Christine Heuer: Die besten Freundschaften sind ja oft die, die man früh im Leben schließt. Aus Schultagen sogar datiert die Freundschaft zwischen Eckart von Klaeden und Christoph Brand. Mehr als 20mal haben sich der Staatsminister im Kanzleramt und der Goldman Sachs Banker getroffen, in einer Zeit, in der Daimler seine EADS-Anteile an den Bund verkaufen wollte. Der Deal wurde von Goldman Sachs vermittelt und spülte Daimler, wo Eckart von Klaeden inzwischen Cheflobbyist ist, mehr als anderthalb Milliarden Euro in die Kasse. Die Beteiligten dementieren Absprachen zur Sache. Von Klaedens Treffen mit Christoph Brand müssen demnach rein persönlicher Natur gewesen sein. – Hartmut Paulsen war viele Jahre Generalbevollmächtigter bei Hochtief und dort unter anderem für die Unternehmenskultur zuständig. Guten Morgen, Herr Paulsen.
Hartmut Paulsen: Guten Morgen, Frau Heuer.
Heuer: Wie oft treffen Sie denn so Ihre Schulfreunde?
Paulsen: Das ist eine sehr nette Frage. Ich bin Schwabe oder in Schwaben aufgewachsen und lebe in Düsseldorf. Also ich treffe sie nur relativ selten, insbesondere weil es auch ganz wenige berufliche Verbindungen dazugibt.
Heuer: Manchmal gibt es die ja. Wie glaubwürdig finden Sie denn das Dementi der Beteiligten beim Daimler-EADS-Deal?
Paulsen: Ich finde das Dementi nicht besonders glaubwürdig. Allerdings finde ich auch an dem Austausch von Informationen zwischen Herrn Klaeden und Herrn Brand völlig außerhalb der Schulfreundschaft relativ wenig auszusetzen.
Heuer: Und wo liegt dann die Grenze, wo es was auszusetzen gäbe?
Paulsen: Auszusetzen gäbe es dann zum Beispiel etwas, wenn er Dienstgeheimnisse weitergetragen hätte, die er nicht weitertragen darf. Das wäre ein Punkt, an dem es etwas auszusetzen gäbe. Ansonsten ist die Verbindung gerade bei solchen Deals über die Bank, die der Dealmaker ist, etwas im Wirtschaftsleben eigentlich sehr Normales.
Heuer: Ist dann auch der sehr direkte Draht zur Politik etwas ganz Normales? Oder anders gefragt: Wie nützlich kann denn ein Staatsminister im Kanzleramt einem Unternehmen wie Daimler sein?
Paulsen: Ich möchte mal einen Spruch von Erich Kästner abwandeln.
Heuer: Immer gerne!
Paulsen: Erich Kästner hat mal so in etwa gesagt, die Unternehmer sind die eine Hand des wirtschaftlichen Organismus und die Politiker – da hat er jemand anderen genommen allerdings – sind die andere Hand. Und die Bankiers sind die Geheimnisse zwischen beiden. Wenn ich jetzt so einen großen Deal wie mit EADS vorhabe, ist es natürlich ganz wichtig, dass ich genau weiß, was der Bankier vorhat, der diesen Deal ja leitet, und das war Goldman Sachs. Also man kann so sagen, dass es vielleicht sogar gar nicht so schlecht war, dass Herr Klaeden sich mit Goldman Sachs in Verbindung gesetzt hat, um zu wissen, wie die denn den Deal für Daimler gestalten wollen. Da sind auch ganz wertvolle Informationen sicher für die Bundesregierung und die KfW drin gewesen.
Heuer: Kann also sein, dass Eckart von Klaeden tatsächlich im Auftrag des Kanzleramts unterwegs war und zu dessen Gunsten?
Paulsen: Könnte! – Könnte! – Das kann man nicht beurteilen. Aus der Presse und aus all dem, was man dazu lesen kann, ergibt sich dazu nichts.
Heuer: Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt ja bereits einige Wochen gegen von Klaeden, und zwar wegen des Verdachts der Vorteilsannahme, und zunächst ging es dabei, so war zu lesen, um Erkenntnisse zur CO2-Politik der Bundesregierung, dann eben für Daimler. Sie sind Jurist. Glauben Sie, am Ende gibt es eine Anklage?
Vorwurf der Vorteilsnahme ist sehr dünn
Paulsen: Im Moment sieht das, glaube ich, noch sehr schwach aus. Dieser Vorwurf steht auf schwachen Beinen. Denn das Wesentliche, das Sie bei einer Vorteilsnahme, Vorteilsgabe brauchen, ist eine Unrechtsvereinbarung zwischen den beiden Parteien. Im Bestechungsbereich und im Vorteilsnahmebereich gibt es diesen netten Spruch, "it needs two to tango", nur zu zweit kann man Tango tanzen, und hier gibt es noch keinerlei Information darüber, vor welchem Hintergrund denn so eine Unrechtsvereinbarung, also eine Vereinbarung, wenn du mir das und das an Informationen oder dem lieferst, dann bekommst du etwas Gutes von mir wie zum Beispiel so einen Job bei Daimler, dazugibt es keinerlei Informationen, nichts in der Presse, und das ist aber einer der wesentlichen Tatbestandsteile der Vorteilsgabe und der Vorteilsnahme.
Heuer: Und um so etwas nachzuweisen, müsste es etwas Schriftliches geben oder Zeugen?
Paulsen: Oder Zeugen, ganz richtig.
Heuer: Ein beruflicher Wechsel ist ja an sich nichts Schlimmes. Was genau ist im Fall von Klaeden trotzdem so anrüchig, dass die Zeitungen so viel darüber schreiben, dass die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt, und auch, dass wir heute Morgen darüber reden?
Paulsen: Ja! Der Austausch zwischen Politik und Wirtschaft ist etwas, glaube ich, sehr, sehr Wertvolles, und gerade in einer Volkswirtschaft wie unserer – ich glaube, wir sind die drittgrößte Volkswirtschaft in der Welt. Die Amerikaner sehen das viel lockerer. Vielleicht ist das auch einer der Hintergründe, warum Goldman Sachs mit Politikern so redet. Denn denken Sie mal daran, dass aus Goldman Sachs heraus direkt einer der Goldman Sachs Manager amerikanischer Finanzminister geworden ist, der im Übrigen auch noch fast genauso heißt wie ich, nämlich Paulson, und es gibt viele Manager aus Bankierskreisen, die auch direkt als Notenbankchefs eingesetzt wurden in den USA – etwas, was bei uns nicht üblich ist.
Ich plädiere in diesen Fällen für etwas, um jeden Zweifel auszuschließen, wenn man aus der Politik mit einem Haufen von Wissen angereichert in die Wirtschaft geht, dass man so etwas macht, wie wir das auch im Aktienrecht kennen, wenn zum Beispiel ein Vorstand in den Aufsichtsrat aufrückt, dass wir sagen, wir machen da eine „cooling off periode“, eine Abkühlungsperiode, wir setzen einen Zeitraum ein, in dem dieses Wissen, was man sich aufgebaut hat in der Politik, nicht mehr oder nur noch so vorhanden ist, dass es nicht für wirtschaftliche Zwecke gut eingesetzt werden kann.
Heuer: Wie lang müsste denn eine solche Frist dauern?
Paulsen: Im Aktienrecht sagt man zwei Jahre etwa. Ich glaube, das wäre auch eine angemessene Frist. Die Informationen in der Politik sind ja relativ kurzzeitig, sodass sich bis dahin schon das meiste abgebaut hätte.
Heuer: Herr Paulsen, aber warum macht die Politik das denn nicht?
Paulsen: Das ist eine gute Frage, denn es ist natürlich so, dass man selber deutlich wertvoller ist, je mehr Wissen man bei sich trägt, und umso eher bekommt man sehr, sehr gute Jobs. Das gilt für die Industrie von Industrie zu Industrie und das gilt natürlich auch von Politik zur Industrie.
Heuer: Das heißt, die Politiker wollen sich nicht selber Steine in den Weg legen?
Paulsen: Nicht so sehr Steine in den Weg legen. Sie wollen wertvoller sein und dieses Wertvolle drückt sich in unserer Gesellschaft nun einmal dann in Geld und damit auch in Bezahlung aus.
Heuer: Schaden die Berichte über Eckart von Klaeden eigentlich Daimler?
Paulsen: Ich denke, so wie sie im Moment geführt werden, schaden sie Daimler. Daimler hätte vielleicht gut daran getan, Herrn Klaeden nicht sofort nach seiner Funktion im Kanzleramt unmittelbar noch aus der Legislaturperiode heraus einzustellen, wenn ich auch darin keinen wie auch immer gearteten strafrechtlichen Hintergrund zunächst mit den Informationen, die vorliegen, sehe. Aber es ist vielleicht so etwas wie, meine Mutter hat zu mir immer gesagt: „Hartmut, so was macht man nicht.“ Das ist mehr eine Frage jetzt von Sitte und Anstand als von gesetzlichen und rechtlichen Regelungen.
Heuer: Und Eckart von Klaeden hat offenbar niemand so etwas gesagt, nicht einmal die Kanzlerin?
Paulsen: Augenscheinlich.
Heuer: Hartmut Paulsen, er war Generalbevollmächtigter, übrigens auch Chefjurist bei der Hochtief AG und er war dort auch zuständig für die Unternehmenskultur. Wir haben mit ihm gesprochen über den Fall Eckart von Klaeden und ich bedanke mich sehr für das Gespräch, Herr Paulsen.
Paulsen: Ich danke auch für das Gespräch und wünsche Ihnen einen schönen Tag, Frau Heuer.
Heuer: Ebenso.
Paulsen: Danke.
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