Im Gerichtssaal herrschte großes Gedränge, auch der deutsche Generalkonsul Georg Birgelen war anwesend. Vor dem Gebäude demonstrierten zahlreiche Menschen für die Freilassung der Angeklagten. Den Menschenrechtsaktivisten wird die Unterstützung einer Terrororganisation vorgeworfen - eine Anschuldigung, die international für Empörung und Unverständnis gesorgt hat. Steudtner war Anfang Juli in einem Hotel auf einer Insel vor Istanbul festgenommen worden, wo er als Trainer an einem Seminar von Amnesty International teilnahm. Die Bundesregierung forderte mehrfach seine sofortige Freilassung.
Amnesty: "Wirre Zusammenfügung" von Vorwürfen
Der Generalsekretär der Organisation in Deutschland, Markus Beeko, sagte, in den Anklageschriften werde eine reguläre Fortbildung für Menschenrechtler in ein konspiratives Geheimtreffen umgedeutet. Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen äußerte sich ebenfalls im Deutschlandfunk. Er bewertete die Anklageschrift als "wirre Zusammenfügung" von Vorwürfen und sagte, er erwarte die sofortige Freilassung aller Angeklagten. Der ganze Sachverhalt sei inakzeptabel für ein Land, das EU-Mitglied werden wolle. Das Auswärtige Amt erklärte, man hoffe auf ein ermutigendes Zeichen für Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz - auch im Falle von Peter Steudtner.
Mutlu (Grüne): Verfahren könnte Wendepunkt im Verhältnis zur Türkei werden
Der Grünenpolitiker Özcan Mutlu, der den Prozess in Istanbul beobachtet, sagte der Deutschen Presse-Agentur, das Verfahren gegen Steudtner könnte ein Wendepunkt im Verhälnis zur Türkei werden. Er hoffe auf ein faires Verfahren, die Anklageschrift sei aber eine Ansammlung von Verschwörungstheorien. Wenn die Angeklagten nicht freigesprochen würden, wäre dies eine neue Eskalationsstufe in den deutsch-türkischen Beziehungen. Dann werde Berlin Tacheles reden, so Mutlu.
Kofler (SPD): Am Ende kann nur der Freispruch stehen
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, verlangte von der Türkei, die rechtsstaatlichen Vorgaben einzuhalten. "Das Entscheidende ist, dass das Verfahren rechtsstaatlich, zügig und konkret ist und eben kein politisches Verfahren wird, sondern ein nach juristischen Maßstäben sauberes Verfahren", sagte Kofler dem Südwestrundfunk in Baden-Baden. Wenn es nach den Vorstellungen der deutschen Seite gehe, könne am Ende nur ein Freispruch stehen.
"Lage der Meinungsfreiheit in der Türkei ist beängstigend"
Die Menschenrechtslage in der Türkei sei gegenwärtig äußerst schlecht. Das betreffe nicht nur willkürliche Verhaftungen von Staatsbürgern anderer Nationen, sondern beispielsweise auch Entlassungen im eigenen Land. Allein in den vergangenen zwei Jahren seien tausende Beamte, Lehrer, Verwaltungsangestellte und Juristen entlassen worden. Kofler nannte die Lage der Meinungsfreiheit und die Verhaftung von Journalisten wörtlich "beängstigend".
(tep/nch)