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Fast vorbereitet auf den Ansturm der Fußballfans

In Lviv, dem alten Lemberg, ging die infrastrukturelle Vorbereitung für die EM nur sehr langsam voran. Am ersten Spielort der deutschen Mannschaft blockierten sich Stadtverwaltung und der örtliche Oligarch gegenseitig. Am Ende setzte sich die Stadtverwaltung durch. Und musste viele ihrer Pläne zu den Akten legen.

Von Ernst-Ludwig von Aster | 06.06.2012
    Jakob Lauesen holt seinen Laptop aus dem Rucksack. Schiebt ein paar Papierstapel zur Seite. Quetscht sich an einen Ecktisch im vierten Stock des alten Rathauses von Lviv. Heute Morgen ist er aus Dänemark in die Ukraine geflogen. Jetzt hat er es sich im Vorzimmer von Oleg Zasadny bequem gemacht, dem städtischen Organisationschef der Europameisterschaft.

    Die beiden Sekretärinnen schmunzeln, sie kennen das schon. Der junge Däne kommt einfach vorbei, wenn er in der Stadt ist. Auch wenn er keinen Termin hat. Lauesen plant das dänische Fan-Camp vor den Toren der Stadt.

    Oleg Zasadny stürmt zur Tür herein. Grüßt kurz seine beiden Sekretärinnen, schüttelt dem dänischen Fan-Beauftragten die Hand, vereinbart schnell einen Termin für den nächsten Morgen. Dann bittet Zasadny in sein Büro. Legt einen abgegriffenen Notizblock mit dem Euro 2012-Aufkleber auf den Tisch.

    "Wir haben hier zwei Arten von Plänen. Einen optimistischen und einen realistischen. Natürlich war die Frage, wie optmistisch wir sein können. Die Städte in der Ukraine sind nicht sehr reich, darum haben wir nur sehr begrenzte Mittel."

    Zasadny lächelt gequält. Vor vier Jahren hat er an diesem Tisch noch die optimistischen Planungen erläutert. Die heute von den realistischen eingeholt wurden.

    "In der optimistischen Version hatten wir eine Straßenbahn zum Stadion geplant. Heute wissen wir, das war zu optimistisch. Wir wollten eine Autobahn bis zur polnischen Grenze bauen. Dann kam die Wirtschaftskrise. Nicht nur bei uns, in der ganzen Welt. Da wollte niemand mehr investieren. Aber immerhin haben wir die Straße bis zur Grenze verbessert. Da kann man jetzt reisen. Wir liegen doch nur 80 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt, da ist das nicht so kritisch."

    Dafür steht jetzt ein neues Stadion am Stadtrand. Das wurde doppelt so teuer wie geplant, kostete am Ende 220 Millionen Euro. Auch ein neuer Flughafen wartet auf Besucher. Einige Straßen sind renoviert. 1200 Schilder zur Orientierung in der ganzen Stadt angebracht. Mehr konnte die Stadt nicht finanzieren. Und mehr wollte die Regierung in Kiew nicht bezahlen. Ein wenig Unterstützung kam noch aus Deutschland: Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit half bei der Infrastrukturplanung und der Entwicklung eines Tourismuskonzepts.

    "Wir rechnen mit 12.000 bis 15.000 ausländischen Touristen pro Spiel. Aber es werden auch sehr viele Fans aus der Ukraine kommen. Bei uns ist Fußball doch die Sportart Nummer eins. Und nicht jeder von uns hat die Möglichkeit eine Europameisterschaft oder eine Weltmeisterschaft im Ausland zu erleben. Und jetzt findet so etwas hier in der Stadt statt. Da geht man aus dem Haus und ist mittendrin ..."

    Europameisterschaftsstimmung vor der Haustür. Davon werden alle in Lviv profitieren, da ist sich Zasadny sicher. Und auch der neue Flughafen wird sich langfristig für die Stadt bezahlt machen. Dass von dort allerdings viele Ukrainer zu den Viertel- und Halbfinalspielen nach Polen fliegen, kann er sich nicht vorstellen. Denn während Westeuropäer visafrei in die Ukraine reisen, braucht jeder Ukrainer für den Weg nach Westen eine Einreisegenehmigung.

    "Es wäre schön, für das Viertel- oder Halbfinale nach Polen zu reisen. Wir sind doch ein Teil Europas. Und wir würden uns auch gerne so fühlen. Einfach mal losfahren, um Freunde in Polen und Deutschland zu besuchen, einfach so. Und nicht erst zwei, drei Wochen vorher einen Visa-Antrag stellen zu müssen. Aber so ist es nun mal. Und das müssen wir akzeptieren."

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