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Fashion Week Berlin
Männermodel-Castings im Minutentakt

Glitzer, Glamour und Chi-Chi: In Berlin startet die Fashion Week. Im Mittelpunkt stehen meistens die weiblichen Models. Weniger Beachtung bekommen die Herren. Dabei ist der Beruf für Männermodels nicht minder anstrengend - dafür schlechter bezahlt. Um überhaupt an Jobs zu kommen, müssen sie bei Castings überzeugen.

Von Sarah Tschernigow |
    Models gehen mit neuen Frisuren über einen Laufsteg.
    Weibliche Models verdienen mehr als ihre männlichen Kollegen. (dpa / picture alliance / Oliver Berg)
    "Hallo. Einmal mein Buch und meine Begleitung." "Danke. Wie viele Castings hast du heute noch?" "Glaub, ich hab noch fünf weitere." "Kannst du einmal laufen bitte?" "Alles klar. Perfekt."
    Ein kurzer Blick in die Bewerbungsmappe, dann soll Männermodel Philip Deml einmal Auf und Ab gehen - das war´s. Er hatte vielleicht eine Minute Zeit, um das Team des Modemagazins GRAZIA zu überzeugen, bei ihrer Modenschau mitzulaufen. Das Casting: freundlich, aber eine Massenabfertigung.
    "... dann melden wir uns bei deiner Agentur. Genau. Perfekt. Dankeschön." "Danke."
    Wir sind in einem Konferenzraum eines Berliner Luxushotels. Auf Kleiderstangen hängen teure Designerstücke. Menschen fotografieren und tippen in ihre Notebooks. Draußen vor der Tür: Atmosphäre wie beim Arbeitsamt. Es ist warm und laut, die Luft steht - etwa hundert junge Schönheiten stehen Schlange für den Job. Manche sind aus New York angereist.
    Mit 23 Jahren schon ein "alter Hase" im Geschäft
    Model Philip lässt sich von der Konkurrenz nicht aus der Ruhe bringen. Obwohl er nur zwei Stunden geschlafen hat, früh mit dem ersten ICE aus Frankfurt angereist ist und im Gewühle noch sein Gepäck hinterherschleppen muss. Er kennt das schon. Mit 23 Jahren ist Philip fast schon ein alter Hase im Geschäft. Bei seiner Agentur Eastwestmodels ein Vorzeigekandidat.
    "Ich bin ein entspannter Typ, aber total ehrgeizig. Ich versuche immer das Beste zu machen, aber ich mache mir keinen unnötigen Druck."
    "Also bei so einem Andrang ist es so, die wollen dich nur kurz laufen sehen, dass man nicht komplett aus dem Rahmen fällt. Und dann geht's eigentlich nur um die Typfrage. Die sehen ja gleich: Passt du in das Schema, das wir suchen, oder nicht. Und dann wirst du markiert."
    Frauenmarkt stärker umkämpft
    Die Chancen für Philip stehen nicht schlecht. Er ist das, was man im Fachjargon den "kommerziellen Typ" nennt: durchtrainierter, muskulöser Körper, makellose Haut, volles Haar und Schwiegersohnlächeln - mit anderen Worten: fast überall einsetzbar. Seine lockere Art tut den Rest. Frauen zuppeln mehr an sich rum und setzen sich stärker unter Druck als die Männer, sagt er. Klar, der Frauenmarkt ist stärker umkämpft.
    Bei ihnen gelten viel strengere Schönheitskriterien, sie sind mit 30 meist schon zu alt und müssen auf 14-Zentimeter-Hacken laufen können. Dafür verdienen sie mehr. Eine Fashion Week aber - die wirft für kein Model viel ab, manchmal gar nichts: Wenn es hochkommt 300 Euro. Dafür gibt es viel Aufmerksamkeit. Vielleicht bucht einen der Designer für eine große Werbekampagne, die pro Tag locker das Zehnfache einbringen kann.
    "Durchbruch ... für mich persönlich die Geschichten im Ausland. Ich hab das Cover für die GQ Style geschossen in Istanbul. Das erste Cover und bisher mein letztes. Ja, solche Sachen ... Werbespots ... im Ausland, das sind coole Erfahrungen."
    Modeln ist harte Arbeit
    Für den Erfolg muss Philip viel investieren: penibel auf die Ernährung achten, fast jeden Tag zum Sport gehen. Zeit für Privates bleibt kaum. Modeln ist auch harte Arbeit mit vielen Überstunden.
    "Man hat nicht viel gegessen dazwischen, es gab nicht viele Pausen, dann ist man mit dem Zug angereist, muss wieder zurückkommen ... also das ist schon sehr anstrengend. Da muss man sehen, dass man alles organisiert bekommt, dass man pünktlich ist... Man muss sich auch immer bewusst machen, dass man, wenn man nicht funktioniert auch die Produktion nicht funktioniert, die Produktion kostet Geld... da hängt auch viel dran."
    "Wo geht's jetzt hin?" "Jetzt geht´s zu BRACHMANN. Ich glaube das ist um die Ecke. Da kommt auch gerade ein Kumpel.... Wo geht Ihr hin? Zu Brachmann?" "Spät dran oder?" "Ja..."
    Ruheloser Alltag
    Ohne Pause mit Gepäck von A nach B - durch eine fremde Stadt. Philip Deml hat mehrere Castings am Tag, die sich zeitlich überschneiden. Ob er gebucht wird, das erfährt er meistens kurzfristig. Der aufregende, ruhelose Alltag gefällt dem 23-Jährigen. Nebenbei studiert er noch Wirtschaft und trainiert für einen Marathon. Irgendwie kriegt er das hin.
    Beim nächsten Casting des jungen Labels BRACHMANN geht es familiärer zu. Philip soll verschiedene Teile der Kollektion anprobieren und wird darin fotografiert. - Auch wenn er einen perfekten Körper hat - es passt nicht alles.
    "Schuhgröße variiert ... 44, 45 in dem Bereich ..." "Lass mal 43 probieren." "Würde auch gehen." "Passen nicht immer die Schuhe?" "Nö, hab auch schon in 41 gearbeitet und hatte danach blaue Füße (lacht)."
    Auch die Hose sitzt nicht auf Anhieb, trotzdem kommt Philip gut an. Designerin Jennifer Brachmann zupft sie zurecht und improvisiert mit Nadel und Faden.
    "Also die funktioniert auf jeden Fall, wenn wir die Hose schmaler machen... Ja, sieht alles gut aus."
    Philip hat für die Designerin schon mal gearbeitet - ein Vorteil. Am Ende aber wird sie ihn trotzdem nicht nehmen. Das Model ist für die schmalen Oberteile doch eine Spur zu breit gebaut. Das weiß Philip jetzt aber noch nicht. Auch nicht, dass es dafür bei GRAZIA geklappt hat. Die Jury von heute morgen wird ihn später anrufen und buchen.