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Falsch gepokert

Vergangenen Dienstag hat Jerry Yang seinen Hut genommen und ist von seinem Vorstandsposten zurückgetreten. Der Chef des kalifornischen Internetunternehmens Yahoo vollzog damit einen - in den Augen vieler Beobachter - längst überfälligen Schritt.

Marcus Schuler im Gespräch mit Manfred Kloiber |
    Manfred Kloiber: Nur 17 Monate stand Yang als CEO an der Spitze des Unternehmens und er hat wenig Fortune gehabt. Marcus Schuler, liegt ein Grund für Yangs Scheitern darin, dass er im Februar das finanziell sehr attraktive Übernahmeangebot von Microsoft abgelehnt hat?

    Marcus Schuler: Ja, das ist so. Es war nachgerade töricht von ihm, die 31 Dollar je Aktie, die Microsoft seinerzeit geboten hatte, abzulehnen. Damals war die Yahoo-Aktie 19 Dollar wert. Gestern, am Freitag, notierte sie bei knapp unter zehn Dollar.

    Kloiber: Wieso hat Jerry Yang, Mitbegründer von Yahoo, ein Zusammengehen mit Microsoft so vehement abgelehnt?

    Schuler: Da gibt es mehrere Gründe. Ein sehr einfacher sicherlich eine gewisse Sturheit in Person von Jerry Yang. Außerdem glaubte er, dass die beiden Unternehmenskulturen zu verschieden seien. Yahoo versteht er noch immer als "hippes" Unternehmen, als Quell nie versiegender Innovationen. Yahoo hätte er viel lieber in der Nähe von Google gesehen als unter dem Dach von Microsoft, einem Konzern mit weltweit 93.000 Mitarbeitern. Es scheint so als hat der heute 40jährige nie erkannt, dass er vielleicht seine besten Zeiten längst hinter sich hat. Da ist sicherlich eine große Selbstüberschätzung im Spiel gepaart mit Marotten, die vielleicht während des Internet-Booms kommod waren: Während Vorstandskonferenzen soll Yang einen Golfabschlag trainiert haben, in E-Mails verwendet er stets die Kleinschreibung und auf einer Konferenz hat er neulich gesagt, er blute lila. Das ist die Unternehmensfarbe von Yahoo.

    Kloiber: Erzählen Sie uns kurz etwas über die Geschichte von Yahoo.

    Schuler: Jerry Yang und Mitbegründer David Filo waren die ersten so genannten Dot-Com Milliardäre. Die beiden studierten Anfang der 90er Jahre an der Stanford-Universität in Kalifornien. Und als die Zahl der Internetseiten noch sehr übersichtlich war, stellten die beiden eine Linkliste ins Netz: Ein Verzeichnis mit allen wichtigen Internetseiten. 1996 brachten sie Yahoo an die Börse und wurden zu Milliardären. Es folgten "fette" Jahre, in denen man zwar gut verdiente, aber auch den Abstieg von der Spitze einläutete: Man kaufte verschiedene Internetdienste und Unternehmen ein. Aber nichts passte so richtig zusammen. Gleichzeitig verlor man das Kerngeschäft aus den Augen: die werbefinanzierte Suche im Internet. Nach wie vor ist Yahoo die zweitwichtigste Suchmaschine in den USA und Europa. Es ist mit seinem Free-Mail Dienst und der dazu gekauften Foto-Community Flickr immer noch eine sehr bedeutende Größe. Aber: Um wachsen und gegen Google bestehen zu können, braucht es eben einen starken Partner.

    Kloiber: Und der wäre in Microsoft sicherlich nicht schlecht gewesen?

    Schuler: Genau so ist es. Doch Yang eierte herum und lehnte schließlich das Übernahmeangebot ab, suchte bei Google Schutz und wollte mit dem Unternehmen eine Werbepartnerschaft gründen. Viele Beobachter befürchteten jedoch, dass ihm da die Kartellaufsicht einen Strich durch die Rechnung machen würde und so kam es auch. Als Yang dann wieder versuchte, mit Microsoft ins Geschäft zu kommen, teilte dessen Chef Steve Ballmer mit, er habe kein Interesse mehr. Auch nach dem Rücktritt von Yang diese Woche blieb Microsoft hart.

    Kloiber: Yang ist damit zu einer tragischen Figur geworden.

    Schuler: Tragisch ja, aber Mitleid ist nicht angebracht. Seiner Uneinsichtigkeit ist es zu schulden, dass in diesem Jahr rund 2500 Yahoo-Mitarbeiter ihren Job verloren. Yang ist noch immer steinreich und er verlässt das Unternehmen nicht. Er wird weiterhin für die Technik verantwortlich sein und er sitzt im elfköpfigen Verwaltungsrat.

    Kloiber: Wie geht es nun mit Yahoo weiter?

    Schuler: Eine Übernahme durch Microsoft scheint nun wirklich vom Tisch. Man könnte sich mit einer einstigen Größe zusammentun, dem Internetportal AOL und dann eine Beteiligung an das AOL-Mutterhaus Time-Warner verkaufen. Zugleich sucht eine Personalberatung nach einem Nachfolger für den Vorstandsposten von Yang. Yahoo und Yang haben eine große Chance vertan. Ein Zusammengehen mit Microsoft wäre ideal gewesen, um in schwierigen Zeiten dem Giganten Google ein Gegengewicht entgegenzusetzen. Das alles kommt nun nicht. Und Google baut seine Vormachtstellung weiter behend aus.