
Wenn es draußen so richtig regnet, wird von Dächern und Fassaden eine Menge Dreck heruntergespült. Doch oftmals ist es mehr als einfach nur Dreck. Besonders, wenn eine Hausfassade frisch gestrichen ist, gelangt ein ganzer Cocktail chemischer Substanzen in die Erde und damit ins Grundwasser. Denn die neue Farbe auf der Fassade enthält bis zu 20 verschiedene Bestandteile, von denen einige im Wasser gelöst werden. Dazu gehören bei den meisten Fassadenfarben auch Biozide – sogenannte Filmschutzmittel.
"Wir unterteilen die in Algizide, das sind die Wirkstoffe, die gegen die Algen auf der Fassade wirken, und in Fungizide, das sind die gegen die Pilze wirken, und weil ich in einer Farbe quasi Schutz gegen Algen und Pilze erzielen möchte, muss ich immer zwei, drei, vier Wirkstoffe in Kombination einsetzen",
erklärt der Geowissenschaftler Michael Burkhardt von der HSR Hochschule für Technik im Schweizerischen Rapperswil. Seit Jahren schon untersucht er, wie Biozide in den Häuserfassaden wirken und was bei Regen genau passiert. Das Problem: Die Biozide töten nicht nur Algen und Pilze an der Fassade – sie gefährden auch die Organismen im Boden und im Grundwasser.
"Die Wirkstoffe liegen zunächst in dem gesamten Putz von beispielsweise zwei Millimeter Dicke vor, aber die Algen, die sind nur oben. Das heisst, aus der Tiefe des Putzes gelangen allmählich die Stoffe mit der Feuchtigkeit an die Oberfläche, und wenn nun der Regen auftrifft, werden die Biozide abgewaschen."
Das passiert besonders stark, wenn ein Haus neugebaut oder neuverputzt ist, da gelangt die meiste Feuchtigkeit an die Fassadenoberfläche. Mit ihr kommen hochkonzentriert die Biozide, von denen der Regen anfangs einige Milligramm pro Liter wegspült. Um diese Menge möglichst klein zu halten, verpacken einige Hersteller ihre Wirkstoffe in winzige Polymerkügelchen. Dadurch gelangen die Stoffe nicht so schnell an die Oberfläche der Fassade und wirken dauerhafter gegen Algen und Pilze an der Hauswand. Doch ob diese sogenannte Mikroverkapselung auch die Organismen im Boden und Grundwasser schützt, war bislang offen. Das hat jetzt der Biologe Etienne Vermeirssen vom Schweizerischen Zentrum für angewandte Ökotoxikologie im direkten Vergleich an Proben von Fassadenwasser untersucht. Sie enthielten das Algizid Terbutryn sowie Breitbandbiozide, jeweils in freier und verkapselter Form.
"Wir haben gearbeitet mit Algen, das sind Primärproduzenten, wir haben gearbeitet mit Daphnien, das sind Primärkonsumenten, das sind Organismen, die zum Beispiel die Algen essen, Daphnien sind Wasserflöhe. Wir haben gearbeitet auch mit Bakterien, auch das sind wichtige Organismen in der Umwelt, das sind Organismen, die organisches Material abbrechen können, und wir haben auch nicht nur diese Biotests gemacht mit Wasser, sondern auch im Boden getestet, wir haben Regenwürmer benutzt und auch Springschwänze."
Nach den Versuchen war Vermeirssen überrascht, denn den beiden Bodenbewohnern machten die Giftstoffe gar nichts aus. Anders jedoch bei den Wasserlebewesen: Dort schädigte das Fassadenwasser nach dem ersten Auswaschen am meisten die Grünalgen. Wenngleich der Effekt bei den verkapselten Bioziden weniger stark ausfiel, waren sie kaum noch zur Photosynthese fähig und konnten sich nicht mehr vermehren. Nicht ganz so schlimm erging es den Wasserflöhen – in den Proben mit verkapselten Bioziden konnten sich noch einige vermehren, und nur wenige starben. Die dritte Gruppe waren Leuchtbakterien. Auf sie wirkte das Wasser mit verkapselten Bioziden etwa zehn Mal weniger giftig als die Vergleichsprobe.
Vermeirssen: "Wenn man die gleichen Mengen Biozide einsetzt da in der Fassade, aber sie sind verkapselt, dann kommt am Anfang viel weniger dieser Toxizität nach draussen ins Wasser rein."
Generell wurde im Laufe des Versuchs immer weniger ausgewaschen, die Toxizität ließ nach und war bei den verkapselten Bioziden etwa drei- bis zehnfach geringer. Das klingt vielversprechend. Trotzdem richten auch geringe Mengen Biozide Schaden im Grundwasser an. Man müsse solche verwenden, die schneller abgebaut werden, raten die Forscher. Und durch Baumassnahmen wie überstehende Dächer könne man die Fassaden auch vor Nässe und damit vor Algen- und Pilzbefall schützen.