"Man muss gucken, welche Veränderungen in einem so vorgehen. Fasten ist nicht per se etwas Gutes! Ich glaube, dass der bewusste Verzicht oder das Bewusste tun - wenn das Fastenvorhaben gut gewählt ist - , dass man sich selber besser kennenlernt. Aber niemand übernimmt die Gewähr dafür, dass es auch wirklich gut wird. Man kann ja auch sehr dünnhäutig und reizbar werden", sagt Frank Hofmann, Chefredakteur des Ökumenischen Vereins "Andere Zeiten" aus Hamburg.
Kleine Veränderungen, große Folgen
Seit fünf Jahren leitet der Theologe die publizistische Sparte des Vereins, der vor allem kirchenferne Menschen ansprechen will. Die Fasten-Aktionen sind sein Metier. Der Verein vernetzt Interessierte – sei es auf Facebook oder über eine Website, verschickt Fasten-Briefe. Aus den Rückmeldungen spricht mitnichten nur die von Fastenfans gepriesene Glückhormonausschüttung. Hofmann erzählt:
"Wir haben Fälle von Fastenden, die sich darüber beklagen, dass sich ihre Lebensumstände danach zum Schlechteren verändert haben. Wir haben so einen Fall: Die Frau verzichtet abends auf Fernsehen und die Tüte Chips, die sonst in der Ehe üblich war. Und nach sieben Wochen stellt sie fest, dass sie mit ihrem Mann eigentlich nicht mehr viel Gemeinsamkeiten hat. Und sich gar nicht mit ihm über die Bücher unterhalten kann, die sie gelesen hat, während der Mann fern gesehen hat. Also Fasten kann ganz unterschiedliche Dinge bewirken – es will vorher ganz gut überlegt sein. Man sollte auch beim kleinen Veränderungen bedenken, dass sie große Folgen haben können."
Bloß nicht übernehmen
Für Paarbeziehunge kann Fasten also riskant sein. Hilfreich kann es sein, wenn mehr als zwei versammelt sind und sich Fastengruppen bilden, entweder ganz klassisch analog in Gemeinden oder digital im Internet. Gruppendynamik motiviert, Gruppendruck schadet.
"Ich glaube, dass man nur dann selbstbestimmt leben kann, wenn ich bewusst entscheide, wo mache ich mich fest und wo löse ich mich", sagt Hofmann." Da ist die Fastenzeit ein ganz einfaches Mittel um einfach auszuprobieren, was passt zu mir. Wo fühle ich mich gut bei, wo kann ich mich weiter entwickeln. Wo erkenne ich den Sinn, der mit meinem Dasein verbunden ist."
Mathias Lemme, evangelischer Pastor in Hamburg-Ottensen, sagt: "Erst mal muss ich sagen, dass ich selber überhaupt kein Held bin, was Fasten angeht. Ich überleg mir das jedes Jahr und es ist schon lange her, dass ich überhaupt sowas wie Alkohol oder Schokolade oder sowas überhaupt gemacht habe. Ich werde in den nächsten sieben Wochen noch besonders drauf achten – die Sache mit Mails und mit den Handys, mit den Smartphones. Da bin ich ziemlich abhängig geworden, das gebe ich zu und das ärgert mich immer mehr."
Digitale Askese
Der Pastor möchte die Sonntage E-Mail-frei halten. Er versucht Kommunikationspausen auf dem Smartphone einzurichten.
"Wie soll ich sagen, ich bin da total verführbar. Und jetzt versuche ich das in diesen sieben Wochen so diszipliniert wie möglich zu machen. Ohne den Anspruch, dass ich das jetzt komplett schaffe", sagt Lemme.
Der Sinn der Übung mit der digitalen Askese: Mehr Zeit für sich selbst gewinnen und die Kinder. Seine Frau ist übrigens auch dabei.
"… die freut sich sehr darüber. Aber die muss das auch üben. Von daher gucken wir da auch ein bisschen aufeinander."
Laut aktuellen Umfrage der Krankenkasse DAK hat die Bereitschaft, zeitweise auf Alkohol oder Süßigkeiten zu verzichten, deutlich zugenommen. Bekundeten vor acht Jahren 53 Prozent der Deutschen die Bereitschaft, auf Genussmittel oder Konsumgüter für eine gewisse Zeit zu verzichten, sind es gemäß der neuesten Umfrage 63 Prozent. Längst nicht alle sind religiös motiviert.
Auch Verbrecher fasten in der Bibel
Frank Hofmann vom Verein "Andere Zeiten": "Ich glaube, dass in letzter Zeit sehr zugenommen hat , gesellschaftspolitische Gründe: Also zum Beispiel, Verzicht auf Plastikverpackungen. Bewusste Entscheidungen für regionale Produkte, für Bio-Produkte, für vegane Ernährung. Die Sachen haben in den letzten fünf Jahren ganz klar zugenommen. Wobei das Fasten da mehr ein Ausprobieren ist. Wie geht das? Kann ich eigentlich auf alles verzichten – geht das ohne Plastikverpackungen?"
Wer bibelfest ist, weiß ohnehin dass Fasten und Askese einen Menschen nicht automatisch besser machen.
"Schon in der Bibel ist uns in der Apostelgeschichte ein Beispiel überliefert, wo sich Verbrecher durch Fasten auf einen Mord vorbereiten. Also Fasten ist eine Praxis, die den Menschen irgendwie verändert, aber nicht unbedingt zum Guten."