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Falschnachrichten in Indien
WhatsApp verschärft die Regeln

Nach Falschmeldungen, die per WhatsApp verbreitet wurden, sind in Indien im vergangenen Jahr unschuldige Menschen getötet worden. Daraufhin verschärfte der Messenger-Dienst die Regeln für das Weiterleiten von Nachrichten. Nun sollen die Regeln weltweit gelten. Doch Experten halten den Nutzen für gering.

Von Silke Diettrich |
    Das Logo von WhatsApp, vor dem die Silhouetten von zwei Personen zu sehen sind.
    WhatsApp beschränkt die Verbreitung von Nachrichten. (imago)
    Ganze Dörfer sind im letzten Sommer plötzlich in Panik geraten. Auf einem Video, das sich Bewohner per WhatsApp weitergeleitet hatten, waren mutmaßliche Kindesentführer zu sehen. Wegen falscher Nachrichten haben verschreckte Dorfbewohner rund 20 Männer umgebracht. Gerüchte oder Nachrichten? Dies sei für die Menschen kaum zu unterscheiden, sagt der Cyber-Experte Pawan Duggal:
    "In Indien gibt es noch unglaublich viele Menschen, die ungebildet sind. Sie haben ein Smartphone, aber sie können kaum lesen. Dann sehen sie solche Videos auf ihrem eigenen Handy bei WhatsApp, das führt hier zu Massenhysterien oder eben Morden im Land."
    Aufklärungskampagnen in Indien
    In Indien hat das riesige Debatten ausgelöst. WhatsApp hat hier so viele User wie nirgendwo sonst auf der Welt. Der Messenger-Dienst musste reagieren, um aus den negativen Schlagzeilen heraus zu kommen. Und hat nach den Morden das schnelle Weiterleiten von Nachrichten eingeschränkt. Auch steht nun über jeder Nachricht, die nicht von direkt von einer Kontaktperson im eigenen Smartphone stammt, dass die Quelle jemand anderes war. Wer? Das bleibt unbekannt.
    Nun schaltet WhatsApp landesweit Aufklärungskampagnen. Die Botschaft ist immer gleich: Plötzlich taucht eine FakeNews auf. Jemand aus der Freundes- oder Familiengruppe reagiert schnell und klärt alle auf, dass solchen Nachrichten nicht geglaubt werden sollten und man sie daher auch nicht weiterleiten solle. Durchaus eine gute Initiative, sagt Pratik Sinha. Er ist der Gründer der indischen Faktenchecker Webseite altnews. Dennoch bezweifelt er, dass deswegen heute weniger Falschmeldungen im Umlauf seien.
    Polizei in WhatsApp-Gruppen
    "Facebook hat bis jetzt noch keinerlei Daten darüber heraus gegeben, ob und wie die eingeschränkten Funktionen sich auf die Verbreitung von Nachrichten hier im Land ausgewirkt haben. Die bräuchten wir, um verlässliche Aussagen treffen zu können."
    Dass die Massenpanik und Morde aufgehört hätten, sei eher der indischen Polizei zu verdanken, die Einschränkungen der der Facebook-Tochter WhatsApp hätten weniger damit zu tun, glaubt Pratik Sinha.
    Auch sind nun die Polizisten in den WhatsApp-Gruppen der Dorfbewohner gelistet, damit sie im Zweifel schnell reagieren können, falls erneut Gerüchte verbreitet werden. Allerdings seien die meisten Falschinformationen in Indien politischer Natur, sagt Pratik Sinha, und deren Verbreitung werde nun nicht weniger, sie mache nur ein wenig mehr Arbeit.
    Wenig Wirkung der Maßnahmen
    "WhatsApp hält uns ja nicht davon ab, weiterhin Nachrichten weiterzuleiten. Es geht nur noch an fünf Menschen, Listen oder Gruppen auf einmal, aber das kannst du beliebig oft tun. Auf einen Schlag erreicht man nach wie vor noch potentiell mehr als 1200 Leute. Aber die Falschinformationen werden dadurch nicht weniger."
    Noch immer ist es kaum möglich, die Quelle von falschen Nachrichten aus findig zu machen. Und selbst wenn, musste bislang auch noch niemand harte Konsequenzen befürchten in Indien. Im Frühjahr stehen hier Präsidentschaftswahlen an, in der so genannten "größten Demokratie der Welt". Und alle fürchten, dass die Konflikte auf Kosten der Wahrheit in Indien wieder volle Fahrt aufnehmen, egal welche technischen Details auf Social-Media-Plattformen verändert wurden.