Eigentlich ist die Sache ganz einfach: Eine Ehe wird zwischen Mann und Frau geschlossen. Sie ist unauflöslich und offen für Kinder. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind tabu. Die offizielle Lehre der katholischen Kirche klingt eindeutig. Was aber, wenn sie mit dieser Lehre nicht mehr durchdringt? Nicht in der Gesellschaft – und inzwischen auch nicht mehr bei ihrer unmittelbaren Zielgruppe, den gläubigen Katholiken, wie der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode zugibt.
"Die Zeiten haben sich in den letzten Jahrzehnten enorm verändert – auch für Ehe und Familie. Und in diesen Fragen fragen uns halt viele Menschen auch nicht mehr."
Bode ist einer von drei deutschen Delegierten bei der Familiensynode – zusammen mit dem Vorsitzenden der deutschen Bischöfe, Kardinal Reinhard Marx, und dem Berliner Erzbischof Heiner Koch. Sie streben Reformen an. Vor allem wollen sie erreichen, dass die katholische Kirche andere Schwerpunkte setzt. Sie soll nicht so oft den mahnenden Zeigefinger heben, sondern häufiger mit Daumen nach oben Zustimmung signalisieren.
"Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass das nicht immer nur von Geboten und Verboten und Grenzsetzungen bestimmt ist. Sondern dass wir diesen positiven Wert des Zusammenlebens, der Familie, Kinder zu haben, auch den positiven Wert von Sexualität herauszustellen haben. Dass Bindung aneinander auch neue Freiheit bedeutet. Und dann schauen wir gemeinsam, wie können wir das am besten schützen."
Die Bewahrer meinen: Das gehe nur, indem die katholische Kirche unermüdlich auf ihre Lehre verweist. Die habe grundlegende Fragen längst verbindlich beantwortet. Warum also etwas verändern? Sie fürchten um die sogenannte objektive Wahrheit, haben Angst, die Gläubigen könnten verwirrt sein, wenn sie keine eindeutigen Antworten mehr bekommen. Etwa in der Frage des Umgangs mit Katholiken, deren erste Ehe in die Brüche ging und die ein zweites Mal heiraten. Dadurch leben sie offiziell in Sünde und dürfen nicht zur Kommunion gehen. Etliche Delegierte der Familiensynode wollen das ändern, federführend die deutschen Vertreter.
"Ob das in jedem Fall nach sich zieht, von Beichte und Kommunion ausgeschlossen zu sein, wie wir das jetzt haben? Ob es nicht doch Umstände und einen Reifungsweg zu einer neuen Situation geben kann? Wir möchten eigentlich dafür eintreten, dass man eben diese Situation prüft, ob die Zulassung zu den Sakramenten möglich ist. In diesen einzelnen Fällen, also nicht einfach generell. Und ich denke, das ist ein Weg, der der Tradition nicht völlig widerspricht."
Das Ehesakrament nicht infrage stellen
Geschiedene Wiederverheiratete sollen künftig wieder an der Kommunion teilnehmen dürfen, wenn die erste Ehe endgültig gescheitert ist und sie ihre mögliche Schuld daran bereuen. In den so genannten Ostkirchen der Orthodoxie ist das möglich. Mit diesem Argument wollen die Befürworter auch jene Kritiker überzeugen, die sich auf die Bibel berufen. Die katholische Welt ist gespalten: In Reformer und Bewahrer. In Rom sammeln sich die Hüter der Lehre um Gerhard Ludwig Müller, den Präfekten der Glaubenskongregation. Er ist dagegen, dass Wiederverheiratete an den Sakramenten teilhaben dürfen. Der Glaubenspräfekt nennt das "absurd". Die Gegenposition vertritt der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper. Der will zwar nicht das Kirchenrecht ändern, aber er setzt sich für eine pastorale Lösung ein: den barmherzigen Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten. Auch Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, glaubt nicht, dass die Kirche dadurch die Unauflöslichkeit der Ehe relativieren würde. An der Spitze des ZdK vertritt Glück die katholischen Laien in Deutschland.
"Wenn man diesen Weg öffnet, und zwar nicht mit einer Generalklausel, sondern im Sinne einer Einzelfallbetrachtung, dass damit ja nicht das Ehesakrament infrage gestellt ist, und deswegen hoffe ich sehr mit vielen anderen, dass dafür der Weg geöffnet wird."
Im Frühjahr hatte die Vollversammlung des ZdK genau dies gefordert. Und: Die katholische Kirche solle anderen Formen der Partnerschaft ihren Segen geben, auch über die klassische Ehe hinaus. Dafür ernteten die Laien zum Teil heftige Kritik aus dem Lager derjenigen, die am liebsten gar nichts ändern würden.
"Wo es für mich kritisch wird, wenn Menschen anderer Positionen unterstellt wird, sie hätten nicht mehr den rechten Glauben. Deshalb ist Präzision in der Diskussion wichtig, und dass man sich nicht wechselseitig etwas unterstellt, was der andere gar nicht meint."
Das ZdK forderte mit Blick auf die Beratungen in Rom auch mehr Anerkennung für homosexuelle Paare. Bei der außerordentlichen Familiensynode vor einem Jahr kam der Umgang der Kirche mit Homosexuellen nur am Rande vor. Das wird nach Einschätzung verschiedener Beobachter bei der jetzigen Synode anders sein. Vor allem Bischöfe aus Afrika und Osteuropa wehren sich mit harschen Worten gegen Veränderungen. Etwa indem sie von einer "Zerstörung der Familie" sprechen. Die Reformvorschläge seien "trojanische Pferde". Die Bewahrer berufen sich aufs Naturrecht. Nach katholischer Lehre gelten homosexuelle Handlungen als Sünde. Die Neigung wird als "objektiv ungeordnet" bezeichnet, erklärt der katholische Sozialethiker Wolfgang Ockenfels.
"Man kann ja nicht erwarten, dass die Kirche das, was sie über Jahrtausende als Sünde definiert hat, plötzlich zu einem neuen Sakrament erklärt. Die Sache ist biblisch vorgeformt, dass Sie im Alten Testament und auch im Neuen, in den Schriften des Heiligen Paulus, ganz klare Distanzierungen sehen."
Der emeritierte Professor für Christliche Sozialwissenschaften beschäftigt sich unter anderem mit dem Familienbild der Kirche. Einer 'Ehe für alle' kann Ockenfels nichts abgewinnen.
"Eine Ehe zwischen Homosexuellen ist schon deswegen keine Ehe, weil hier eine naturale Unbeliebigkeit im Spiel ist, dass nämlich es bisher den Homosexuellen nicht gelungen ist, für ihre eigene Fortpflanzung zu sorgen. Hier versucht man, die Ehe zu imitieren."
Völlig unterschiedliche Kulturen und Traditionen treffen aufeinander
Homosexualität, Wiederheirat, Zusammenleben ohne Trauschein – in all diesen Fällen treibt nicht wenige Kirchenvertreter die Angst vor Unbeständigkeit und Untreue um. Demgegenüber seien die positiven Aspekte von Beziehungen unterbelichtet, kritisiert ZdK-Präsident Glück: etwa Verlässlichkeit und gegenseitige Pflichten. Er plädiert für weniger Sexualethik und mehr Beziehungsethik.
"Nach der Lehre der katholischen Kirche ist gelebte Sexualität etwas, was nur im Rahmen der Ehe zulässig ist. Und alles andere ist gewissermaßen sündhaft. Die Kirche ist aus ihrer Tradition unglaublich fixiert auf die Beziehung der Geschlechter im Sexuellen. Beziehungsethik heißt, den Akzent stärker darauf setzen: Verantwortung übernehmen. Alles andere ist eine Engführung, die zu unheimlichen Verkrampfungen und Fehlentwicklungen in der Kirche führt und geführt hat."
Allerdings werden die deutschen Anliegen in Rom nur eine Rolle unter vielen spielen.In der Synoden-Aula treffen völlig unterschiedliche Kulturen und Traditionen aufeinander. So treiben die Bischöfe aus Afrika, Asien und Lateinamerika ganz andere Fragen um: Wie umgehen mit Armut, Sucht oder Polygamie und ihren Folgen für Partnerschaften und Familien? Alois Glück vermutet deshalb, dass am Ende der Beratungen eine größere Entscheidungsfreiheit der regionalen Bischofskonferenzen stehen könnte. Rom müsse nicht alles zentral regeln.
"Wie viel muss zentral die Leitung der Weltkirche regeln, und welche erweiterten Kompetenzen gibt es künftig für die Ortskirchen in den verschiedenen Weltregionen? Papst Franziskus wiederholt immer wieder die Notwendigkeit, hier mehr Freiräume zu schaffen. Das wird eine der wichtigen Fragen sein: Wie können wir uns einstellen in Afrika, in Europa, und in anderen Teilen der Welt?"
Ohnehin ist die Bischofssynode kein Parlament, das verbindlich über Reformen abstimmt. Die Delegierten sind lediglich Berater des Papstes. Entscheiden muss am Ende Franziskus.