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Fassbinders "verwöhnter Schweizer"

Daniel Schmid studierte immer noch, als der von der Filmakademie abgewiesene Rainer Werner Fassbinder seinen Film "Liebe ist kälter als der Tod" herausbrachte. Der ärgerte seinen Freund Schmid damit: "Was machst du in der blöden Schule? Das ist ja nur eine Ausrede, weil du keine Filme machen willst, auch nicht kannst und nicht möchtest, weil du ein verwöhnter Schweizer bis." Doch Daniel Schmid hat es geschafft, und ist früh in der Nacht auf Sonntag mit 64 Jahren gestorben.

Von Josef Schnelle |
    "A smugglers Life" - Das Leben eines Schmugglers, so nannte Daniel Schmid seine Autobiografie, die erst von ein paar Jahren erschienen ist. Es ist eine ungewöhnliche Autobiografie, ein Buch ohne Worte. Die Bilder seines Lebens hat er darin versammelt: Photographien seiner Lebensstationen - zusammen mit Fassbinder auf dem roten Teppich von Cannes, das Hotel der Eltern, Begegnung mit Bertolucci, Filmbilder, Vorbilder wie Douglas Sirk und Erich von Stroheim, außerdem jede Menge Fundstücke: Postkarten, Kinderzeichnungen, Schnappschüsse seltsamer Augenblicke.

    Das Titelphoto aber gehört Ingrid Caven. In ihrem Mundwinkel eine Zigarette. Sie schaut in den Spiegel und aus dem kreisrunden Spiegel zurück. Ein Filmbild aus "La Paloma" Schmids frühem Meisterwerk von 1974. Und die Geburtssekunde eines Leinwandmythos. Ingrid Caven ist Leinwandgöttin und Zitat aller Filmdiven zuvor. Nicht sich selbst platzierte Daniel Schmid auf den Titel, sondern diejenige seiner Schöpfungen auf die er besonders stolz ist: auf die Leinwandikone Ingrid Caven. Mit ihr drehte er fünf Filme und inszenierte 1978 ihr Pigalle-Soloprogramm.

    Der Mann der in ihr alle verehrungswürdigen Frauen verkörpert sah, liebte in Wahrheit Männer - unter anderen, den Mann mit dem Ingrid Caven verheiratet war: Rainer Werner Fassbinder. Die Freundschaft mit der Zentralfigur des Neuen Deutschen Films geht zurück in die 60er Jahre, als beide sich um die Aufnahme an die eben gegründete Berliner Filmhochschule DFFB bewarben. Fassbinder wurde abgelehnt. Daniel Schmid gehörte wie zum Beispiel auch Wolfgang Petersen zur allerersten Absolventengeneration der Hochschule. Daniel Schmid ist in der Schweiz geboren, in Flims in Graubünden, wo er nun mit 64 Jahren auch gestorben ist. Doch als Filmemacher gehörte er ganz zu den Kinorebellen des Neuen Deutschen Films. Wie Rainer Werner Fassbinder zu dessen Family er zählte. Daniel Schmid trat in mehreren Fassbinderfilmen auf und entwickelte mit Fassbinder gemeinsame Projekte, begab sich aber nie in eine vollkommene Abhängigkeit zu dem berüchtigten Fassbinder-Clan. 1976 drehte er "Schatten der Engel", die Verfilmung von Fassbinders Theaterstück: "Der Müll, die Stadt und der Tod". Bevor der Film im Festivalkino von Cannes uraufgeführt werden konnte, kam es zum Skandal. Die israelische Delegation reiste ab, schließlich galt schon Fassbinders Stück als antisemitisch. Den Film hatten sie nicht gesehen. Daniel Schmid hatte den Stoff völlig verändert zum Melodram mit Ingrid Caven und Fassbinder selbst in den Hauptrollen. Der besondere Stil von Daniel Schmid ist die Sanftheit seiner Provokationen beschreiben. Und doch steckt in jedem Film ein Stachel, manchmal bemerkt man ihn zunächst kaum, er ist sozusagen hineingeschmuggelt. Schmids Filme handeln fast immer von großen Gefühlen, vom Kino als Imitation des Lebens. Daher die Bewunderung für Douglas Sirk, den Meister des Hollywoodmelodrams, über den Schmid 1983 auch einen Film gedreht hat. Inzwischen löste sich der Neue Deutsche Film in viele vereinzelte Weltkarrieren auf. Daniel Schmid lebte in Paris und dachte zurück an die Kinderzeit als künftiger Hotelerbe in der Schweiz. 1993 drehte er seinen reifsten Film "Zwischensaison". Über der nostalgischen Geschichte in einem leer stehenden Luxushotel schwebt eine Atmosphäre des Stillstandes. Daniel Schmid drehte inzwischen große Produktionen mit Weltstars wie Gerard Depardieu und Samy Frey. Sein größter Erfolg sollte aber ein kleiner Film werden. Der Dokumentarfilm "Der Kuss der Toska" beschreibt ein Altersheim für Opernsänger in Mailand, das von Guiseppe Verdi gegründet worden war. Ein mitreißender Film voller Gesang, menschlicher Wärme und nostalgischer Bewunderung. Die Botschaft: Das wahrhaft Schöne ist unvergänglich. Mit diesem Film verwies Daniel Schmid auch auf seine zweite Karriere als Opernregisseur in Genf und Zürich. Inzwischen wieder ganz Schweizer - mit Retrospektiven und Ehrungen gefeiert - holte er zum großen Schlag aus. "Beresina oder die letzten Tage der Schweiz" putscht eine Untergrundarmee und macht die Schweiz zur Monarchie. Dumm nur, dass die neue Königin der Schweiz eine russische Prostituierte ist. Die sarkastische bitterböse Komödie mit einer wahnwitzigen Krönungszeremonie zum Schluss sollte der letzte Film des Daniel Schmid werden.