Mario Dobovisek: SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert nun also eine Abkehr vom Ehegattensplitting und Julia Klöckner, CDU-Vorsitzende in Rheinland-Pfalz, und ihr Kollege aus Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, legen das alte, vor Jahren in der Union diskutierte Familiensplitting wieder auf den Tisch. Am Telefon begrüße ich Olav Gutting, Finanzfachmann der CDU im Bundestag und einer der 13 Unterzeichner zur Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften, guten Morgen!
Olav Gutting: Schönen guten Morgen!
Dobovisek: Wäre denn das Familiensplitting, bei dem, wie in Frankreich, auch die Zahl der Kinder berücksichtigt würde, das gerechtere Modell?
Gutting: Nun, das Familiensplitting hört sich auf den ersten Moment gut an. Aber der Teufel steckt hier im Detail und die Fragen, die dabei auftauchen, sind einfach noch nicht gelöst. Zum Beispiel: Was passiert, wenn die Kinder aus dem Haus sind, welchen Faktor nimmt man, für jedes Kind 1,0 oder 0,5, und wie begegnet man dem Phänomen, das wir auch beim Ehegattensplitting haben, dass Wohlhabende und Gutverdiener davon überproportional profitieren?
Dobovisek: Nun sind das ja Dinge, die durchaus diskutiert werden könnten. Derzeit ist es allerdings de facto so, dass kinderlose Ehepartner Tausende Euro oder zumindest Hunderte Euro an Steuern sparen können, während unverheiratete Eltern zahlen müssen. Wie wichtig wäre Ihnen bei solch einer Neuordnung eine Heiratsurkunde?
Gutting: Also, man muss zunächst mal schauen, dass beim Splitting, Ehegattensplitting, nicht die Familie oder die Kinder im Vordergrund stehen. Denn für die Kinderförderung und für die Familienförderung haben wir ja viele andere Instrumente, das Kindergeld, den Kinderfreibetrag, das Elterngeld, Ausbau der Kindertagesstätten, die beitragsfreie Mitversicherung bei der gesetzlichen Krankenversicherung und, und, und. Das heißt, das Ehegattensplitting ist nicht vordergründig auf Kinder ausgelegt, sondern es soll die Verpflichtungen innerhalb der Ehe, des Füreinander-Einstehens, Unterhaltspflichten und so weiter, das soll ausgeglichen werden über das Ehegattensplitting.
Dobovisek: Nun könnten wir aber auch über die Geburtenrate sprechen, die in Deutschland gerade mal bei 1,3 liegt, in Frankreich bei über zwei. Und in Frankreich gibt es das Familiensplitting. Es könnte also auch miteinander zusammenhängen. Wäre das der richtige Weg, um Familie zu fördern?
Gutting: Ich glaube nicht, dass es in Frankreich aufgrund des Familiensplittings zu dieser höheren Geburtenrate kommt. Das sind viele andere Faktoren, die da eine Rolle spielen. Ich glaube, das Wichtigste ist die Betreuungsmöglichkeit und der Ausbau der Kindertagesstätten. Und da sind wir ja gerade massiv dabei, das zu tun. Einfach die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken, erscheint mir viel wichtiger als die Einführung eines neuen Förderungsinstrumentes wie zum Beispiel des Familiensplittings.
Dobovisek: Um das noch mal klar auf den Punkt zu bringen: Lehnen Sie das Familiensplitting ab?
Gutting: Ich glaube, es ist nicht der richtige Weg, um Familien zu fördern. Dafür haben wir viel konkretere, viel zielgenauere und passgenauere Förderungsmöglichkeiten. Ich glaube, das Ehegattensplitting in der jetzigen Form ist richtig, seit über 50 Jahren übrigens in Deutschland. Es gleicht die Belastungen in einer Ehe, Unterhaltspflichten bei der Trennung, den Versorgungsausgleich aus, und es hat eigentlich nichts mit der Situation, ob Kinder oder keine Kinder in der Familie sind, zu tun.
Dobovisek: Dann kommen wir doch noch einmal zu dem Vorstoß, an dem Sie sich auch mit beteiligt haben, dem Vorstoß, das Ehegattensplitting auch auf homosexuelle Lebenspartner auszuweiten. Der erfährt ja zum Teil Unterstützung auch von der Familienministerin Schröder und jetzt jüngst auch von der Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP. Können Sie allerdings auch die breite Abwehrhaltung, die es auch gibt in Ihrer Fraktion, nachvollziehen?
Gutting: Also, diese breite Abwehrhaltung habe ich bisher so nicht erkennen können. Im Gegenteil, es ist mittlerweile Konsens in unserer Fraktion, dass wir unmittelbar nach der Sommerpause dieses Thema aufrufen und noch mal intensiv diskutieren …
Dobovisek: … aber intensiv diskutieren heißt nicht beschließen!
Gutting: Nein, aber vor dem Hintergrund der aktuellen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes gerade noch mal in der letzten Woche zum Thema Grunderwerbssteuer ist eigentlich jedem klar, dass die Richtung in der Verfassungsrechtsprechung dorthin geht, eine steuerliche Gleichstellung von den Lebensgemeinschaften, von den eingetragenen Lebensgemeinschaften vorzunehmen. Und insofern ist der Weg vorgezeichnet. Es stellt sich letztendlich nur die Frage, ob wir nun politisch selbst aktiv werden und dieses Thema endgültig regeln, oder ob wir warten, bis das Bundesverfassungsgericht uns auch hier die Vorgaben macht.
Dobovisek: Und was denken Sie, wie wird es jetzt nach der Sommerpause weitergehen?
Gutting: Ich bin der festen Überzeugung, dass wir aus politischen und aus Gerechtigkeitsgründen dieses Thema regeln werden und hier beim Steuerrecht auch noch die letzte Gleichstellung vornehmen. Man muss auch immer wieder berücksichtigen: Wir haben bereits in dieser Koalition in weiten Teilen, zum Beispiel bei der Grunderwerbssteuer, zum Beispiel beim Erbrecht, eine Gleichstellung vorgenommen. Es geht jetzt nur noch darum, die Gleichstellung auch beim Splitting vorzunehmen, und ich glaube, wir werden dafür eine Mehrheit bekommen.
Dobovisek: Sie haben gerade eben im Gespräch das Familiensplitting unter anderem abgelehnt, weil es überproportional ja Reiche oder Besserverdienende fördern würde. Das passiert beim Ehegattensplitting ja genauso. Müsste sich also die Union, um dieses zu verändern, vielleicht von alten Familienbildern, alten Frauenbildern lösen?
Gutting: Nein, das glaube ich nicht. Gut, bei dem Splitting wie überhaupt bei der Frage Steuerrecht ist natürlich die Progression keine Einbahnstraße. Das heißt, derjenige, der viel verdient und in der Progression damit auch höhere Abzüge hat, profitiert im Umkehrschluss natürlich von Erleichterungen auch stärker. Ich habe das vorhin auch deswegen angeführt, weil es eben dann nicht den Kindern zugute kommt, sondern eher den Eheleuten. Und deswegen sehe ich keine Veranlassung, jetzt beim Ehegattensplitting irgendeine Änderung vorzunehmen.
Dobovisek: Aber es fördert trotzdem ein Ehepaar oder eine Familie, wo es einen starken Verdiener gibt und einen schwächeren, und das ist ja nun mal, wenn wir uns in der Gesellschaft ein bisschen umschauen, in der Regel die Frau, die dann zu Hause bleibt.
Gutting: Das ist richtig.
Dobovisek: Und ist das wünschenswert?
Gutting: Das ist die Entscheidung der Ehepartner, jeder für sich. Ich glaube nicht, dass der Staat hier lenkend eingreifen muss. Denn das ist die private Entscheidung, die jeder für sich treffen möchte, wer zu Hause bleiben möchte und wer arbeiten will, bitte …
Dobovisek: … womit wir bei der sogenannten Herdprämie wären … womit wir bei der sogenannten Herdprämie wieder angelangt wären, Pardon, dem Betreuungsgeld, …
Gutting: … ja …
Dobovisek: … das ja eben genau so eingreift. Das könnte ja damit auch etwas verwoben werden …
Gutting: Nein, ich glaube nicht, dass das Betreuungsgeld so eingreift. Denn was immer falsch dargestellt wird in der öffentlichen Diskussion: Das Betreuungsgeld bekommt auch derjenige, der arbeiten geht. Es geht nicht darum, Menschen von der Arbeit fernzuhalten, und dazu ist auch das Betreuungsgeld nicht gedacht. Sondern das Betreuungsgeld erhält auch derjenige, der arbeiten geht und seine Kinder eben nicht in die staatliche Betreuung gibt, sondern zum Beispiel Tagesmutter in Anspruch nimmt oder Nachbarschaftshilfe – oder die Familienbetreuung vorzieht.
Dobovisek: Der CDU-Finanzpolitiker Olav Gutting über die Debatte um die steuerliche Gleichbehandlung homosexueller Lebenspartner. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Gutting: Ich danke Ihnen, alles Gute!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Olav Gutting: Schönen guten Morgen!
Dobovisek: Wäre denn das Familiensplitting, bei dem, wie in Frankreich, auch die Zahl der Kinder berücksichtigt würde, das gerechtere Modell?
Gutting: Nun, das Familiensplitting hört sich auf den ersten Moment gut an. Aber der Teufel steckt hier im Detail und die Fragen, die dabei auftauchen, sind einfach noch nicht gelöst. Zum Beispiel: Was passiert, wenn die Kinder aus dem Haus sind, welchen Faktor nimmt man, für jedes Kind 1,0 oder 0,5, und wie begegnet man dem Phänomen, das wir auch beim Ehegattensplitting haben, dass Wohlhabende und Gutverdiener davon überproportional profitieren?
Dobovisek: Nun sind das ja Dinge, die durchaus diskutiert werden könnten. Derzeit ist es allerdings de facto so, dass kinderlose Ehepartner Tausende Euro oder zumindest Hunderte Euro an Steuern sparen können, während unverheiratete Eltern zahlen müssen. Wie wichtig wäre Ihnen bei solch einer Neuordnung eine Heiratsurkunde?
Gutting: Also, man muss zunächst mal schauen, dass beim Splitting, Ehegattensplitting, nicht die Familie oder die Kinder im Vordergrund stehen. Denn für die Kinderförderung und für die Familienförderung haben wir ja viele andere Instrumente, das Kindergeld, den Kinderfreibetrag, das Elterngeld, Ausbau der Kindertagesstätten, die beitragsfreie Mitversicherung bei der gesetzlichen Krankenversicherung und, und, und. Das heißt, das Ehegattensplitting ist nicht vordergründig auf Kinder ausgelegt, sondern es soll die Verpflichtungen innerhalb der Ehe, des Füreinander-Einstehens, Unterhaltspflichten und so weiter, das soll ausgeglichen werden über das Ehegattensplitting.
Dobovisek: Nun könnten wir aber auch über die Geburtenrate sprechen, die in Deutschland gerade mal bei 1,3 liegt, in Frankreich bei über zwei. Und in Frankreich gibt es das Familiensplitting. Es könnte also auch miteinander zusammenhängen. Wäre das der richtige Weg, um Familie zu fördern?
Gutting: Ich glaube nicht, dass es in Frankreich aufgrund des Familiensplittings zu dieser höheren Geburtenrate kommt. Das sind viele andere Faktoren, die da eine Rolle spielen. Ich glaube, das Wichtigste ist die Betreuungsmöglichkeit und der Ausbau der Kindertagesstätten. Und da sind wir ja gerade massiv dabei, das zu tun. Einfach die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken, erscheint mir viel wichtiger als die Einführung eines neuen Förderungsinstrumentes wie zum Beispiel des Familiensplittings.
Dobovisek: Um das noch mal klar auf den Punkt zu bringen: Lehnen Sie das Familiensplitting ab?
Gutting: Ich glaube, es ist nicht der richtige Weg, um Familien zu fördern. Dafür haben wir viel konkretere, viel zielgenauere und passgenauere Förderungsmöglichkeiten. Ich glaube, das Ehegattensplitting in der jetzigen Form ist richtig, seit über 50 Jahren übrigens in Deutschland. Es gleicht die Belastungen in einer Ehe, Unterhaltspflichten bei der Trennung, den Versorgungsausgleich aus, und es hat eigentlich nichts mit der Situation, ob Kinder oder keine Kinder in der Familie sind, zu tun.
Dobovisek: Dann kommen wir doch noch einmal zu dem Vorstoß, an dem Sie sich auch mit beteiligt haben, dem Vorstoß, das Ehegattensplitting auch auf homosexuelle Lebenspartner auszuweiten. Der erfährt ja zum Teil Unterstützung auch von der Familienministerin Schröder und jetzt jüngst auch von der Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP. Können Sie allerdings auch die breite Abwehrhaltung, die es auch gibt in Ihrer Fraktion, nachvollziehen?
Gutting: Also, diese breite Abwehrhaltung habe ich bisher so nicht erkennen können. Im Gegenteil, es ist mittlerweile Konsens in unserer Fraktion, dass wir unmittelbar nach der Sommerpause dieses Thema aufrufen und noch mal intensiv diskutieren …
Dobovisek: … aber intensiv diskutieren heißt nicht beschließen!
Gutting: Nein, aber vor dem Hintergrund der aktuellen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes gerade noch mal in der letzten Woche zum Thema Grunderwerbssteuer ist eigentlich jedem klar, dass die Richtung in der Verfassungsrechtsprechung dorthin geht, eine steuerliche Gleichstellung von den Lebensgemeinschaften, von den eingetragenen Lebensgemeinschaften vorzunehmen. Und insofern ist der Weg vorgezeichnet. Es stellt sich letztendlich nur die Frage, ob wir nun politisch selbst aktiv werden und dieses Thema endgültig regeln, oder ob wir warten, bis das Bundesverfassungsgericht uns auch hier die Vorgaben macht.
Dobovisek: Und was denken Sie, wie wird es jetzt nach der Sommerpause weitergehen?
Gutting: Ich bin der festen Überzeugung, dass wir aus politischen und aus Gerechtigkeitsgründen dieses Thema regeln werden und hier beim Steuerrecht auch noch die letzte Gleichstellung vornehmen. Man muss auch immer wieder berücksichtigen: Wir haben bereits in dieser Koalition in weiten Teilen, zum Beispiel bei der Grunderwerbssteuer, zum Beispiel beim Erbrecht, eine Gleichstellung vorgenommen. Es geht jetzt nur noch darum, die Gleichstellung auch beim Splitting vorzunehmen, und ich glaube, wir werden dafür eine Mehrheit bekommen.
Dobovisek: Sie haben gerade eben im Gespräch das Familiensplitting unter anderem abgelehnt, weil es überproportional ja Reiche oder Besserverdienende fördern würde. Das passiert beim Ehegattensplitting ja genauso. Müsste sich also die Union, um dieses zu verändern, vielleicht von alten Familienbildern, alten Frauenbildern lösen?
Gutting: Nein, das glaube ich nicht. Gut, bei dem Splitting wie überhaupt bei der Frage Steuerrecht ist natürlich die Progression keine Einbahnstraße. Das heißt, derjenige, der viel verdient und in der Progression damit auch höhere Abzüge hat, profitiert im Umkehrschluss natürlich von Erleichterungen auch stärker. Ich habe das vorhin auch deswegen angeführt, weil es eben dann nicht den Kindern zugute kommt, sondern eher den Eheleuten. Und deswegen sehe ich keine Veranlassung, jetzt beim Ehegattensplitting irgendeine Änderung vorzunehmen.
Dobovisek: Aber es fördert trotzdem ein Ehepaar oder eine Familie, wo es einen starken Verdiener gibt und einen schwächeren, und das ist ja nun mal, wenn wir uns in der Gesellschaft ein bisschen umschauen, in der Regel die Frau, die dann zu Hause bleibt.
Gutting: Das ist richtig.
Dobovisek: Und ist das wünschenswert?
Gutting: Das ist die Entscheidung der Ehepartner, jeder für sich. Ich glaube nicht, dass der Staat hier lenkend eingreifen muss. Denn das ist die private Entscheidung, die jeder für sich treffen möchte, wer zu Hause bleiben möchte und wer arbeiten will, bitte …
Dobovisek: … womit wir bei der sogenannten Herdprämie wären … womit wir bei der sogenannten Herdprämie wieder angelangt wären, Pardon, dem Betreuungsgeld, …
Gutting: … ja …
Dobovisek: … das ja eben genau so eingreift. Das könnte ja damit auch etwas verwoben werden …
Gutting: Nein, ich glaube nicht, dass das Betreuungsgeld so eingreift. Denn was immer falsch dargestellt wird in der öffentlichen Diskussion: Das Betreuungsgeld bekommt auch derjenige, der arbeiten geht. Es geht nicht darum, Menschen von der Arbeit fernzuhalten, und dazu ist auch das Betreuungsgeld nicht gedacht. Sondern das Betreuungsgeld erhält auch derjenige, der arbeiten geht und seine Kinder eben nicht in die staatliche Betreuung gibt, sondern zum Beispiel Tagesmutter in Anspruch nimmt oder Nachbarschaftshilfe – oder die Familienbetreuung vorzieht.
Dobovisek: Der CDU-Finanzpolitiker Olav Gutting über die Debatte um die steuerliche Gleichbehandlung homosexueller Lebenspartner. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Gutting: Ich danke Ihnen, alles Gute!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.