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Fall Friedrich
"Die SPD ist am Zug"

Nach dem Rücktritt von Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich sieht der frühere CSU-Chef Erwin Huber die SPD in der Pflicht: Diese müsse lückenlos aufklären, ob ihr Abgeordneter Sebastian Edathy aus den eigenen Reihen über drohende Ermittlungen wegen Kinderpornografie informiert wurde, sagte Huber im Deutschlandfunk.

Erwin Huber im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 19.02.2014
    Der ehemalige CSU-Parteivorsitzende Erwin Huber spricht am Montag (28.03.2011) vor Beginn der CSU-Vorstandssitzung in München.
    Der frühere CSU-Chef Erwin Huber fordert Aufklärung von der SPD. (picture alliance / dpa / Frank Leonhardt)
    Dirk-Oliver Heckmann: Das Verhalten von Thomas Oppermann sei eine Hypothek für die Koalition, er trage die politische Verantwortung für den Rücktritt von Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich, die SPD-Granden Gabriel, Oppermann und Steinmeier sollten eine eidesstattliche Erklärung abgeben und an die SPD stellten sich eine Menge Fragen – so und ähnlich lauteten die Reaktionen prominenter Christsozialer auf die Affäre Edathy und den folgenden Rücktritt von Hans-Peter Friedrich.
    Gestern trafen sich die Parteichefs der Koalition, Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel, zu einem Sechs-Augen-Gespräch. Das eigentlich geplante Treffen des Koalitionsausschusses wurde dafür eigens abgesagt. Ergebnis: Man schaut jetzt nach vorne und lässt die jüngste Eskalation hinter sich. Wir hätten gerne mit einem führenden CSU-Politiker darüber gesprochen. Nicht nur Generalsekretär Alexander Scheuer hat aus terminlichen Gründen aber abgesagt, wie es hieß.
    Umso schöner, dass wir jetzt reden können mit Erwin Huber. Er ist Abgeordneter im bayerischen Landtag, dort Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses. Bundesweit bekannt ist er natürlich als ehemaliger Finanzminister Bayerns und als ehemaliger CSU-Parteichef. Schönen guten Morgen, Herr Huber.
    Erwin Huber: Guten Morgen.
    Heckmann: Herr Huber, die Chefs von CDU, CSU und SPD haben sich unter sechs Augen gesprochen. Ist jetzt alles wieder gut?
    Huber: Nein, das kann man so nicht sagen. Es ist natürlich richtig, dass die Spitzen der Koalition versuchen, das verloren gegangene Vertrauen wieder herzustellen. Aus der Misstrauenssituation darf natürlich keine Staatskrise entstehen. Das Land braucht eine verlässliche Regierung. Aber ich sehe auch in erster Linie jetzt die SPD gefordert, Klarheit herzustellen und damit natürlich auch die Verlässlichkeit in der Koalition wieder zu gewährleisten. Die SPD ist am Zug.
    "Edathy muss einen Wink bekommen haben"
    Heckmann: Die SPD ist am Zug. Wie, in welcher Form, an welchen Punkten muss denn da Klarheit noch geschaffen werden, denn alle maßgeblichen SPD-Politiker haben sich doch mittlerweile erklärt?
    Huber: Es ist ja nun heute eine ganztägige Sitzung des Innenausschusses des Bundestages und da müssen die Karten auf den Tisch gelegt werden. Der Sachverhalt ist ja der, dass die SPD-Spitze ja informiert worden ist, dass es beim früheren Abgeordneten Edathy ein Problem gibt, ein Ermittlungsverfahren möglicherweise gibt. Und zweitens: Der Sachverhalt ist wohl der, dass der gewarnt worden sein muss, denn wer Daten zerstört und auf diese Art und Weise möglicherweise Beweismaterial zur Seite schafft, der muss ja einen Wink bekommen haben. Diese Informationslücke -
    Heckmann: Und Sie vermuten weiterhin, dass diese Information möglicherweise – Herr Huber, Pardon, dass ich da einhake – aus den Reihen der SPD kam und nicht etwa aus Ermittlerkreisen?
    Huber: Das ist natürlich jetzt genau die Frage. Das muss geklärt werden. Wir haben zwei Sachverhalte. Die SPD-Spitze wusste Bescheid und offenbar hat er auch einen Wink bekommen. Wer hat diesen Wink gegeben? Wer ist für diese Information zuständig, wer ist schuld daran? Diese Verantwortung muss geklärt werden und hier kann die SPD nicht einfach nur sagen, wissen wir nicht, haben wir nicht gehört, sondern das muss aufgeklärt werden.
    Sonst ist der Rechtsstaat und natürlich auch die Koalition doch mit einer erheblichen Hypothek belastet, die einseitig nur bei der SPD ist. Ich halte im Übrigen jetzt auch nichts davon, ständig Rücktrittsforderungen zu machen, aber die SPD-Spitze muss alles tun, diese Sache aufzuklären.
    Heckmann: Sie halten nichts von Rücktrittsforderungen. Aber sie waren ja verklausuliert zumindest indirekt mehr oder weniger verhüllt erhoben worden vonseiten Ihres Generalsekretärs Alexander Scheuer. Er hat nämlich gesagt, Thomas Oppermann trage die politische Verantwortung für den Rücktritt Friedrichs. Gerda Hasselfeldt hat von einer Hypothek gesprochen für die Große Koalition im Zusammenhang mit dem Verhalten Thomas Oppermanns, des SPD-Fraktionschefs. Jetzt bleibt Oppermann Fraktionschef der SPD. Hat die CSU erkannt, dass sie nicht die Macht hat, ihn zu stürzen?
    Huber: Es geht zunächst einmal um die Klärung der Verantwortlichkeit. Das muss jetzt im Vordergrund stehen. In der Tat: Da haben wir bei uns Wut und Enttäuschung, aber auch den kühlen Kopf, dann nicht einfach Rundumschläge zu machen, sondern den Sachverhalt zu klären. Insgesamt aus meiner Sicht sind zwei Konsequenzen noch wichtig.
    Einmal: Die Kanzlerin muss sehen, dass diese Große Koalition gerade auch nach diesen Vorgängen doch mit einer erheblichen Belastung jetzt arbeitet. Sie wird noch mehr gefordert sein, auch im Inland präsent zu sein, politische Führung zu zeigen, zu moderieren, vielleicht öfter auch die Spitzen zusammenzuholen. Das heißt, man hat auch der Kanzlerin eine zusätzliche Hypothek aufgebürdet.
    Gespräche von SPD und Linken sind "weiterer Hieb gegen Vertrauensbasis der Koalition"
    Das zweite ist: Ich fordere auch, dass die SPD ihre Spielchen mit der Linken aufgibt. Wenn parallel jetzt dazu gesagt wird, wir müssen schon auch das Terrain mit der Partei Die Linke klären, dann ist das ein weiterer Hieb und Schlag gegen die Vertrauensbasis der Koalition. In beiden Punkten sehe ich die SPD gefordert und das muss innerhalb von kurzer Zeit geklärt werden.
    Heckmann: Alexander Scheuer, der eben schon zitierte Generalsekretär der CSU, sagte, ein Fraktionsvorsitzender sei immer auch ein Stabilitätsanker in einer Koalition, und das sei Herr Oppermann gerade nicht. Sehen Sie das auch so?
    Huber: Wir müssen zunächst einmal respektieren, dass jede Fraktion ihren Vorsitzenden selber wählt. Die SPD-Fraktion hält offenbar an Herrn Oppermann fest und deshalb muss man das einfach mal als Tatsache sehen. Aber die Ablehnung einer verklausulierten Rücktrittsforderung klärt ja den Sachverhalt nicht. Wir müssen und werden darauf bestehen, dass der Sachverhalt lückenlos geklärt wird, und da sollte auch der Herr Oppermann vielleicht auch heute seinen Teil dazu beitragen, nicht sich einfach nur als Stabilitätsanker selber zu bezeichnen, sondern er kann dieses Prädikat nur bekommen, wenn er einen erkennbaren nachhaltigen Beitrag dazu leistet, die Wahrheit auf den Tisch zu bringen.
    Heckmann: Herr Oppermann bleibt also im Amt. Das wird das Ergebnis sein, das ist jetzt schon klar. Was wird denn die CSU dafür haben wollen an Zugeständnissen vielleicht auch inhaltlicher Art? Gerda Hasselfeldt hat ja gesagt, Vertrauen kann man durchaus auch auf inhaltlicher Ebene wieder erwerben. Was fordert die CSU?
    Huber: Ich glaube nicht, dass die Politik so funktioniert wie im Kindergarten, Du hast mir was angetan und jetzt musst Du liefern und sei jetzt ein braves Kind.
    Heckmann: Das heißt, Gerda Hasselfeldt hat da ein bisschen naive Vorstellungen?
    "SPD-Politiker haben Vertrauensbasis zerstört"
    Huber: Es ist völlig klar: Die Vertrauensbasis ist zerstört. Und ich sage auch, sie ist von SPD-Politikern erschüttert worden, und deshalb muss dort auch alles getan werden, zuerst Aufklärung des Sachverhalts, aber dann natürlich auch eine extrem stabile Zusammenarbeit. Aber ich wollte sagen, es geht jetzt nicht darum, jetzt ist bei uns der Friedrich geschlagen worden, jetzt schlage ich von den anderen einen. Das ist sicherlich in dieser Abfolge nicht möglich.
    Heckmann: Blicken wir mal auf die CSU selbst. Da ist ja Vertrauen ganz offenbar auch zerstört worden. Hans-Peter Friedrich, der hat nämlich gesagt, von allen Seiten habe es an Rückhalt gefehlt, also auch vonseiten des CSU-Chefs Horst Seehofer. Hat Seehofer Friedrich also zu schnell fallen gelassen, obwohl es gar nicht nötig gewesen wäre?
    Huber: Dass der Hans-Peter Friedrich hier eine Information weitergegeben hat, wie ich glaube in gutem Glauben, um Schaden vom Land abzuwenden, ist eine Tatsache. Auf der anderen Seite droht ja nun ihm ein Ermittlungsverfahren, und ein Minister kann nicht mit dem Staatsanwalt hinter sich seiner Aufgabe nachkommen. Also ich glaube, diese Sache ist gelaufen und da sollte man jetzt nicht mehr nachtragen.
    Heckmann: Der ehemalige CSU-Parteichef Erwin Huber war das im Gespräch hier im Deutschlandfunk. Danke Ihnen für das Interview, Herr Huber.
    Huber: Einen schönen Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.