Das Internationale Olympische Komitee (IOC) trifft sich im indischen Mumbai zur Vollversammlung. Auf der Agenda stand unter anderem die Aufnahme neuer Sportarten in das Programm für die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles.
Schon am Donnerstag sorgte das IOC allerdings für einen Paukenschlag. Die Verbands-Exekutive unter dem Vorsitz des deutschen Präsidenten Thomas Bach verkündete die sofortige Suspendierung des Nationalen Olympischen Komitees Russlands (ROC).
Die wichtigsten Fragen und Antworten zur IOC-Vollversammlung in Mumbai.
- Warum hat das IOC das russische NOK suspendiert?
- Wie haben die Ukraine und Russland reagiert?
- Was bedeutet die ROC-Suspendierung für russische Athletinnen und Athleten?
- Welche Sportarten sollen neu in das olympische Programm aufgenommen werden?
- Müssen Sportarten weichen?
- Wie ist der Stand beim Boxen?
- Gibt es einen Ausrichter für die Winterspiele 2030?
- Bleibt Thomas Bach IOC-Präsident?
Warum hat das IOC das russische NOK suspendiert?
Das ROC hatte die regionalen Sportverbände aus den von Russland besetzten ukrainischen Regionen Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischja als neue Mitglieder aufgenommen. Das stellt aus Sicht des IOC einen Bruch der Olympischen Charta da, weil die die territoriale Integrität des ukrainischen Olympischen Komitees verletzte. Das sagte IOC-Sprecher Mark Adams am Donnerstag.
Das ROC erhält damit fortan kein Geld mehr aus dem Einnahmen-Topf des IOC. Ansonsten hat der Beschluss aber eher symbolischen Charakter.
Zudem kennt sich das ROC mit Suspendierungen aus. Zwischen dem 5. Dezember 2017 und dem 28. Februar 2018 war das ROC schon einmal aufgrund des organisierten Doping- und Dopingvertuschungsprogramms in Russland suspendiert.
Wie haben die Ukraine und Russland reagiert?
In der Ukraine nahm man die Entscheidung des IOC mit Erleichterung zur Kenntnis: "Dies ist eine wichtige Entscheidung. Wir haben mit unseren Partnern besprochen, dass Sport und Politik nicht zu trennen sind, wenn ein terroristisches Land (Russland) Völkermord begeht und Sportler als Propaganda nutzt", schrieb Andrej Jermak, Stabschef des Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, in den Sozialen Netzwerken.
Selenskyj selbst sagte am Donnerstagabend: "Falls jemand in Russland denkt, dass sie Sport und die Olympische Bewegung als Waffe benutzen können: Das wird definitiv nicht funktionieren. Danke an all jene, die die olympischen Prinzipien verteidigen."
Das ROC wiederum nannte die IOC-Entscheidung in einer ersten Reaktion auf Telegram "politisch motiviert" und "kontraporduktiv".
Was bedeutet die ROC-Suspendierung für die russischen Athletinnen und Athleten?
Erst einmal nichts. IOC-Sprecher Adams betonte, dass die Suspendierung des ROC keine Auswirkungen auf eine mögliche Teilnahme russischer Athletinnen und Athleten an den Olympischen Spielen 2024 in Paris haben werde.
Die Empfehlung des IOC an die Weltverbände, russische und belraussische Sportlerinnen und Sportler als neutrale Athleten wieder in den Weltsport einzugliedern, bleibe in Kraft, so Adams. Die finale Entscheidung über deren Olympiastart werde "zu gegebener Zeit" getroffen, allerdings noch nicht auf der IOC-Vollversammlung.
2018 hatte die Suspendierung des ROC zumindest keine Auswirkungen. Bei den Olympischen Winterspielen im südkoreanischen Pyeongchang waren mehr als 150 russische Sportlerinnen und Sportler unter dem dem Titel "Olympische Athleten aus Russland" unter neutraler Flagge mit dabei.
Am Freitag betone IOC-Präsident Bach zudem noch einmal, dass durch die Suspendierung nicht die Athletinnen und Athleten bestraft werden, sondern der Verband: "Wir folgen unserem Prinzip, wie wir das immer getan haben, nämlich, dass wir Athleten nicht für Handlungen von Funktionären oder ihren Staaten bestrafen. Unsere Aufgabe ist es, die Athleten und ihre Rechte zu beschützen", sagte Bach.
Welche Sportarten sollen neu in das olympische Programm aufgenommen werden?
Neben der Supspendierung des russischen NOKs hat die IOC-Exekutive in Mumbai auch über die Aufnahme neuer Sportarten für die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles beraten.
Die Veranstalter der Spiele hatte vorgeschlagen, Cricket, Baseball/Softball, Lacrosse, Flag Football und Squash ins Programm aufzunehmen. Die IOC-Spitze hat den Vorschlägen in Mumbai zugestimmt. Jetzt muss nur noch die IOC-Generalversammlung, die ab Sonntag in Mumbai tagt, ihr Einverständnis geben.
Flag-Football und Squash würden damit in LA ihre Premieren auf der Olympischen Bühne feiern. Lacrosse war bereits 1904 und 1908 olympisch. Auch Cricket war im Jahr 1900 schon einmal im olympischen Programm.
Müssen Sportarten weichen?
Das ist noch unklar. Drei Sportarten standen auf der Kippe: Gewichtheben, der Moderne Fünfkampf und Boxen. Gewichtheben soll jedoch weiter dabei sein, wie Bach am Freitag verkündete.
Auch der Moderne Fünfkampf soll weiter im Programm bleiben, allerdings mit einer Änderung: Springreiten soll durch Hindernislauf ersetzt werden.
Das ist die Konsequenz eines Vorfalls bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio, als die deutsche Reiterin Annika Zillekens (damals noch Annika Schleu) mit einem ihr zugelosten Pferd nicht zurechtkam und immer wieder Gerte und Sporen einsetzte.
Gegen Zillekens und Trainerin Kim Raisner, die das Pferd geschlagen haben soll, wurde anschließend wegen Tierquälereri ermittelt. Die Ermittlungen wurden mittlerweile eingestellt.
Dazu entbrannte aber eine Debatte, ob Reiten im Modernen Fünfkampf noch zeitgemäß sei. In Paris wird Reiten noch zum Modernen Fünfkampf gehören, allerdings mit abgeänderten Regeln. 2028 wird Reiten dann durch einen Hindernisparcours ersetzt. Ohne diese Änderung wäre die Sportart aus dem Olympischen Programm geflogen, betonte Bach.
Wie ist der Stand beim Boxen?
Aktuell nicht im Programm für die Spiele in Los Angeles ist Boxen. Die IOC-Spitze entschied, den Sport vorerst nicht für 2028 zu berücksichtigen. Hintergrund ist der anhaltende Streit mit der vom IOC wegen Korruption und Wettbewerbsverzerrung ausgeschlossenen International Boxing Association (IBA). Boxen ist daher derzeit ohne olympischen Verband.
Endgültig ist der Ausschluss aber nicht. "Ich werde nicht müde zu sagen, dass wir Boxen im olympischen Programm haben wollen", sagte IOC-Präsident Thomas Bach am Freitag. Das IOC habe kein Problem mit den Boxern, sondern nur mit der IBA.
Mit "World Boxing" hat sich mittlerweile ein neuer Box-Weltverband gegründet, der allerdings noch nicht vom IOC anerkannt ist. Sollte sich das ändern, ist es möglich, dass Boxen doch noch in das Olympische Programm zurückkehrt.
Gibt es einen Ausrichter für die Winterspiele 2030?
Die Situation ist kompliziert. Aktuell gibt es keinen offiziellen Bewerber, nachdem Sapporo Anfang der Woche seine Bewerbung für 2030 zurückgezogen hat. Neben den hohen Kosten für eine Bewerbung hat das IOC nocht ein weiteres Problem: Aufgrund es Klimawandels wird es in Zukunft immer weniger Orte geben, die Schneesicherheit garantieren können.
„Das ist einer der Gründe wenn nicht der Hauptgrund, warum die zuständige Kommission eine Doppelvergabe vorschlägt für die Olympischen Winterspiele 2030 und 2034 um mehr Zeit zu gewinnen um den dramatischen Einfluss des Klimawandels zu thematisieren", sagte Bach.
Langfristig könnte das IOC entscheiden, dass die Winterspiele zwischen einigen wenigen Orten in einem Rotationssystem vergeben werden.
Bleibt Thomas Bach IOC-Präsident?
2025 endet die aktuelle Amtszeit von Thomas Bach als IOC-Präsident. Zur Wiederwahl dürfte er sich nicht stellen, denn Bach ist seit 2013 an der IOC-Spitze und mehr als zwölf Jahre darf ein IOC-Präsident laut Olympischer Charta nicht im Amt bleiben.
Beim IOC-Kongress in Mumbai haben nun aber gleich mehrere IOC-Mitglieder eine Änderung der Charta ins Spiel gebracht, um Bach eine weitere Amtszeit zu ermöglichen. "Die olympische Bewegung muss diese Zeit der Qualen mit einem Präsidenten durchstehen, der sich bewährt hat", sagte etwa der Algerier Mustapha Berraf, Vorsitzender des Nationalen Olympischen Komitees von Afrika (ANOCA).
IOC - Die große Thomas Bach Show
"Es ist anzunehmen, dass die Initialzündung direkt aus Bachs Umgebung kommt", sagte Thomas Kistner, Journalist bei der "Süddeutschen Zeitung", am Sonntag im Dlf. "Dass es dann so gemacht wird, wie es heute abgelaufen ist, fast wie eine Liebesgeschichte, ist dann das Ergebnis einer solchen Show, wenn sich ein paar Mitglieder zusammensetzen und so einen Plan aushecken."
Bach selbst sagte, er stehe hinter der Charta. "Das ist reines kokettieren", sagte Kistner. "Die IOC-Session ist das oberste Gremium. Die könnten sich auch einfach von den Stühlen erheben und anfangen zu klatschen und dann ist Bach praktisch im Amt bestätigt."
Das Bach mit seinem Vorhaben durchkommt, sieht Kistner als "faktisch besiegelt" an: "Von den Statuten her muss es natürlich noch durchgehen, aber das ist ein Selbstläufer."
Selbst wenn Bach 2025 nicht mehr zur Wahl antreten würde, hätte eine Änderung der Charta Vorteile für ihn, sagte Kistner: "Er wird in den kommenden beiden Jahre kein Präsident im Niedergang sein, sondern hat alle Trümpfe in der Hand. Und wenn er nicht antritt, kann er aus dieser Postion der Stärke heraus sich selber aussuchen, wer sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin sein wird. Wer auch immer das das sein wird, wird ein Präsident oder eine Präsidentin von Bachs Gnaden sein und mit einer langen To-Do-Liste belegt werden. Denn dafür muss es natürlich dann ein paar Rückspiele geben."