Lange war darüber gerätselt worden, wie ernst es CSU-Chef Horst Seehofer damit meinen könnte, eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr tatsächlich zur Koalitionsbedingung zu machen. Jetzt befeuert er eine neue derartige Diskussion.
Diesmal geht es um den bislang vorübergehend ausgesetzten Familiennachzug für Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz: Nein, nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft soll es Flüchtlinge mit diesem Status verwehrt bleiben, Familienangehörige zu sich nach Deutschland zu holen, fordert der CSU-Chef in der "Bild"-Zeitung.
Seehofer sagte, es gelte, dies "den Menschen vor der Wahl zu garantieren - was er hiermit für die CSU tue". Doch zunächst, über wen spricht Seehofer?
Menschen mit subsidiärem Schutz in Deutschland haben weder Asyl im Sinne des Grundgesetzes bekommen noch einen Flüchtlingsstatus - etwa als politisch Verfolgte - im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Aber auch sie genießen Schutz, weil sie begründen konnten, dass ihnen in ihrem Heimatland ernsthafter Schaden droht: etwa Strafen, Folter, erniedrigende Behandlung oder Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts.
Gründe, die viele Syrer in der Regel wegen des Bürgerkrieges in ihrem Land vorlegen können. Wer nach dem 17. 3. 2016 eine Aufenthaltserlaubnis als subsidiär Schutzberechtigter bekommen hat, darf zwei Jahre lang keine Familie zu sich holen. Das betrifft knapp 70.000 Flüchtlinge, die in dieser Jahreshälfte einen solchen Bescheid bekommen haben. Und einen Teil der gut 150.000 Menschen, die subsidiären Schutz im vergangenen Jahr erhalten haben. Um ihre Familien doch zu sich zu holen - also einen vollen Flüchtlingsstatus zu erhalten - klagen laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vor allem Syrer.
Herrmann sieht Bereitschaft zur Rückkehr gefährdet
Seehofer argumentiert in der "Bild"-Zeitung, dass Menschen, die ihre Familie zu sich nach Deutschland holen, nie wieder in ihr Heimatland zurückkehren würden. Diese Position nahm CSU-Spitzenkandidat, Bayerns Innenminister, Joachim Herrmann, vor wenigen Tagen in der TV-Diskussion der kleineren Parteien vorweg:
"Ich meine, dass in der Tat sehr viel dafür spricht, dass wir jetzt nicht großzügig auch noch Leuten, denen es nach den internationalen und nach EU-Recht nicht zusteht, auch das Recht auf Familiennachzug geben. Wir haben im Moment vor allen Dingen die Situation, dass sehr viele noch in unserem Land sind, die kein Recht haben, dauerhaft in unserem Land zu bleiben und die sollten wieder zurückkehren und dann haben wir für die erst gar nicht die Diskussion über den Familiennachzug."
Martin Schulz: CDU und CSU sind in der Sache uneins
Unterstützung für die CSU-Forderung signalisierte kürzlich auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, wollte sich in der Frage im Wahlkampf noch nicht festlegen. Für SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ein Beleg dafür, wie zerstritten die Union in dieser Frage ist:
"Das ist ja praktisch das Gegenteil von dem, was Kanzlerin Merkel am Sonntag gesagt hat. Das zeigt wieder: Obergrenze, Familiennachzug zwischen der CDU und der CSU ist das ne richtige Konfrontation und zweitens müssen wir im Einzelfall prüfen, wir sind, wenn sie unbegleitete Minderjährige hier haben und wir wissen, wo die Eltern sind, sind wir verpflichtet, das zu organisieren und umgekehrt, wenn Sie hier Leute sitzen haben, die wissen, wo ihre Kinder sind, dann muss man im Einzelfall prüfen, ob der Familiennachzug möglich ist, und das werden wir dann auch tun."
Im Unterschied zur CSU würde die AfD die bisherige Gesetzeslage für Menschen mit subsidiärem Schutz noch viel weiter verschärfen. Das verdeutlichte Spitzenkandidatin Alice Weidel vor wenigen Tagen in der TV-Diskussion der kleineren Parteien:
"Da müssen wir über eine Obergrenze nachdenken, die vielleicht in einer Größenordnung von 10.000 anzudenken wäre."
Gänzlich gegen die Aussetzung des Familiennachzugs haben sich Flüchtlingsorganisationen, Kirchen, Sozialverbände und die Opposition im Bundestag ausgesprochen. Sie argumentieren, dass sich Flüchtlinge schlechter integrieren, wenn sie sich Sorgen machen müssen um ihre Familie im Bürgerkriegsland.