"Erstmalig seit 15 Jahren werden wieder mehr Kinder geboren, und jetzt schon zum zweiten Jahr in Folge."
"Also wenn man sich überlegt, dass das unserer Zukunftsträger sind, die man besonders nett und gut behandeln sollte, weil sie uns irgendwann mal in die Altersheime stecken, dann sollte man sich eigentlich ein bisschen mehr bemühen, dass es denen gut geht."
"Wir brauchen mehr Kindergartenplätze, wir brauchen mehr Schulplätze, wir brauchen mehr Lehrer, wir brauchen mehr Erzieher und das ist natürlich eine Tendenz, die wir vor wenigen Jahren so nicht voraussehen konnte. Also in der Geburtshilfe kann man sagen, geht alles so in Wellen, und jetzt kommt halt gerade mal wieder die Freude daran, Kinder zu haben."
"Also das ist mein erstes Kind und ich freue mich auch ganz doll darauf."
"Also ich glaube, dass wir auf dem Weg zu einem kinderfreundlichen Land sind, aber noch lange nicht am Ziel."
Politiker müssen jetzt ihre Versprechen einlösen
Der neue Babyboom betrifft alle: Mütter und Väter, Hebammen und Ärzte, Lehrer und Erzieher und: Politiker. Vor allem die Politiker müssen jetzt ihre Versprechen einlösen – und da gibt es noch einiges zu tun:
Kinder aus einer Kita im Berliner Südwesten wirken mit in einem Musical. Die Bühne ist voll, die Kita auch. Wer hier für sein Kind einen Platz bekommen hat, hat Glück gehabt, oder war einfach sehr, sehr hartnäckig
"Ne, es war schwierig, bei der Kita um die Ecke habe ich keinen Platz bekommen, ja. Wobei ich sagen muss, wir haben es bestimmt schon ein Jahr vorher angemeldet, da war er noch ein Säugling."
Inzwischen versuchen bereits Schwangere ihr ungeborenes Kind anzumelden und eine Erzieherin erzählt von großzügigen Spendenangeboten eines Vaters gegen einen Kitaplatz für seinen Sprössling. Die Geburtenrate in Deutschland ist mit durchschnittlich 1,5 Kindern je Frau auf dem höchsten Stand seit der Wiedervereinigung. Und spätestens mit dem ersten Geburtstag hat jedes Kind einen gesetzlich garantierten Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz; Wenn die Eltern arbeiten oder arbeitssuchend sind, sogar schon mit unter einem Jahr. Das gilt seit 1. August 2013. Ein Anrecht für Kinder ab drei Jahren gibt es sogar schon seit 1996. Der Rechtsanspruch ist da, doch die Plätze fehlen. Weil sich inzwischen fast jede zweite Mutter eine Betreuung vom ersten Lebensjahr an wünscht, platzen die Kitas aus allen Nähten. Anja Kultermann leitet eine Kindertagesstätte in Berlin Pankow:
"Die Nachfrage ist auf jeden Fall groß, vor allem weil der Trend ja nicht mehr so ist, dass ein Kind, sondern es gibt ganz viele Geschwisterkinder inzwischen wieder. Natürlich gibt es Wartelisten, es ist ja auch so der Trend in den letzten Jahren dass sich alle Eltern überall einschreiben aus Angst, das ist so eine Grundpanik bei den Eltern, sie kriegen keinen Platz."
Problem mit den Doppel- und Dreifachanmeldungen
Ein verbindliches, funktionierendes Online-System für die Anmeldungen in allen Kitas einer Kommune könnte das Problem mit den Doppel- und Dreifachanmeldungen entschärfen. In Berlin funktioniert so etwas bisher aber nicht, anderswo nur vereinzelt.
Seit 2006 sind in Deutschland 420.000 Kitaplätze zusätzlich geschaffen worden, insgesamt gibt es jetzt bundesweit 720.000 Plätze. Dennoch fehlen immer noch rund 300.000, so das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Die meisten Plätze fehlen in den alten Bundesländern – und in Boomstädten im Osten wie z.B. Leipzig, sagt Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund.
"Im Osten war man immer daran gewöhnt, das Kind in die Kita zu geben. Im Westen eher weniger, deshalb hinkt der Westen weit hinterher. Eine Zeit lang galt es im Westen als naja, bist du eine Rabenmutter, wenn du dein Kind schon abgibst. Das ist jetzt nicht mehr, aber der Prozess geht sehr viel langsamer. Und in den ganz ländlichen Strukturen gehört es also auch noch zum guten Ton, dass die Mutter wenigstens zwei, drei Jahre zuhause bleibt. Das ist in den Ballungszentren die Ausnahme."
Schlange stehen für Kita-Plätze
Erst im Mai standen in Leipzig 450 Eltern Schlange, um einen der 165 Plätze in einer neu eröffneten Privatkita zu ergattern. Drei Leipziger Mütter, die von der Stadt keine Kitaplätze bekommen hatten und deshalb länger als geplant nicht arbeiten gehen können, klagten. Sie verlangten von der Stadt Schadenersatz - zwischen zwei und über achttausend Euro, je nach Einkommen und bekamen in erster Instanz Recht. Die Stadt ging jedoch in Berufung und sagt, sie sei ihrem gesetzlichen Auftrag durch eine umfangreiche Kindertagesstättenplanung nachgekommen. Bauliche Verzögerungen bei freien Trägern und privaten Investoren habe man nicht zu verantworten. Wenn das Oberlandesgericht in seinem Urteil Anfang der Woche dieser Argumentation folgt, könnten die Klägerinnen am Ende noch leer ausgehen. Wido Geis vom Institut der deutschen Wirtschaft:
"Damit mehr Betreuungsplätze zur Verfügung stehen, sind zunächst die Kommunen gefordert, die Betreuung auszubauen. Die brauchen Unterstützung vom Bund und an manchen Stellen in gewissem Grade auch einfach Druck."
Den Druck gibt es jetzt in Leipzig. Dass man die Entwicklung lange hätte vorhersehen können, bestreitet Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Er macht u.a. die Flüchtlingswelle für den neu entstandenen Bedarf verantwortlich. 130.000 Flüchtlingskinder im kindergartenfähigen Alter, die ebenfalls einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz haben, gebe es bereits. Tendenz steigend.
46 Prozent der Mütter wollen Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr
In der Tat. Von den rund 15.000 Neugeborenen mehr, die es 2015 im Vergleich zu 2014 gab, hatten nur 5.000 eine deutsche Mutter. Die Steigerung der Geburtenrate in Deutschland kommt vorrangig durch Mütter mit ausländischer Staatsangehörigkeit zustande, so die Zahlen des Statistischen Bundesamtes. 1,95 Kinder bekommt im Durchschnitt eine Frau mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit. Ferner weist Landsberg auch auf einen Einstellungswandel in unserer Gesellschaft hin:
"Dass die Geburtenrate steigt, hat ja viele Gründe. Zum einen, dass die wirtschaftliche Situation besser ist, dass viele Frauen schneller in den Beruf zurückwollen, dass auch die Arbeitgeber drängen. Das heißt, 46 Prozent aller Frauen wollen eine Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr, das ist eine Entwicklung, die für uns auch in der Form neu ist."
Und der die Kommunen hinterherhinken, obwohl sie vom Bund seit Jahren gepusht wird. Ob Kitaplätze in Zukunft für die Eltern auch kostenfrei sein sollen, wie die wahlkämpfende SPD es verspricht, ist umstritten. Dass es mehr werden müssen, ist unstrittig. Die bis vor kurzem noch als Bundesfamilienministerin amtierende Manuela Schwesig hat gerade erst angekündigt, in den nächsten Jahren nochmal 100.000 Kitaplätze schaffen zu wollen.
"Wir stellen dafür über eine Milliarde Euro zur Verfügung. Und das ist gut und richtig, denn wir brauchen in Deutschland gute Kitaplätze, um Beruf und Familie zu vereinbaren, aber auch, um alle Kinder gut fördern zu können. Wir fördern Kitaplätze vom Anfang bis zur Schule und das ist das, was wir in Deutschland brauchen."
Allein 2017 wird der Bund die Rekordsumme von fast 2,5 Milliarden Euro in Kindertagebetreuung investieren. Das reicht allerdings noch immer nicht, kritisiert die Opposition, denn gebraucht würden nicht 100.000. sondern 300.000 neue Plätze. Und mit Kitaplätzen allein sei es auch nicht getan. Es fehlt an Schulen, an freien Plätzen in Musikschulen, beim Babyschwimmen oder beim Kinderturnen. Es gibt nicht genug Lehrer, nicht genug Erzieher, nicht genug Kinderärzte – und nicht genug Hebammen. Mit letzteren fangen die Probleme eigentlich schon an:
"Hinten überkreuzen, so jetzt nehme ich das Baby, Beine kommen raus bis zu den Knien und dann knotet man zweimal und fertig."
Immer mehr Hebammen geben ihren Job auf
Im Geburtsvorbereitungskurs zeigt Hebamme Jana Friedrich werdenden Eltern in Berlin, wie man kunstvoll ein Tragetuch knoten kann. Ein knappes Dutzend künftige Mütter und fast genauso viele Väter sitzen auf gemütlichen Kissen auf dem Boden und wollen vorbereitet sein, auf die Geburt – und auf die Zeit danach. Sie werden viel auf sich gestellt sein, denn eine Hebamme für die Nachbetreuung zuhause im Wochenbett zu finden wird in Berlin immer schwieriger, berichten die werdenden Eltern:
"Ich habe über 50 Hebammen angerufen, jetzt haben wir gar keine. Nachbetreuung oder zwischendurch hat man ja mal Fragen, man ist ja nicht immer beim Frauenarzt oder so. Vor allem die Nachbetreuung bezüglich des Stillens danach."
Immer mehr Hebammen geben ihren Job auf, weil er sich einfach nicht rechnet, sagt Jana Friedrich und für den Nachwuchs ist der Beruf nicht attraktiv. Freie Hebammen müssen hohe Haftpflichtprämien bezahlen, falls sie mal einen Fehler machen. Festangestellte leiden unter Schichtdiensten und geringem Verdienst. Außerdem schließen immer mehr Krankenhäuser ihre Entbindungsstationen. In den vergangenen 20 Jahren hat die Anzahl der Krankenhäuser mit Geburtshilfe um über 30 Prozent abgenommen.
Weniger Krankenhäuser mit Geburtshilfe
Ein werdender Vater macht sich deshalb Gedanken, ob seine Freundin mit Wehen an einem überfüllten Krankenhaus abgewiesen wird. In Berlin und in München ist so etwas schon öfter vorgekommen:
"Das ist schon eine Sorge, was man immer hört aus den Krankenhäusern, da wird immer wieder die gleiche Frage gestellt. Schickt ihr uns weg, das s jetzt alle Kreissäle besetzt sind und es jetzt überall richtig ernst wird und dann müssen wir Euch woanders hinbringen."
Von der Politik fühlen sich weder die künftigen Eltern mit ihren Sorgen, noch die Hebammen richtig verstanden. Dabei ist zum Schutz der Mütter und zur Unterstützung von Familien mit Kindern in den letzten Jahrzehnten viel getan worden. Familienpolitik ist - und war schon immer - eins der wichtigsten Wahlkampfthemen.
Einen ersten zaghaften Ansatz von Mutterschutz gab es bereits 1878. Die Nationalsozialisten erließen 1942 erstmals weitreichende Mutterschutzbestimmungen, wie Schutzfristen sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung. Die Regeln stützen den NS-Muttermythos und sollen möglichst zahlreichen Nachwuchs sichern.
Mittlerweile erhalten alle eigenständig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Frauen sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung Mutterschaftsgeld, das im Wesentlichen der Höhe des Einkommens entspricht.
Mittlerweile erhalten alle eigenständig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Frauen sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung Mutterschaftsgeld, das im Wesentlichen der Höhe des Einkommens entspricht.
Kindergeld und Kinderfreibetrag
Auch das Kindergeld wurde schon während der Nazizeit eingeführt. Heute gibt es gut 190 Euro monatlich für das erste und zweite Kind, danach steigt der Betrag. Alle Eltern mit Wohnsitz in Deutschland können Kindergeld erhalten.
Daneben - bzw. je nach Einkommen auch alternativ - gibt es einen Kinderfreibetrag, der für die Eltern einen steuerlichen Vorteil bedeutet. Die Kombination der beiden Regelungen wurde von verschiedenen Regierungen immer wieder geändert, wobei sozialdemokratisch geführte Bundesregierungen zu Kindergeld-, unionsgeführte Regierungen zu Kinderfreibetragsregelungen tendierten.
Im derzeitigen Bundestagswahlkampf verspricht die SPD, in der Steuerpolitik künftig Kinder stärker berücksichtigen zu wollen. Statt einem Ehegattensplitting soll es ein Familiensplitting geben, bei dem nicht der Trauschein, sondern die Anzahl der Kinder zu Vergünstigungen führt. Die Grünen halten das für nicht ausreichend, sagt Franziska Brantner, deren familienpolitische Sprecherin im Bundestag:
"Weil Familiensplitting setzt weiter darauf, dass die Eltern unterschiedlich viel verdienen. Und heute ist es ja schon so, dass ein Teil der Ehen gar nicht mehr vom Ehegattensplitting profitieren, weil beide ungefähr gleich viel verdienen. Und eigentlich sind das die Familien, die ja trotzdem Unterstützung brauchen. Deshalb sagen wir weg von jeglichem Splitting, weg vom Festmachen an der Ehe, hin zu einer Förderung von Kindern."
SPD eine Familienarbeitszeit einführen
Die Grünen wollen außerdem einen Kindergeldbonus für Familien mit geringem Einkommen einführen. Auch die Linken wollen das Kindergeld drastisch erhöhen. Weil es bei Familien mit Kindern neben Geld vor allem um Zeit geht, will die SPD eine Familienarbeitszeit einführen, kündigt die ehemalige Familienministerin Manuela Schwesig an:
"Es muss möglich sein, dass man vollzeitnah arbeitet und sich aber auch Zeit für die Kinder, Zeit für die pflegebedürftige Mutter nehmen kann. Diese Familienarbeitszeit wollen wir unterstützen mit einem Familiengeld von 150 Euro pro Person, für zwei Jahre lang."
Wenn beide Partner gemeinsam ihre Arbeitszeit auf 26 bis 36 Stunden reduzieren. Die Wirtschaft hält das für unrealistisch. 300 Euro seien ein zu geringer Anreiz um einen Vollzeitjob aufzugeben. Und auch Nadine Schön von der CDU, Mitglied im Familienausschuss des Deutschen Bundestages, ist nicht überzeugt:
"Wir finden das allerdings zu starr, das Ganze auf eine ganz spezielle Zahl von Stunden festzuschreiben. Aber generell die Partnerschaftlichkeit zu stärken, das halten wir auch für wichtig."
Denn die jetzt geltende Elternzeit-Regelung trägt diesem Wunsch nur begrenzt Rechnung. Rechtsanspruch auf Elterngeld haben Mütter und Väter für alle Kinder, die nach dem 01.01.2007 geboren wurden. Es wird an den Elternteil gezahlt, der nach der Geburt zu Hause beim Kind bleibt oder zumindest beruflich kürzer tritt. In der Regel ist das immer noch die Frau. Zwar gehen heute wesentlich mehr Männer in Elternzeit als noch vor zehn Jahren; allerdings - nach einer Studie der Bremer Handelskrankenkasse - immer noch erst jeder dritte Vater. Die meisten entscheiden sich dann lediglich für das Minimum von zwei Monaten.
Das Elterngeld beträgt knapp zwei Drittel des Einkommens vor der Geburt– maximal jedoch 1.800 Euro. Es gibt vier zusätzliche Elterngeld-Plus Monate, wenn die Eltern gemeinsam in Teilzeit gehen. Das klingt kompliziert – und das ist auch kompliziert.
Das Elterngeld beträgt knapp zwei Drittel des Einkommens vor der Geburt– maximal jedoch 1.800 Euro. Es gibt vier zusätzliche Elterngeld-Plus Monate, wenn die Eltern gemeinsam in Teilzeit gehen. Das klingt kompliziert – und das ist auch kompliziert.
Langes Warten auf Elterngeld und Geburtsurkunde
Im Geburtsvorbereitungskurs von Jana Friedrich ist die Bürokratie unter den werdenden Eltern ein Top-Thema. Egal ob Elterngeld, Kindergeld, Bildungs- und Kitagutscheine oder steuerliche Freibeträgen – all das muss beantragt werden, auf schwer zu verstehenden, mehrseitigen Formularen. Eigentlich soll jede dieser familienpolitischen Errungenschaften die Eltern entlasten, finanziell und/oder zeitlich. In der Praxis bedeutet das aber nicht, dass man erstmal in Ruhe die Geburt abwartet oder womöglich die Schwangerschaft genießen kann, warnt dieser werdende Vater:
"Das ist alles schon geplant. Also, sie geht ja in Elternzeit, bei mir ist es so, dass ich die erste Woche komplett zuhause bin und dann ist auch schon mit dem Arbeitgeber abgesprochen, dass ich dann danach die zwei Wochen Teilzeit, Büroarbeit mache, damit ich halt bei ihr sein kann. Ansonsten haben wir eigentlich alle Unterlagen schon vorausgefüllt, Kitaplatz sind wir auch schon am Suchen, haben da schon Empfehlungen, wo eine neue Kita aufgemacht wird, Kinderarzt genau das gleiche. Wir haben uns eigentlich schon um alles gekümmert jetzt. Man muss die Anträge alle jetzt schon ausfüllen, weil Anträge alle wochenlang erst bearbeitet werden. Wenn man Pech hat, hat man nach den acht Wochen, wo man eigentlich sein Elterngeld bekommen sollte, kein Geld, weil der Elterngeldantrag noch nicht durch ist."
Dieses Paar ist keine Ausnahme. Die meisten hier haben sich schon mit der Bürokratie beschäftigt, einige sind daran gescheitert.
"Da darf man ja erstmal Beamtendeutsch lernen, dann sitzt du da, wie so ein keines bedöppeltes Etwas und keiner weiß mehr weiter. Gerade für Erstlingsmamas, ich meine natürlich hat man seine eigene Mutter, aber meine Mutter hat mich vor 28 Jahren bekommen, da war alles anders, da gab es noch kein Elterngeld, da hieß es anders. Da hat man das Kind angemeldet, dann hieß es ja ok, schicken sie die Geburtsurkunde vorbei, der Rest kommt in ein paar Wochen."
Ausstellung der Geburtsurkunde dauert
Inzwischen ist es bereits ein Riesenproblem, die Geburtsurkunde zu bekommen. In Berlin dauert die Ausstellung bis zu drei Monate, weil die Standesämter unterbesetzt sind. Aber: ohne Geburtsurkunde kann weder Kinder- noch Elterngeld beantragt werden. So manche frisch gebackenen Eltern treibt das nahezu in den finanziellen Ruin.
Weil Hilfe von Ämtern kaum zu bekommen ist, gibt es jetzt ein privates Angebot für überforderte Eltern. Vor drei Jahren haben zwei junge Mütter in Berlin "Maternita" gegründet Die Agentur bietet Unterstützung rund um Schwangerschaft und Geburt. In den USA gibt es den maternity concierge oder Baby planning service schon lange, aber auch hierzulande wird der Bedarf immer größer, sagt Ulrike Käfer. Zu ihren Kundinnen gehören Ausländerinnen, die am deutschen Behördensystem scheitern, Frauen, die so viel arbeiten, das sie sich nicht selber auf Kita-Infoabende begeben können und einfach verzweifelte Mütter, denen alles über den Kopf wächst.
"Und mittlerweile ist es wirklich so, hilf mir, egal wie, hilf mir einfach, ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Die Schmerzensgrenze ist auf einmal eine andere, die Verzweiflung ist eine andere. Und wir haben diese drei Dinge, Hebamme, Hebammen fehlen ohne Ende, ich versteh dieses ganze Wirrwarr aus Bürokratie nicht und, oh mein Gott, ich habe überhaupt keine Betreuung für mein Kind."
Ulrike Käfer und Inga Sarrazin suchen also Hebammen und Kindergärten, organisieren einen Platz im Geburtshaus und unterstützen bei Anträgen auf Kindergeld, Elterngeld und so weiter. Das Servicepaket "Rundum antragslos" beinhaltet für 269 Euro, dass der Auftraggeber am Ende die Anträge für Mutterschaftsgeld, Elterngeld und Kindergeld nur noch unterschreiben muss.
Arbeitsbedingungen familiengerecht gestalten
Dennoch seien es nicht die Anstrengungen der Politik, Steuervergünstigungen oder Geldgeschenke, die zum Kinderkriegen motivieren, glauben die Gründerinnen von Maternita. Gebraucht werde ein Kulturwandel in Deutschland, Kinder und Familie müssten hierzulande eine andere Wertschätzung erfahren. Darin sind sich Ulrike Käfer, Nadine Schön von der CDU und Franziska Brantner von den Grünen einig. Vorbild seien die skandinavischen Länder:
"Zum Beispiel in Schweden oder Norwegen ist es so, dass viele Schulen keine Hausaufgaben mehr haben, die Hausaufgaben abschaffen, kürzere Tage schaffen." "Da ist es völlig normal, dass nachmittags, ich sag mal der Hammer fällt oder der Stift im Büro und man die Kinder abholt, da ist nicht die Präsenzkultur, die in Deutschland noch so stark ist, wo man bis abends um acht im Büro sitzt und nur dann ein guter Arbeitnehmer ist, wenn man möglichst lange anwesend ist." "Und wenn jemand noch da sitzt, dann kriegt er zwei Fragen. Erstens, hast Du deine Kinder nicht lieb und zweitens hast Du Deinen Job nicht gut im Griff, dass Du länger arbeiten musst."
Bis es in Deutschland auch soweit ist, heißt es für die werdenden Mütter und Väter, sich so gut es geht mit den Gegebenheiten zu arrangieren. Vielleicht ist nach der Bundestagswahl ja auch schon wieder einiges anders. Katarina Löwenstein will darüber nicht nachdenken, sondern sich einfach nur auf das Baby freuen:
"Ein Wunschkind, auf jeden Fall. Es ist das erste. Mein Mann und ich haben letztes Jahr geheiratet und sind dann aktiv in die Kinderplanung gestartet, weil wir uns einfach sehr stark ein Kind wünschen."
Es wird ein Junge. Noch im Juni soll er geboren werden. Der Name wird allerdings noch nicht verraten.