Giethoorn in den Niederlanden. Hier lebt der fast zwei Jahre alte Quinten mit seinen vier Eltern. Seine Väter heißen Steven und Frank, seine Mütter Gabriella und Marianne. Die beiden homosexuellen Paare leben nur ein paar Straßen voneinander entfernt. Es ist Samstag und Quinten zieht wie jede Woche um. Seine Väter bringen ihn zu seinen Müttern.
"Quinten kommt jeden Samstag um 17 Uhr", erzählt die 36-jährige Marianne.
"Dann bleibt er in der einen Woche bis Dienstagabend und in der anderen Woche bis Mittwochabend. Die eine Woche drei Tage, die andere Woche vier Tage. Das ist okay. Kein Drama."
Quinten sagt zu allen Mama beziehungsweise Papa. Seine biologischen Eltern aber sind Steven und Gabriella. Frank und Marianne sind die sogenannten sozialen Eltern. Dennoch haben alle die gleiche Bindung zu Quinten, glauben sie.
"Ich denke schon. Es ist schwierig, das zu sagen. Aber ich bin jetzt schwanger, dann werden wir die andere Seite kennenlernen. Das ist spannend, ob es sich anders anfühlt. Bisher sehen wir keine Unterschiede darin, wie wichtig Quinten für uns ist."
Familienmitglied Nummer sechs ist also auf dem Weg. Diesmal ist es umgedreht: Marianne und Frank sind die biologischen Eltern. Genau wie Quinten wurde auch das zweite Kind per Heim-Insemination gezeugt. Die wöchentlichen Ortswechsel seien für Quinten kein Problem, sagt Steven.
"Er passt sich an, je nachdem wo er gerade ist. Wir gehen früher ins Bett und stehen früher auf als Ihr, denke ich? Und wir sehen, dass Quinten sich an diesen Rhythmus anpasst. Ganz automatisch."
Elternschaft für ungewollte Kinderlose
Kennengelernt haben sich die vier über eine Internetplattform des Vereins "Meer Dan Gewenst". Zu Deutsch: "Mehr als erwünscht". Hier können sich Menschen treffen, die sogenannte Co-Parenting-Partnerinnen oder -Partner suchen. Angemeldet sind auch viele heterosexuelle Frauen und Männer, die aus verschiedenen Gründen keine Kinder mit ihrem Partner bekommen können oder wollen.
Oder Singles, wie Sara Coster. Sie hat zwei Söhne, gemeinsam mit einem schwulen Paar. Sie lebt in Amsterdam und ist im Vorstand von "Mehr als erwünscht."
"Wir kennen Co-Parenting von heterosexuellen Paaren, die sich trennen und sich dann gemeinsam um das Kind kümmern. Hier geht es aber darum, vorher zu sagen: Wir haben keine Liebesbeziehung zueinander. Ich bin Single, die Männer sind ein schwules Paar, wir wollen Kinder und ab jetzt sind wir eine Familie."
Wie viele Co-Parenting-Kinder es in den Niederlanden gibt, ist unbekannt. "Mehr als erwünscht" aber gibt an, dass sich vor ein paar Jahren 120 Menschen pro Jahr an sie gewandt hätten. Heute seien es über 900.
In dem Land, das weltweit als erstes die sogenannte Homo-Ehe eingeführt hat, soll jetzt auch auf die Bedürfnisse dieser Familien eingegangen werden.
Im Dezember 2016 hat eine Expertenkommission unter Vorsitz des ehemaligen Bürgermeisters von Rotterdam einen Gesetzentwurf erarbeitet, der es möglich machen soll, dass bis zu vier Menschen für ein Kind erziehungsberechtigt sein dürfen. Diese Vorschläge wurden bei einer Pressekonferenz an den Justizminister der Niederlande übergeben.
Kritik von Fachleuten
Der erklärte, dass er sich für die Rechte der Co-Parents einsetzen wolle. An die Mehrelternschaft knüpft die Expertenkommission aber Bedingungen. Vor der Geburt des Kindes muss es einen Vertrag geben, der von einem Gericht abgesegnet wird. Darin geregelt werden sollen der Nachname des Kindes, die Kostenteilung und die Aufgaben in der Erziehung. Bei den Betroffenen ist die Euphorie groß. Doch ob und wann das Gesetz kommen wird, ist noch unklar.
Kritik kommt von Experten für Adoption und von Ethikern. Sie halten die Forderungen der Eltern für zu idealistisch, einige lehnen das Modell öffentlich ab. So wie der emeritierte Professor für Adoption René Hochburgen, der dem Radiosender NPO radio1 sagte, dass er es für schlicht unethisch halte. Man solle keine neuen Familiensituationen kreieren. Andere fordern: Nur eines der vier Elternteile sollte das Sorgerecht haben, um Streitigkeiten vorzubeugen.
Zurück in Giethoorn bei Quinten und seinen vier Eltern. Sie haben bereits vor der Geburt von Quinten einen Vertrag aufgesetzt. Darin ist genau geregelt, wann Quinten wo lebt.
Darin sind auch die finanziellen Fragen geregelt und es wurde festgelegt was passiert, sollte sich eines der Paare eines Tages trennen. Sein Vater Steven sagt:
"Wir vier bleiben seine Eltern, bis er erwachsen ist. Und falls es neue Partnerinnen oder Partner gibt, sollten wir das dann diskutieren und alle vier müssen einverstanden sein."