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Familienministerin Franziska Giffey
Eine Ost-Versteherin, die auch im Westen ankommt

Auszeichnung der Kita des Jahres, Ausstellung zum Frauenwahlrecht, Bündnis gegen Rechts: Familienministerin Franziska Giffey ist bürgernah unterwegs. Bis zum Ende der Sommerpause will sie alle Bundesländer besucht haben und dabei ihrer Maxime folgen: Hingehen, zuhören, handeln.

Von Frank Capellan |
    Familienministerin Franziska Giffey teilt Bundesadler aus Plüsch an Kinder aus
    Familienministerin Franziska Giffey teilt Bundesadler aus Plüsch aus (Deutschlandradio / Frank Capellan)
    "Sach mal! Ich dachte, in Maintal ist richtig was los, könnt Ihr mal richtig Guten Morgen sagen? Guten Morgen!"
    Sie sorgt für gute Stimmung und schnappt sich dann den Akku-Schrauber. Franziska Giffey befestigt eine Plakette neben der Eingangstür: "Kita des Jahres 2018". Erstmals vergibt das Ministerium einen Förderpreis. 25.000 Euro aus Berlin für ein Familienzentrum im hessischen Maintal. Gute Erzieher, tolles Konzept, die Jury war begeistert. Giffey strahlt, greift in einen Karton und verteilt Bundesadler aus Plüsch.
    "So, das ist hier unser neues Maskottchen vom Bundesfamilienministerium, liebe Kinder, Ihr kennt den schon, und wir haben gesagt, so ein kleiner Adler, der muss ja einen Namen kriegen, richtig?" "Freddie!" - "Ich heiß auch Freddie!" - "Na, das ist ja gut."
    Am Ende sind alle glücklich, die Kinder bedanken sich artig, trommeln für die Frau aus der Hauptstadt, auch wenn nicht alle wissen, wer die Dame mit den hoch gesteckten Haaren eigentlich ist.
    "Die Frau kommt, glaube ich, aus Frankfurt."
    Alle Bundesländer bis zum Ende der Sommerpause
    Stimmt so nicht ganz, aber fast. Schließlich ist Franziska Giffey in Frankfurt geboren - an der Oder, nicht am Main. Die 40jährige winkt noch mal, dann ab in den Bus. Alle Bundesländer will sie bis zum Ende der Sommerpause besuchen. Von der Bezirksbürgermeisterin zur Bundesministerin – neben Merkel die einzige Frau aus dem Osten in der Bundesregierung.
    Franziska Giffey posiert mit Frauen, Kindern und einem Mann vor einem Klettergerüst.
    "Gute Morgen, Frau Familienministerin": Franziska Giffey im Menschenbad (Deutschlandradio / Frank Capellan)
    "Also ich bin mehrfach darauf angesprochen worden, wir freuen uns, dass eine von uns am Kabinettstisch sitzt, ich war elf Jahre alt, als die Mauer fiel und bin nach Berlin gegangen, habe beide Seiten kennengelernt, aber ich habe auch erlebt, dass meine Eltern nach der Wende arbeitslos wurden und alles nicht mehr war, wie bisher."
    Eine Ost-Versteherin, die auch im Westen ankommt. Wegen ihrer zupackenden Art in Berlin Neukölln auserkoren zur neuen Hoffnungsträgerin der SPD.
    "Ja schönen Guten Abend meine Damen und Herren, für alle Bürgerinnen und Bürger auf dem Platz, kommen Sie ran, das ist hier auch für sie!"
    "Damenwahl" in Frankfurt
    In Frankfurt nimmt sie wieder das Mikro in die Hand, heute ist "Damenwahl" - so nennt sich die Ausstellung zu 100 Jahren Frauenwahlrecht, die von der Frauenministerin persönlich eröffnet wird.
    "Ich muss mal fragen: Sind normale Bürgerinnen und Bürger da? – Lachen, ja – Wunderbar!"
    "Ministerium für Gedöns" spottete einst Gerhard Schröder. Lange her. Für Familie, Frauen, Senioren und Jugend ist Giffey zuständig. Schmunzelnd sitzt sie in der ersten Reihe des Historischen Museums, als Weimarer Frauenpower besungen wird. Gleich wird sie sich in Rage reden, darüber dass immer noch viel zu wenig Frauen in den Aufsichtsräten sitzen.
    "Was die Männer können, können wir schon lange und vielleicht ne ganze Menge mehr. Raus mit den Männern aus dem Reichstag und raus mit den Männer aus dem Landtag und raus mit den Männern aus dem Irrenhaus, wir machen draus ein Frauenhaus."
    In der SPD haben sie damit mal angefangen, erstmals eine Frau an die Spitze gewählt. Mit Parteifreundin Katharina Barley, der Justizministerin, bastelt Giffey gerade an einer Quote für Vorstandsetagen, weil dort die meisten Chefs immer noch Thomas oder Michael hießen.
    "Penetranz schafft Akzeptanz!"
    Penetranz schafft Akzeptanz, das erklärt sie zum Motto ihrer Regierungsarbeit.
    "Sie sind ja jetzt schön auf Betriebstemperatur!"
    "Kitaentwicklungsqualifizierungsfinanzierungesetz"
    Bürgernah will sie sein, doch vieles, was sich in Berlin-Neukölln mal eben umsetzen lässt, bedarf in Berlin-Kanzleramt großer Geduld. Ihr Lieblingsprojekt hängt: 5,5 Milliarden Euro stehen bereit, für bessere Kitas und Krippen, für mehr Erzieher, eigentlich, doch die Union blockiert. Schlicht "Gute Kita-Gesetz" hat sie das Kind getauft, ausgerechnet sie, die studierte Verwaltungsrechtlerin. Offiziell schimpft es sich immer noch "Kitaentwicklungsqualifizierungsfinanzierungesetz"
    "Ich habe schon angefangen, ein kleines Glossar anzulegen, Ministerialsprech versus Deutsch. Ich glaube es ist sehr wichtig normal zu reden, so als wir beide auf der Couch sitzen und uns einfach unterhalten."
    "Das war sehr erfrischend" – "Mal was anderes als das übliche Politgeschwätz" – "Normal-Mensch-Spreche" – "Nehmen Sie sie wahr als Sozialdemokratin?" – "Ja gut, sie hat ein schönes rotes Klein an!"
    Das rote Kleid allein wird nicht reichen. Giffey redet viel, aber selten über die SPD. Als sie gefragt wird, ob sie mit der angezählten Partei fremdelt, runzelt sie ungläubig die Stirn.
    "Es ist ganz klar, ich stehe vor Ihnen hier als Sozialdemokratin. Aber für mich als Bundesfamilienministerin geht es darum, dass wir die Themen, die unser Haus bewegen, und die Verantwortung, die ich für die Bundesregierung habe, dass wir das in den Vordergrund stellen!"
    Giffey ist präsent: "Sagen, wofür man ist"
    In Chemnitz ist ihr das letzte Woche gelungen. Angela Merkel dürfte es gefallen haben, dass ausgerechnet die Ost-Ministerin als erstes Kabinettsmitglied vor Ort war. Giffey ist präsent, auch im thüringischen Themar, wo sich Europas Neonazis regelmäßig zu Rechtsrock-Festivals treffen.
    "Hier ist quasi – nix! Und wir gehen mittlerweile davon aus, dass es eine sehr ausgeklügelte Praxis der Nazis ist, in solche Regionen zu gehen, und es geht nicht nur darum zu sagen, man muss aktiv gegen Nazis agieren" - "Muss man sagen, wofür man ist, was man anbietet" – "Ja man muss ein Gegenangebot auch schaffen"
    Franziska Giffey mit Männern in einer restaurierten Kirche 
    Franziska Giffey ist präsent - auch in der restaurierten Kirche im thüringischen Themar (Deutschlandradio / Frank Capellan)
    "Endlich kommt mal einer aus Berlin vorbei!" freut sich Thomas Jakob vom örtlichen Bündnis gegen rechts. In der restaurierte Kirche steht die Ministerin gleich neben ihm und muss sich einiges anhören.
    "Wir haben sämtliche Politiker angeschrieben und es passierte: Nichts!"
    Pfarrersfrau Barbara Morgenroth wirkt frustriert, als der Berliner Besuch die Kirche verlassen hat. Ihr 3000 Seelen-Dorf ist zerrissen, seit die Neonazis es zur Kultstätte machten.
    "Es ist wirklich so eine beschissene Situation. Jedes Mal, wenn ich an dieser Wiese vorbeifahre … ich guck immer dahin und seh dann einmal im Monat, wenn sie den Mond anbeten, oder was sie da alles so machen!"
    Hingehen, zuhören, handeln
    Vor dem Haus der 70jährigen hängen noch die Ergebnisse der Kommunalwahl. In der Nachbargemeinde haben die Rechten 44 Prozent geholt. Und die Etablierten?
    "Es gibt hier die SPD kaum noch, das sind vielleicht zwei oder drei Mitglieder hier aus dem Ort, die CDU, davon höre ich gar nichts, die Grünen gibt´s nicht. Es ist nichts da!"
    Immerhin gibt es Geld aus dem Familienministerium. Mit dem Programm "Demokratie leben!" werden Initiativen gegen rechts gefördert. Gestern erst hat Franziska Giffey ein Gesetz zur Demokratieförderung gefordert. Wie war das doch nett in der Kita oder bei den Frankfurter Frauen – aber hilft ja nichts, meint sie: Hingehen, zuhören, handeln, das ist meine Maxime – auch im Kampf gegen die Rechten.