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Falsett-Gesang und Disco-Beats

Seine Falsett-Stimme machte Songs wie "Stayin' Alive" oder "Night Fever" so einprägsam. Nun ist Bee-Gees-Sänger Robin Gibb gestorben. Deutschlandfunk-Musikredakteurin Kerstin Janse spricht im Interview über den Künstler und Menschen Robin Gibb.

21.05.2012
    Marietta Schwarz: Robin Gibb ist tot - da war er nochmal zu hören, Robin Gibb, wenn auch ohne Falsettgesang, mit seinen Brüdern Maurice und Barry in "Nights on Broadway", herausgekommen 1975, also zwei Jahre bevor die Bee Gees den Soundtrack zu "Saturday Night Fever" lieferten und mit Songs wie «Stayin' Alive» und «Night Fever» Welthits schufen. Die Bee Gees – mit über 200 Millionen verkauften Alben die erfolgreichste (Familien-)Band überhaupt. Jetzt ist Robin Gibb nach langer Krankheit gestorben. Deutschlandfunk Musikredakteurin Kerstin Janse ist im Studio, "eine Seele in drei Körpern" – so hat Robin Gibb das Verhältnis zu seinen Brüdern beschrieben. Zumindest was das Musikalische betraf, und das hört man ja auch immer noch. Welche Rolle hatte denn Robin Gibb in der Band Bee Gees. War er einfach nur einer unter Dreien?

    Kerstin Janse: Ganz klar: Nein! Denn er war erstens der Leadsänger – sein Falsett-Gesang war immer der höchste, klarste und sauberste. Und zweitens war er derjenige, von dem die meisten Erfolgskompositionen stammen – und viele der anderen Welthits hat er gemeinsam mit seinem Bruder Barry komponiert. Auch in seinen Solozeiten war er erfolgreicher als alle drei seiner Brüder. Sie haben es ja gerade schon erwähnt: Im "Guinnessbuch" werden die Bee Gees als die erfolgreichste Familienband erwähnt, sogar noch - und das sollte man vielleicht extra nochmal erwähnen - vor den Jacksons. Robin Gibb gehört sicher zu den erfolgreichsten Songwritern in der Geschichte der Popmusik. Ohne die bemerkenswerten Sounds, die er mit seinem Bruder Barry und seinem verstorbenen Zwillingsbruder Maurice veröffentlicht hat, wäre die Geschichte der Popmusik, wie wir sie heute kennen, sicher anders gelaufen.

    Schwarz: Bee Gees, damit verbindet man zum einen Falsett-Gesang und auf jeden Fall "Saturday Night Fever", den Disco-Sound, der sich von England weltweit verbreitete. Haben die Brüder Gibb Disco erfunden?

    Janse: Ja. Das kann man so wohl behaupten - nach ihrer Trennung Ende der 60er war das, Anfang der 70er, erlebten sie 1975 weltweit ein überraschendes Comeback zur damaligen Zeit, indem sie mit einem völligem neuen Sound mit verstärkten R&B-Elementen, Falsett-Gesang und pulsierenden - und das war wirklich neu - Disco-Beats präsentierten. Man denke nur an Hits wie "Jive Talking", "Nights on Broadway" oder "You Should Be Dancing". Mit dem Soundtrack zu "Saturday Night Fever", dem Film, wurden sie zu erfolgreichsten Band der 70er-Jahre. Das Album ist bis heute der zweitmeistverkaufte Soundtrack in den USA – nur Whitney Houston mit ihrem "Bodyguard" liegt noch im Verkaufsrangspiel weiter vorne.

    Schwarz: Sie haben ja gerade erwähnt: Es gab ja auch schon Ende der 60er-Jahre die Bee Gees, die damals noch ganz anders klangen. Die Geschichte der Band ist auch eine der Trennungen und eine der Solokarriere Robin Gibbs.

    Janse: Das ist korrekt so. Genaugenommen, da muss ich Sie korrigieren, gab es sie schon Anfang der 60er-Jahre. In Australien haben sie angefangen als Boyband unter unterschiedlichstem Namen. Einer der gängigsten war noch "Barry and the Twins". Doch 1967 kehrten sie zurück als die Bee Gees, und haben wirklich weltweit Ruhm eingefahren. Sie wurden innerhalb kürzester Zeit tatsächlich als die große Konkurrenz der Beatles gehandelt. Und vor allem bei den Medien waren die Bee Gees damals sehr beliebt in den etwas prüden Staaten natürlich. Aber auch in anderen Ländern. Da sie im Gegensatz zu den Beatles oder den Rolling Stones immer das Image von wohlerzogenen Musikern fernab von Drogen hatten. Barry Gibb, der 1968 dann auch noch zum schönsten Mann der Welt gewählt wurde, war dann nur eine weiteres Tüpfelchen auf eine wirklich Mega-Karriere. Man hat auch in den Staaten immer von der Bee-Gee-Mania gesprochen.

    Schwarz: Das letzte Werk Robin Gibbs ist ein Requiem für die Opfer des Untergangs der "Titanic", und das wurde, Kerstin Janse, erst vor gut einem Monat uraufgeführt. Wusste Robin Gibb da schon, dass er sich damit ein letztes musikalisches Denkmal setzt?

    Janse: Ob er es so genau gewusst hat, sei mal dahingestellt – weil er hat noch am Jahresanfang erzählte, er sei von der Krankheit genesen und müsste sich nun nur Kräftemäßig ein wenig sammeln. Aber im Unterbewussten hat er es vielleicht geahnt, weil es ja eine sehr schwere Erkrankung gewesen ist und er hat, krebskrank wie er war, mit seinem Sohn ja an diesem Requim gearbeitet. Musik soll ihren Schöpfer überleben. Dafür wird sie aufgeschrieben, aufgeführt und aufgenommen. Während das "Titanic Requiem" dann uraufgeführt wurde in London Anfang April, lag er ja schon im Koma im Krankenhaus. Damals trat sein Sohn vor die Presse und sagte einen Satz, der damit vielleicht auch ihre Frage beantwortet: "Er hat ein Requiem komponiert, das ihn über die eigene Sterblichkeit hinwegtröstet".