Hühner mit Klumpfüßen und struppigem Gefieder, zwei Pferde, die eigentlich auf der Schlachtbank landen sollten, zwei verzogene Hunde und zwei scheue Katzen. Was sich anhört wie ein Gnadenhof gehört im weitesten Sinne mit zum Atelier der Designerin Anne Gorke.
"Wir sind hier auf dem Land. In der Nähe von Plau am See."
Die gebürtige Weimarerin ist vor zwei Jahren auf einen großen Bauernhof in Mecklenburg-Vorpommern gezogen.
"Deshalb bin ich hier, weil du so viel Weite hast. Gucken, ohne andere Menschen zu sehen. Das brauche ich, um zur Ruhe kommen zu können. Um mich konzentrieren zu können. Stadt und Menschen lenken mich eher ab."
"Sind Stadt und Menschen nicht inputreich?"
"Ja, aber nicht für mich. Kein guter Input, Filter fehlen."
"Sind Stadt und Menschen nicht inputreich?"
"Ja, aber nicht für mich. Kein guter Input, Filter fehlen."
Die 33-Jährige hält es also wie viele Schriftsteller. In der Einöde gibt es keine Reizüberflutung und das kreative Auge kann sich auf das Wesentliche konzentrieren. Zum Beispiel auf einen Essigbaum, der mitten auf dem Hof steht. Dieser eher kleine Baum mit buschartiger, breiter Krone war Annes Inspiration zu der Herbst-Winterkollektion, die sie morgen bei der Fashion Week zeigt.
Ihre Ideen bringt Anne Gorke an einem ganz besonderen Ort zu Papier.
"Das passiert im Bauwagen ... warte ich muss noch Holz mit rein nehmen."
Ein Bauwagen, silberfarbenes Blech, vier große Fenster, ein Ofen. An einem Ende steht Annes Schreibtisch, am anderen Ende ein Bett. Dazwischen ein paar Kleiderstangen und Puppen. Die Nähmaschine steht unterm Tisch?!
"Alle Näharbeiten fürs Label werden von Schneidermeisterinnen gemacht. In Berlin und Bayern."
Sie sei nicht so gut im Nähen verrät die Designerin. Vielleicht hat es damit zu tun, dass Anne gar kein Modedesign studiert hat. Alles selbst beigebracht – die Basis war ein Studium der Medienkultur an der Bauhaus-Uni in Weimar.
Seit 2012 gibt es das Label "Anne Gorke": Ihre Schnitte sind gradlinig, die schwere Mantelweste aus einem blauen Walkstoff wirkt fast schon militärisch streng. Die Kurzjacke aus plüschigem Teddyfell hat eine kastenartige Form. Die Farben der neuen Kollektion: Blau- und Rottöne. Rüschen gibt es bei Anne Gorke keine. Sie hält auch nichts von flatternden Gewändern. Der Essigbaum im Herbst als Inspiration dieser Kollektion kommt also nur in Motiv und eben Farbwahl der Stoffe zur Geltung. Außerdem ist "Anne Gorke" ein nachhaltiges Label. Dazu gehört bei den Stoffherstellern nachzufragen, ob sie den Produktionsweg darlegen können. Das ist mühselig, aber sie findet dadurch kleine Familienbetriebe. Außerdem schließt sie von vorneherein ökologisch fragwürdige Materialien aus.
"Paillettenstoffe, alles, was Stickereien hat, da ist die Gefahr zu groß, dass es mit Kinderarbeit gefertigt wurde. Grundsätzlich Stoffe, die einen Produktionsschritt in Asien haben. Vor allem wenn der Schritt Ausrüstung oder Färbung ist."
Trotz ihrer großen Tierliebe und ihres absoluten Verzichts von Daunen, ist sie aber keine vegane Designerin. Anne verarbeitet hin und wieder Leder. Das kommt von Almrindern aus Süddeutschland, ein kleiner Hinkefuß in ihrem Konzept, Anne sieht das anders.
"Wenn das kleinere Betriebe sind, die das lange machen und die das machen mit Respekt vor dem Tier und dem Material, dann sehe ich da kein Problem. Weil Kühe sind dafür domestiziert worden."
Bedachter und sehr eingeschränkter Konsum ist also ihre Philosophie. All das macht die Kleidung der Designerin nicht preisgünstig. Ein Kleid um die 300 Euro. Die meisten Einkäufer, besonders die größerer Häuser, setzen auch lieber auf bekannte Namen. Um die 10.000 Euro investiert Anne Gorke in jede Show. Ein finanzielles Risiko, das sich aber langsam auszahlt: Anne Gorke ist dem Insider inzwischen ein Begriff.
"Wir merken auch jetzt im Vertrieb – also in den letzten zwei Saisons hat angefangen sich stärker abzuzeichnen, dass die Menschen den Labelnamen kennen. Und auch fragen: Anne Gorke, ja, von der Fashion Week, ne?"