Am 10. März war es soweit: Die Deutsche Eishockey Liga verkündete den vorzeitigen Abbruch der Saison - kurz vor Beginn der Playoffs. Eishockey war damit die erste Sportart, die in den Lockdown ging. "Das war ein ziemlich abruptes Ende", erinnert sich David im Skype-Gespräch an diesen Tag zurück. Er ist Mitglied im Ultra-orientierten Fanclub "Black Corner" von den Eisbären Berlin und will seinen vollen Namen nicht preisgeben. David und die rund 20 weiteren Mitglieder der Gruppierung konnten seitdem nicht mehr ins Stadion. "Das fehlt jetzt einigen von uns. Dieses Zusammensein, Choreos planen. Das war ein harter Cut und der zieht sich jetzt durch die Saison durch."
Dass so eine Pandemie-Saison ohne die Spiele im Stadion als wöchentlicher Höhepunkt herausfordernd ist für Fans, das berichtet auch Manfred Kesseler. Er ist Teil des dreiköpfigen Vorstands der Moskitos, einem Fanclub des Playoff-Halbfinalisten in der Volleyball-Bundesliga - den Powervolleys Düren: "Wir als Fanclub sind da sehr traurig drüber und der einzige Trost ist, dass wir bei den Livestreams am Computer dabei sein können. Ja, wir wünschten, es wäre bald zu Ende mit dem Lockdown."
Die Jahreshauptversammlung der Moskitos im Juli vergangenen Jahres war für die rund 100 Mitglieder das letzte gemeinsame Treffen. "Gut, man kann stellenweise miteinander telefonieren. Aber es ist einfach nicht so, ne." Auch der Austausch mit Fanclubs gegnerischer Mannschaften, zum Beispiel bei Auswärtsfahrten, fehlt Kesseler ungemein.
"Es ist nicht nur ein Hobby"
Ein Gefühl der Leere, das mit Blick auf die fehlenden Stadionbesuche auch David Gembitz bestätigt. Er ist Mitglied bei "Hölle Nord", einem 270-Mitglieder starkem Fanclub von Handball-Bundesligist SG Flensburg-Handewitt: "Das ist so ne wöchentliche Routine. Wir haben ja im Handball auch nen enorm vollgepackten Spielplan, so dass man sich dann alle drei, vier Tage in der einen oder in der anderen Halle sieht. Und wenn da auf null runtergefahren wird, ist das ein enormer Einschnitt. Es ist nicht nur Hobby, sondern man trifft da halt seine Freunde."
Der Profisport und die Spieltage seien zwar der Überbau und das verbindende Element der Fanszenen. Doch definieren sich engagierte Fans nicht nur über die Stimmung, die sie im Stadion oder der Halle machen, sagt Gembitz. Sondern vor allem über die zwischenmenschlichen Kontakte: "Diese ganzen Erlebnisse, die eigentlich nichts mit dem Spielverlauf zu tun haben. Das Ganze drum herum, das fällt komplett weg."
In Ludwigsburg hatten die "Barock Pirates", dem mit 118 Mitgliedern größten Fanclub von Basketball-Bundesliga-Club Ludwigsburg, kurz vor Pandemie-Beginn noch einen neuen Stammtisch ins Leben gerufen. Doch Kneipen sind genauso geschlossen wie auch der alte Pressecontainer, den Pirates-Vorstand Tim Höstermann normalerweise für Übertragungen von Auswärtsspielen zum Vereinsheim umfunktioniert. Jetzt schauen einige Mitglieder die Spiele gemeinsam im Digitalen – über die Digitalplattform Zoom. "Wenn man mit nem Bierchen zusammen in der Halle steht, ist natürlich anders als wenn man sich einmal die Woche zum Viewing über Zoom trifft. Dieser Fankultur tut das Ganze überhaupt nicht gut."
Keine Spur von Abnutzungserscheinungen
In Flensburg schmücken einige "Hölle-Nord"-Banner derzeit immerhin die bei Spielen ansonsten fast menschenleere Mehrzweckhalle – zumindest etwas bleibt von der Fankultur sichtbar. Und trotz Pandemie hat der der Fanclub von David Gembitz im vergangenen Jahr sogar Mitglieder hinzugewonnen - von Abnutzungserscheinungen keine Spur. "Ich glaube nicht, dass da was auseinanderbrechen wird. Die Bindung zum Verein ist in Flensburg schon enorm."
Auch Manfred Kesseler von den Moskitos, dem Fanclub der Dürener Volleyballer, glaubt nicht, dass die Fans sich abwenden könnten. "Die sind alle so Volleyball-jeck. Ich behaupte mal, dass da nichts auseinanderbrechen wird."
Im baden-württembergischen Ludwigsburg haben die "Barock Pirates" die Mitgliedsbeiträge im vergangenen Jahr sogar ausgesetzt. Ein solches Zeichen der Anerkennung vermisst Basketball-Fan Tim Höstermann allerdings vom Verein. "Mit dem Verein herrscht wenig bis keine Kommunikation. Da sind wir auch ein bisschen enttäuscht. Wir wurden kein einziges Mal gefragt, wie es denn dem Verein so geht. Das wirkt momentan so, als wenn nur der sportliche Erfolg zählt."
Auch der Berliner Eishockey-Fan David ist derzeit nicht gut auf den Verein zu sprechen. Denn die Geschäftsführung hat kürzlich beschlossen: Wer von den rund 5.000 Dauerkarteninhabern sein Geld für diese Saison zurückverlangt, hat in der kommenden Saison Neukunden-Status und damit die Playoffs nicht im Abo integriert – anders als die, die trotz Lockdown zahlen. Gemeinsam mit 25 anderen Fanclubs hat die Gruppe Black Corner in einem offenen Brief den Verein zum Umdenken aufgefordert: "Auf so was versuchen wir gerade aufmerksam zu machen, dass das nicht in Vergessenheit gerät." Die Faninteressen, befürchtet er, würden sonst in Pandemie-Zeiten völlig untergehen.
Steiniger Weg zurück zur Normalität
Um die Fans beieinander zu halten, hat der Flensburger Fanclub "Hölle Nord" kürzlich Grußkarten an alle Mitglieder und den Verein geschickt. Denn auch wenn der Stadionbesuch je nach Pandemielage absehbar wieder möglich sein sollte, sagt David Gembitz. Der Weg zurück zur Normalität werde steinig:"Es wird ne Zeit dauern bis die Fans sich wieder akklimatisiert haben mit diesen vielen Menschen. Auf unserer Stehtribüne stehen bei einem Top-Spiel gegen Kiel über 1.000 Leute dicht gedrängt nebeneinander. Das wird schon wieder ein neues Gefühl sein, wenn das dann wieder losgeht."