EURO 2024 in Deutschland
Die Fußball-EM und das Versprechen für Nachhaltigkeit

Die Organisatoren der EURO 2024 in Deutschland versprechen die nachhaltigste Fußball-EM aller Zeiten. Was steckt dahinter, wieviel davon wird tatsächlich umgesetzt - und was ist am Ende womöglich nur Greenwashing?

Von Christian Mixa, Maximilian Rieger und Sabine Lerche |
    Das für die Fußball-EM umdekorierte Stadion in Dortmund
    Das Dortmunder Stadion wird in den vier EM-Wochen Treffpunkt von Fußball-Fans aus ganz Europa. (picture alliance / Nur Photo)
    Die anstehende Fußball-Europameisterschaft in Deutschland wurde schon vor dem Turnierstart als mögliches "neues Sommermärchen" beschworen. Schon beim Original, der WM 2006, stand das Thema Nachhaltigkeit auf der Agenda, unter dem Label "Green Goal" ging es seinerzeit etwa um reduzierten Wasserverbrauch in den Stadien, Mehrwegbecher und die Anreise der Fans mit dem öffentlichen Nahverkehr.
    18 Jahre später versprechen die Organisatoren, die UEFA und der Deutsche Fußball-Bund als Gastgeber sogar die "nachhaltigste Fußball-EM aller Zeiten". Wie soll das aussehen bei 51 Fußballspielen innerhalb eines Monats, und Hunderttausenden von Fans, die in diesem EM-Sommer durch Deutschland reisen werden? Was steckt hinter den Versprechen für mehr Nachhaltigkeit, wieviel davon kann umgesetzt werden - und was ist am Ende womöglich nur grüner Etikettenschwindel?
    Eine nachhaltige Fußball-EM - was steckt hinter dem Konzept?
    Welche Maßnahmen sind geplant für eine nachhaltige EM?
    Soziale Nachhaltigkeit - was bleibt von der EM?
    Wieviel wird eingehalten von den Nachhaltigkeitsversprechen?

    Eine nachhaltige Fußball-EM - was steckt hinter dem Konzept?

    Die UEFA hat sich in ihrem EM-Konzept an der gängigen Aufteilung in soziale, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit orientiert. Im Vordergrund stehen dabei sicherlich die ökologischen Aspekte, die auch von Organisatoren anderer großer Sportveranstaltungen immer wieder aufgezählt werden: Die UEFA möchte bei der EM den negativen Einfluss auf die Umwelt und auf das Klima reduzieren und möglichst gering halten.
    Darüber hinaus soll die EM auch im gesellschaftlichen Bereich Spuren hinterlassen, nach Möglichkeit sogar über das Turnier hinaus: Ein völkerverbindendes Fußball-Fest soll einen Beitrag dazu leisten, dass sich viele Menschen für Sport begeistern und selbst aktiv werden, auch in Vereinen. Nach dem Willen der Organisatoren sollen sich alle Menschen während des Turniers sicher und wohl fühlen.
    Die Organisatoren bekennen sich schließlich auch zu mehr wirtschaftlicher Nachhaltigkeit. Die Fußball-EM verspricht ein Milliardengeschäft, vor allem für die Verbände, alle Entscheidungen und Geschäfte sollen wirtschaftlich verantwortbar und vor allem transparent sein. Zur Erinnerung: In Frankfurt/Main läuft weiterhin der "Sommermärchen-Prozess" gegen frühere DFB-Spitzenfunktionäre, die sich wegen möglicher Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Ausrichtung der Fußball-WM 2006 verantworten müssen.

    Welche Maßnahmen sind geplant, für ökologische Nachhaltigkeit bei der EM?

    Das Versprechen einer klimaneutralen EM, das etwa noch bei der WM in Katar abgegeben wurde, wurde von den Organisatoren für das Turnier in Deutschland vermieden. Ein sportliches Großereignis über vier Wochen mit 51 Spielen an zehn Spielorten stellt aus ökologischer Sicht durch Emissionen und Abfälle eine große Mehrbelastung fürs Klima dar, wenn Hunderttausende Fußball-Fans aus ganz Europa in Deutschland zusammenkommen.
    Das Öko-Institut hat in einer Vorab-Studie den CO2-Fußabdruck für die EM prognostiziert. Demnach entstehen circa 70 Prozent im Verkehrsbereich, durch die An- und Abreise von ausländischer Fans, die für die EM nach Deutschland kommen werden, um die Spiele im Stadion zu verfolgen oder auch einfach nur um in den Fanzonen mitzufeiern.
    Umwelt-Staatssekretär Christian Kühn, der das Öko-Institut mit der Machbarkeitsstudie der EM beauftragt hatte, bezeichnete die Frage der Mobilität im Dlf als entscheidend fürs Nachhaltigkeitskonzept. Um die Belastung fürs Klima zu reduzieren, gehe es am Ende darum, "jedem Fan klarzumachen, dass es besser ist, aus Europa mit der Bahn zu einem Spiel anzureisen, statt den Flieger zu nehmen."
    Erreichen wollen die Organisatoren dies mit vergünstigten Bahntickets: Alle Fans, die im Besitz eines EM-Tickets sind, können deutschlandweit für 30 Euro mit der Bahn zu den Spielen reisen, für 40 Euro in der 1. Klasse. An den EM-Spielorten kann der öffentliche Nahverkehr mit dem Stadionticket kostenlos benutzt werden, gültig für 36 Stunden rund um den Spieltag.
    Das Parkplatz-Kontingent an den Stadien wird während der EM beschränkt. Parktickets werden zudem teurer: Von den 24 Euro Parkgebühr pro Spieltag sollen 5 Euro an den EM-Klimafonds fließen. In Berlin, Frankfurt, Hamburg und Leipzig bleiben die Stadionparkplätze komplett gesperrt.
    Für die Emissionen, die in der prognostizierten Klimabilanz übrig bleiben, hat die UEFA als Kompensation pro Tonne CO2 bereits 25 Euro in den EM-Klimafonds eingezahlt, insgesamt sieben Millionen Euro, die an Klimaschutz-Projekte in Amateurvereinen in Deutschland ausgeschüttet werden. Mehr als 4000 Klubs haben sich beworben, um mit dem Geld aus dem UEFA-Fonds nachhaltige Projekte umzusetzen, etwa den Bau einer Photovoltaikanlage fürs Vereinsheim, Wärmepumpen oder LED-Flutlicht.

    Soziale Nachhaltigkeit: Was bleibt von der EM?

    In den EM-Städten ist eine Vielzahl kleinerer Maßnahmen geplant, die Nachhaltigkeitsgedanken fördern: Fahrradwerkstätten, Trinkwasserbrunnen oder Aktionen gegen Essensverschwendung. In den Fanzonen gibt es Platz für Bildungsangebote und inklusive Projekte, die sich den Fans vorstellen können. Auf diesem Weg sollen Leute erreicht werden, die vorher vielleicht noch nicht mit Nachhaltigkeitsthemen in Kontakt gekommen sind.
    Die sozialen Nachhaltigkeitsprojekte sollen ihre Wirkung vor allem auf der Ebene der Kommunen entfalten. So soll in Freiburg ein mobiler Lese-Kiosk eingerichtet werden, in Berlin ein großer Spielplatz für Erwachsene. In einem anderen bundesweiten Projekt, das vom Bund gefördert wird, werden Fußballbegriffe in Gebärdensprache übersetzt.
    Für soziale Nachhaltigkeit soll auch das Kunst- und Kulturprogramm sorgen, dass während der EM mit zahlreichen Projekten stattfindet. Der Bund fördert insgesamt 60 Einzelprojekte in den Kommunen, nicht nur an den EM-Spielorten.
    "Wir haben uns vorgenommen, dass die Europameisterschaft nicht nur die Menschen erreichen soll, die im Stadion sind, die Tickets haben. Sondern Menschen im ganzen Land", sagte Staatssekretärin Juliane Seifert aus dem Bundesinnenministerium gegenüber dem Dlf.
    Zum Förderprogramm der Bundesregierung gehört auch eine Volunteer-Akademie. Dort sollen die 16.000 freiwillige Helfer und Helferinnen der EM mit besonderen Angeboten Grundsteine für weiteres Engagement legen, sich weiterbilden und qualifizieren können.

    Wieviel kann eingehalten werden von den Nachhaltigkeitsversprechen?

    Im Fokus steht vor allem die Anreise der Fans per Bahn und öffentlichem Nahverkehr als zentraler Bestandteil des Nachhaltigkeitskonzepts. Im Vorfeld wurden vor allem Zweifel darüber laut, ob die notorisch unzuverlässige Deutsche Bahn mit ihrer maroden Infrastruktur ausreichend gut aufgestellt sei, um an einem Spieltag Zehntausende von Fans zu befördern. Die Bahn wie auch die regionalen Verkehrsbetriebe haben angekündigt, mehr Züge und Wagen einzusetzen. Es gibt zum Teil erhebliche Unterschiede bei den Nahverkehrskonzepten an den einzelnen Standorten - und damit auch beim möglichen Nachholbedarf.
    In sechs der zehn EM-Städte ist zudem die Anreise mit Pkw und das Parken direkt am Stadion grundsätzlich weiter möglich. Darunter in allen vier Stadien in Nordrhein-Westfalen, dem Bundesland, das 20 EM-Spiele austrägt. In NRW, mit dem Stadiontempel in Dortmund und Gelsenkirchen und den Party-Metropolen Köln und Düsseldorf, werden auch die meisten Fans unterwegs sein.
    Experten wie Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe stellten das Bekenntnis der Organisatoren für die Anreise per Bahn in Frage: Dafür hätte es grundsätzlich "Sperren für Autos in der Stadionumgebung" geben müssen, wie zum Teil bei Bundesligaspielen, sagte Fischer im Dlf. Auch die Forderung, dass es während der EM nach Möglichkeit keine Kurzstreckenflüge geben sollte, fand kein Gehör. Der Austausch der Organisations-GmbH und auch des DFB mit kritischen Umweltschutzgruppen sei "sehr defensiv und eher unerwünscht" gewesen, so Fischer.
    Die Organisatoren hatten zudem bei der Gestaltung des Spielplans sogenannte "regionale Cluster" gebildet, um die Reisewege der Fans, zumindest in der Vorrunde, zu minimieren. Auch dieses Versprechen konnte nur zum Teil gehalten werden, Frankreich etwa hat seine Gruppenspiele in Düsseldorf, Leipzig und Dortmund. Auch die österreichischen Fans pendeln zwischen Berlin und Düsseldorf.
    Die UEFA als Gewinner der EURO 2024 - Interview Michael Fröhlingsdorf
    Inwieweit die Nachhaltigkeitsversprechen über die EM hinaus wirken, hängt auch von der UEFA ab. So blieb UEFA-Vizepräsident Michelle Uva im Dlf die konkrete Antwort schuldig, ob der Verband auch in Zukunft Klimafonds auflegen werde, bei der nächsten Europameisterschaft oder in der Champions-League. In Europas Königsklasse wird es nach der Modus-Reform künftig mehr Reisen pro Saison geben - und damit noch mehr klimaschädliche Emissionen. Für die Einrichtung eines Klimafonds müssten aber auch die Vereine mitspielen, so Uva. Die UEFA werde zunächst die Auswirkungen ihres Klimakonzeptes bei der EM evaluieren.