner Online-Mediathek entfernt.
    Böhmermann, der am 8. April für eine frühere Satire-Aktion ("Varoufake") in Abwesenheit den begehrten Grimme-Preis erhielt, hält sich seit Tagen aus der öffentlichen Diskussion heraus. Eine Einladung zur Talkshow von Anne Will schlug er aus - die Runde diskutierte am Sonntagabend das Thema "Streit um Erdogan-Kritik - Kuscht die Bundesregierung vor der Türkei?".
    Prominente Unterstützung
    Der Kabarettist Dieter Hallervorden schaltete sich in den Streit um eine mögliche Strafverfolgung des ZDF-Moderators ein und veröffentlichte auf seiner Facebook-Seite ein Lied mit dem Titel "Erdogan, zeig mich an". Darin heißt es unter anderem: "Ich sing einfach, was du bist: ein Terrorrist, der auf freien Geist nur scheißt."
    Der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis kritisierte die Ermittlungen gegen Böhmermann auf Twitter.
    Europa habe durch den Flüchtlingsdeal mit der Türkei zuerst seine Seele verloren, nun verliere es auch noch seinen Humor. "Hände weg von Böhmermann", forderte er.
    Böhmermann hatte dem umstrittenen Gedicht, das er im "Neomagazin Royale" am 31. März verlesen hatte, vorausgestellt, dass er mit diesem die Grenzen dessen überschreite, was Satire dürfe. Das ZDF löschte das Gedicht, in dem Böhmermann den Präsidenten unter anderem "sackdoof, feige und verklemmt" genannt hatte, am 1. April aus der Mediathek. Die Staatsanwaltschaft Mainz nahm in der vergangenen Woche Vorermittlungen auf, nachdem mehr als 20 Anzeigen gegen Böhmermanns Auftritt eingegangen waren.
    (pg/tzi)