Es war der perfekte Schnappschuss: Rafael Reif, der Leiter des berühmten Massachusetts Institute of Technology, kurz MIT, schüttelt dem saudi-arabischen Kronprinz Mohammed bin Salman die Hand, um eine noch engere Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien zu feiern. Und half dem Prinzen, sich als innovationsbegeisterter Reformer zu inszenieren.
Doch acht Monate später ist das Bild vom Reformer für immer zerstört und das MIT muss sich den Vorwurf gefallen lassen, schmutziges Geld anzunehmen, das nicht zu seinem Image als elitäre Bildungsinstitution passt. Denn die New York Times identifizierte in dem Foto Maher Abdulaziz Mutreb - ein enger Vertrauter des Kronprinzen, der am Tag des Verschwindens des Journalisten Jamal Khashoggi von Überwachungskameras in Istanbul aufgenommen wurde - und seitdem als einer der mutmaßlichen Täter gilt. Auch für Yarden Katz, ein Postdoktorand an der Harvard Medical School und MIT Absolvent, ist das ein Skandal.
"Hier haben wir das Bild eines Tatverdächtigen in einem brutalen Mord, wie er über unseren Campus geht, während Mohammed bin Salman mit Pauken und Trompeten empfangen wird."
"Beziehungen mit Kriegsverbrechern"
Für das MIT ist das eine unangenehme Situation, die hätte verhindert werden können. Denn eine Initiative hatte 6.000 Unterschriften gegen den Besuch des Kronprinzen bei MIT und Harvard gesammelt. Und in einer Kolumne warf die Studierendenzeitung "The Tech" der MIT Leitung vor, "sie pflege Beziehungen mit Kriegsverbrechern, solange sie ihren Einfluss auf globaler Ebene ausbauen könne."
Umsonst. Reif und der Kronprinz unterzeichneten mehrere Verträge, darunter ein 25 Millionen Dollar schweres Forschungsabkommen mit dem saudi-arabischen Ölkonzern Aramco. Und eine Stiftung des Kronprinzen erneuerte ihre jährliche Mitgliedschaft für 250.000 Dollar im MIT Media Lab, einem der einflussreichsten Forschungszentren der Welt. Yarden Katz:
"Die Universität trägt dazu bei, die Politik von Saudi-Arabien und dem Kronprinzen zu legitimieren. Und sie hilft dabei, ein falsches Bild von ihm als Reformer zu zeigen."
15.000 Studierende mussten abbrechen
Während Saudi Arabien einen Krieg gegen Jemen führt, der 400.000 Kinder gefährdet, vertiefen auch viele andere US Bildungsstätten ihre Beziehungen zu Saudi-Arabien: An der Harvard Universität dürfen jedes Jahr 100 Schüler aus Saudi-Arabien am Sommerprogramm teilnehmen, während das Medienunternehmen Bloomberg zukünftige Journalisten und die Programmierakademie General Assembly junge Webseiten-Entwickler in Rhiad ausbilden - auf Kosten der Saudi arabischen Regierung.
Doch wie unberechenbar die saudi-arabische Regierung sein kann, zeigte sich im August in Kanada: 15.000 Studierende mussten ihr Studium plötzlich abbrechen und Kanada innerhalb weniger Tage verlassen. Der Grund? Saudi Arabien hatte einen Tweet der kanadischen Außenministerin Chrystia Freeland als Einmischung empfunden. Darin hatte sie die Freilassung der saudi-arabischen Aktivistin Samar Badawi gefordert, die lange darum gekämpft hat, dass Frauen Autos fahren können.
Für Thomas Juneau, Professor für internationale Politik an der Universität von Ottawa, ist das ein Signal, dass es Mohammed bin Salman nicht in erster Linie um Bildung, sondern Machtausübung geht.
"Für kanadische Universitäten war das eine schlechte Nachricht, aber für die Studierenden aus Saudi-Arabien war es verheerend. Sie mussten eine neue Uni in einem anderen Land finden und sich neu einschreiben. Das kann sehr schwer sein."
Gras über die Sache wachsen lassen?
Dass Universitäten ihren Kontakt mit Saudi-Arabien abbrechen sollten, findet Thomas Juneau allerdings nicht. Unter einer Bedingung: "Transparenz ist entscheidend. Das ist in den USA schwieriger als in Kanada. Aber studentische Organisationen, die Medien und die Bürger sollten Universitäten dazu zwingen, so transparent wie möglich zu sein, damit sie wissen, was sie in anderen Ländern tun.
Für den Bildungsexperten Grif Peterson aus Boston sind US-Unis von diesem Ziel noch weit entfernt: "Ich wäre nicht überrascht, wenn Harvard und das MIT ihre Beziehungen mit Saudi-Arabien überdenken. Aber es geht ihnen eher darum, Gras über Probleme wachsen zu lassen, bevor sie wieder Partnerschaften eingehen. Es geht nicht darum, Entscheidungen zu treffen, die Probleme nicht mehr möglich machen."