Ende Februar schien der deutsche Fußball am Ende. Beleidigungen aus den Fankurven gegenüber Dietmar Hopp, dem Mehrheitseigner der TSG Hoffenheim, stellten laut den Fußballfunktionären eine neue Dimension dar.
"Es ist der Moment gekommen jetzt, spätestens heute, wo die ganze Bundesliga, der DFB, die DFL, gemeinsamen Schrittes gegen diese Chaoten vorgehen muss. Es ist das hässliche Gesicht des Fußballs", so Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern am 24. Spieltag der Bundesliga, bei der Begegnung TSG Hoffenheim gegen FC Bayern München. Als die Bayernkurve ein Transparent mit Schmähungen gegen den Mehrheitseigner der TSG Hoffenheim, Dietmar Hopp, zeigte, ist das Spiel mehrfach unterbrochen, die Mannschaften sogar kurzzeitig in die Kabine geschickt worden.
Keller: "Sind wirklich am Tiefpunkt angekommen"
Auch in anderen Stadien kam es an diesem Spieltag wegen ähnlicher Vorfälle zu kürzeren Spielunterbrechungen. Danach äußerte sich DFB-Präsident Fritz Keller im Aktuellen Sportstudio zu den Vorfällen:
"Ich glaube, wir sind wirklich am Tiefpunkt angekommen. Ich habe gerade die Worte auch von Herrn Rummenigge gehört, und ich glaube, er hat Recht. Es geht hier nur mit Solidarität weiter für die Sauberkeit des Sports, und für einen anständigen Umgang miteinander. Manche haben Recht, die sagen, wir hätten die früher durchgreifen müssen, und das einfach nicht zulassen. Die ersten Hassplakate gegen Dietmar Hopp waren 2008, 2008. Dafür gab es immer wieder Geldstrafen und sonst was. Und dann ist irgendwann mal gut."
Auch das DFB-Sportgericht nahm danach Ermittlungen auf, und hat Verfahren gegen die Vereine eröffnet, deren Fans in den Kurven entsprechende Banner gezeigt hatten.
Alle Verfahren werden eingestellt
Doch zu einer Verurteilung wird es nicht kommen. Am Freitag teilt der DFB mit, dass er alle Verfahren aus 2020 gegen Vereine aus den ersten drei Ligen einstellt, die bislang noch nicht rechtskräftig abgeschlossen wurden. Also auch alle Verfahren, die die Vorfälle am 24. Spieltag behandeln.
Wörtlich heißt es beim DFB: "Das schließt sämtliche Vereinsverfahren ein, beispielsweise wegen Abbrennen von Pyrotechnik im Stadion, Zuschauerausschreitungen oder verbotener Banner. Grund: die Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen für die Klubs."
Die Beleidigungen aus den Fankurven am 24. Spieltag waren als Proteste gedacht, und richteten sich eigentlich gegen den DFB. Der hatte kurz vorher eine Bewährungsstrafe gegen BVB-Anhänger widerrufen. Die Auswirkungen: Kein BVB-Fan darf in den kommenden beiden Spielzeiten ins Hoffenheimer Stadion. Das fassen die Anhänger als eine so genannte Kollektivstrafe auf, die der DFB als Strafmittel eigentlich ausgesetzt hatte. Auslöser für die Anwendung dieser Kollektivstrafe sind ebenfalls Schmähungen aus der BVB-Kurve in Richtung Dietmar Hopp gewesen.
Den Fans dient Hopp als Symbolfigur für ihre Systemkritik
Der dient den Fans als Symbolfigur für ihre Systemkritik, weil er fast 100 Prozent der Anteile an der TSG Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH hält. Die Fans betrachten dies als Verrat am Fußball, dessen Vereine mehrheitlich den Mitgliedern gehören sollten.
Trotz der Einstellung der Verfahren – für die Fans gehen die Proteste gegen den DFB weiter, wohl aber nicht mehr gegen Dietmar Hopp, wie der Sprecher des Fanbündnisses "Pro Fans", Sig Zelt, ausführt.
Trotz der Einstellung der Verfahren – für die Fans gehen die Proteste gegen den DFB weiter, wohl aber nicht mehr gegen Dietmar Hopp, wie der Sprecher des Fanbündnisses "Pro Fans", Sig Zelt, ausführt.
"Das Thema 'Hopp' ist sowieso fürs Erste erledigt, als Person ist er uns wirklich nicht so wichtig. Die fortschreitende Kommerzialisierung führt doch dazu, dass Personen und Konzerne den sportlichen Erfolg kaufen können. Sie zerstört die Mitbestimmung, und die Mitgestaltung durch die Mitgliederbasis. Die noch obendrein immer wieder mit Kollektivstrafen überzogen wird. Das ist das eigentliche Thema der Proteste, daher werden sie nicht verstummen."
Dietmar Hopps Anwalt, Christoph Schickhardt, wollte sich gegenüber dem Deutschlandfunk nicht zu der Thematik äußern, wie er im Vorfeld der DFB-Entscheidung schreibt.
Der Verband nutzt jedenfalls die Coronapandemie um ein für ihn brisantes Thema abzuschließen. Obwohl der DFB noch vor drei Monaten deswegen von einem neuen Tiefpunkt im Fußball gesprochen.