"Und Du die Kirche? Okay. Herr Dr.Gliesmann macht die Kirche, und ich mach' den Neubauteil dann, ja? Dann nimmst Du vielleicht den ersten Teil mit den Räumen und ich nehme den zweiten Teil, wie das räumlich am Besten passt, und dann tauschen wir uns da drinnen. Genau. Und diejenigen, die den Neubauteil sehen und hören wollen, die kommen mit mir mit."
Brandneu ist der Neubauteil; der sich anschließende Karl-Band-Bau aus den 1950er-Jahren, die Kirche St. Cäcilia von 1160. Das lässt sich gut aufteilen zwischen der kommissarischen Direktorin Dr. Dagmar Täube und den Kustoden Dr. Niklas Gliesmann und Dr. Manuela Beer. Und während in dem lichtdurchfluteten Neubau mit seiner schillernden Buntheit durch die hoch- und mittelalterlichen Glasmalereien die Direktorin den ersten Besuchern ihr Konzept erläutert,
"Wir bieten einen frischen Blick auf das Mittelalter. Wir zeigen, dass das Mittelalter durchaus lebendig ist und dass es viele Wurzeln unserer Kultur gibt, die man auch heute noch nachvollziehen kann und die sich auch heute noch in unser Leben einflechten, ohne dass wir es vielleicht bemerken."
haben die Menschen auf dem Platz davor ihre eigene Vorstellung von Mittelalter:
"Mittelalter? - Entwicklung der Kulturen, diese barbarischen Kriege in Europa. Gott sei dank kam daraus die Trennung von Staat und Kirche. - Oh Gott, Mittelalter! - Ich denke vielleicht an Menschen, die anders gedacht haben, als wir es tun."
"Die Ängste, die Nöte, die Sorgen, die Hoffnungen, die großen Fragen an das Leben überhaupt. Wie geht man mit dem Tod um? Wie feiert man Feste? Welche kultischen Handlungen habe ich? All diese Dinge haben alle Menschen bewegt, zu allen Zeiten, in allen Kulturen. Und im Mittelalter gab es vielleicht andere Antworten auf diese Fragen. Und das soll uns vielleicht anregen, einmal über unsere eigenen Fragen und Antworten nachzudenken."
"Wir gehen ja davon aus, dass das Mittelalter auf jeden Fall negativ zu bewerten ist und es lohnt sich darüber nachzudenken. Und so gesehen ist diese Gegenwelt des Mittelalters durchaus interessant zu wissen, auch heute. - Mittelalter! Da ist eine Dominanz der Kirchen. - Dass die Frauen nichts zu sagen hatten. - Folter. - Ich denk' vielleicht noch an die andere Garderobe, an andere Kleidung. Und jetzt gehen wir wieder ins Neualter. Tschö!"
Der Bezug zur Neuzeit ist Dagmar Täube wichtig. Sie will Brücken schlagen zu den Besuchern heute:
"Viele Dinge wissen wir ja gar nicht mehr. Das geht ja bis hinein in viele Redensarten, zum Beispiel die Redensart "jemanden im Stich lassen". Das kommt natürlich aus der alten Ritterkultur, dass man einen verwundeten Ritter nicht in dieser Wunde liegen lassen sollte, sondern dass der Knappe die Aufgabe hatte, ihn herauszuziehen, damit er nicht weiter verwundet werden konnte oder das "unter die Haube kommen". Für verheiratete Frauen im Mittelalter war es üblich, eine Haube zu tragen. All das sind solche Redensarten, die heute zuhauf noch benutzt werden. Dann gerade in einer Stadt wie Köln: Die Architektur ist an jeder Stelle noch nachvollziehbar. Wir haben einen wunderbaren Bestand an Kunstwerken, wo wir viele Dinge noch erkennen können."
Im Mittelalter ist Köln in Deutschland die größte und reichste Stadt. Davon zeugen nicht nur aufwändige Bauten. Wohlhabende Bürger schmückten die Fenster ihrer stattlichen Häuser mit bunten Glasmalereien und stifteten in der Hoffnung auf ein himmlisches Leben den Kirchen kostbare Preziosen.
Alexander Schnütgen musste im 19.Jahrhundert nicht lange suchen. Er fand seine Sammlung quasi vor der Haustür.
"Alexander Schnütgen war Domkapitular. Von 1843 bis 1916 hat er gelebt. Er hat die Sammlung zusammengetragen, vielfältigste Stücke, rund 10.000 Stücke gehörten zur Ursprungssammlung, die er alle in seiner Wohnung gelagert hat. Ich sage immer, wäre er verheiratet gewesen, wäre diese Sammlung niemals zustande gekommen. Glücklicherweise war er Domkapitular. Er hat diese Sammlung in seinen Räumlichkeiten aufbewahrt und als es keine Möglichkeit mehr gab hat er sie der Stadt Köln geschenkt mit der Auflage, dass sie ausgestellt werden. Und 1906 ist die Sammlung geschenkt worden und 1910 sind die ersten Pforten des Anbaus für das Museum Schnütgen, am Hansaring damals noch, ein Anbau an das Kunstgewerbemuseum, eröffnet worden."
In der Zwischenzeit hat sich viel geändert. Die Sammlung ist gewachsen. Die Glasmalerei feiert eine farbenfrohe Auferstehung aus dem Depot und präsentiert sich den Besuchern auf Augenhöhe. Das Tympanon der heiligen Cäcilie - also der Reliefgiebel - zeigt vorn die in Stein gemeißelten Figuren, auf der Rückseite erkennen die Besucher das mittelalterliche Recycling: Ein römischer Grabstein wurde zweckentfremdet. Liturgische Textilien sind zu sehen, überreich verziert mit Gold- und Seidenfäden und natürlich Skulpturen.
"Gerade die Skulpturen, die wir haben, die über viele Jahrhunderte Mittler des Glaubens waren, wo die Menschen ihre Kraft hereingesteckt, ihre Hoffnungen hereingesteckt haben, diese Skulpturen sind im Prinzip immer noch aufgeladen mit dieser Ausstrahlung, mit dieser Aura. Und jeder, der sich auf dieses Abenteuer einlässt und sich wirklich darauf einlässt, in den Dialog zu treten mit diesen Stücken wird etwas davon spüren können; und zugleich erfahren wir viel über das Leben in dieser Zeit."
Kuriose Dinge bietet der Studienraum: Schnütgen hat alles mögliche gesammelt, darunter viel Kleinkram: Bordüren, winzige Reliquien, Stickereien, jetzt vereint in Schubladen, die die Besucher herausziehen können. Manuela Beer:
"Ich darf Ihnen noch in dieser Schublade etwas ganz besonderes zeigen Wir haben hier einen Schubladenzug dem Thema des kleinen Andachtsbildes gewidmet."
Manuela Beer öffnet eine Schublade.
"Ich zeig' Ihnen hier gerade auf der linken Seite die sogenannten Schluckbilder. Auf den ersten Blick wirkt das wie ein Briefmarkenbogen; und ganz ähnlich wurde es auch gebraucht. Man konnte mit der Schere oder dem Messer einzelne Bildchen heraustrennen, die zeigen in der Regel Maria, Christus oder Heilige oder auch nur das Christogramm. Und diese Bildchen wurden bei vielerlei Ungemach verwendet, also bei Krankheit nahmen die Menschen das zu sich, sei es in Wasser aufgelöst oder direkt auf der Zunge und man mischte sie auch gerne dem Vieh ins Futter. Gab es Probleme mit dem Kalben der Kuh oder anderen Dingen. Es war eine geistige Hausapotheke, wozu man dieses Schluckbildchen verwenden konnte."
"Der Glaube versetzt bekanntlich Berge" - wie der Volksmund schon immer wusste, was für die ein oder andere alternative Heilmethode auch heute noch gelten mag. So schließt sich der Kreis zwischen Mittelalter und Moderne.
Das Museum Schnütgen - und darauf ist Dagmar Täube besonders stolz - spielt in der ersten Liga und arbeitet zusammen mit dem Musée de Cluny in Paris, mit dem Metropolitan Museum in New York oder auch dem Victoria and Albert Museum in London. Im Ausland hoch geschätzt - hierzulande kaum bekannt, zu unrecht, meint die kommissarische Direktorin, werde die eigene Geschichte oft vergessen.
"Es sind unsere kulturellen Wurzeln, und wir gehen davon aus, dass es ganz wichtig ist, dass man seine eigene kulturelle Identität kennt, um sich für neue Kulturen öffnen zu können. Und damit sind wir am Puls der Zeit. Es gibt kein wichtigeres Thema als die Verständigung die gegenseitige, den gegenseitigen Respekt der Kulturen untereinander, und auch dafür müssen wir erst mal wissen, wer wir sind und woher wir kommen."
Brandneu ist der Neubauteil; der sich anschließende Karl-Band-Bau aus den 1950er-Jahren, die Kirche St. Cäcilia von 1160. Das lässt sich gut aufteilen zwischen der kommissarischen Direktorin Dr. Dagmar Täube und den Kustoden Dr. Niklas Gliesmann und Dr. Manuela Beer. Und während in dem lichtdurchfluteten Neubau mit seiner schillernden Buntheit durch die hoch- und mittelalterlichen Glasmalereien die Direktorin den ersten Besuchern ihr Konzept erläutert,
"Wir bieten einen frischen Blick auf das Mittelalter. Wir zeigen, dass das Mittelalter durchaus lebendig ist und dass es viele Wurzeln unserer Kultur gibt, die man auch heute noch nachvollziehen kann und die sich auch heute noch in unser Leben einflechten, ohne dass wir es vielleicht bemerken."
haben die Menschen auf dem Platz davor ihre eigene Vorstellung von Mittelalter:
"Mittelalter? - Entwicklung der Kulturen, diese barbarischen Kriege in Europa. Gott sei dank kam daraus die Trennung von Staat und Kirche. - Oh Gott, Mittelalter! - Ich denke vielleicht an Menschen, die anders gedacht haben, als wir es tun."
"Die Ängste, die Nöte, die Sorgen, die Hoffnungen, die großen Fragen an das Leben überhaupt. Wie geht man mit dem Tod um? Wie feiert man Feste? Welche kultischen Handlungen habe ich? All diese Dinge haben alle Menschen bewegt, zu allen Zeiten, in allen Kulturen. Und im Mittelalter gab es vielleicht andere Antworten auf diese Fragen. Und das soll uns vielleicht anregen, einmal über unsere eigenen Fragen und Antworten nachzudenken."
"Wir gehen ja davon aus, dass das Mittelalter auf jeden Fall negativ zu bewerten ist und es lohnt sich darüber nachzudenken. Und so gesehen ist diese Gegenwelt des Mittelalters durchaus interessant zu wissen, auch heute. - Mittelalter! Da ist eine Dominanz der Kirchen. - Dass die Frauen nichts zu sagen hatten. - Folter. - Ich denk' vielleicht noch an die andere Garderobe, an andere Kleidung. Und jetzt gehen wir wieder ins Neualter. Tschö!"
Der Bezug zur Neuzeit ist Dagmar Täube wichtig. Sie will Brücken schlagen zu den Besuchern heute:
"Viele Dinge wissen wir ja gar nicht mehr. Das geht ja bis hinein in viele Redensarten, zum Beispiel die Redensart "jemanden im Stich lassen". Das kommt natürlich aus der alten Ritterkultur, dass man einen verwundeten Ritter nicht in dieser Wunde liegen lassen sollte, sondern dass der Knappe die Aufgabe hatte, ihn herauszuziehen, damit er nicht weiter verwundet werden konnte oder das "unter die Haube kommen". Für verheiratete Frauen im Mittelalter war es üblich, eine Haube zu tragen. All das sind solche Redensarten, die heute zuhauf noch benutzt werden. Dann gerade in einer Stadt wie Köln: Die Architektur ist an jeder Stelle noch nachvollziehbar. Wir haben einen wunderbaren Bestand an Kunstwerken, wo wir viele Dinge noch erkennen können."
Im Mittelalter ist Köln in Deutschland die größte und reichste Stadt. Davon zeugen nicht nur aufwändige Bauten. Wohlhabende Bürger schmückten die Fenster ihrer stattlichen Häuser mit bunten Glasmalereien und stifteten in der Hoffnung auf ein himmlisches Leben den Kirchen kostbare Preziosen.
Alexander Schnütgen musste im 19.Jahrhundert nicht lange suchen. Er fand seine Sammlung quasi vor der Haustür.
"Alexander Schnütgen war Domkapitular. Von 1843 bis 1916 hat er gelebt. Er hat die Sammlung zusammengetragen, vielfältigste Stücke, rund 10.000 Stücke gehörten zur Ursprungssammlung, die er alle in seiner Wohnung gelagert hat. Ich sage immer, wäre er verheiratet gewesen, wäre diese Sammlung niemals zustande gekommen. Glücklicherweise war er Domkapitular. Er hat diese Sammlung in seinen Räumlichkeiten aufbewahrt und als es keine Möglichkeit mehr gab hat er sie der Stadt Köln geschenkt mit der Auflage, dass sie ausgestellt werden. Und 1906 ist die Sammlung geschenkt worden und 1910 sind die ersten Pforten des Anbaus für das Museum Schnütgen, am Hansaring damals noch, ein Anbau an das Kunstgewerbemuseum, eröffnet worden."
In der Zwischenzeit hat sich viel geändert. Die Sammlung ist gewachsen. Die Glasmalerei feiert eine farbenfrohe Auferstehung aus dem Depot und präsentiert sich den Besuchern auf Augenhöhe. Das Tympanon der heiligen Cäcilie - also der Reliefgiebel - zeigt vorn die in Stein gemeißelten Figuren, auf der Rückseite erkennen die Besucher das mittelalterliche Recycling: Ein römischer Grabstein wurde zweckentfremdet. Liturgische Textilien sind zu sehen, überreich verziert mit Gold- und Seidenfäden und natürlich Skulpturen.
"Gerade die Skulpturen, die wir haben, die über viele Jahrhunderte Mittler des Glaubens waren, wo die Menschen ihre Kraft hereingesteckt, ihre Hoffnungen hereingesteckt haben, diese Skulpturen sind im Prinzip immer noch aufgeladen mit dieser Ausstrahlung, mit dieser Aura. Und jeder, der sich auf dieses Abenteuer einlässt und sich wirklich darauf einlässt, in den Dialog zu treten mit diesen Stücken wird etwas davon spüren können; und zugleich erfahren wir viel über das Leben in dieser Zeit."
Kuriose Dinge bietet der Studienraum: Schnütgen hat alles mögliche gesammelt, darunter viel Kleinkram: Bordüren, winzige Reliquien, Stickereien, jetzt vereint in Schubladen, die die Besucher herausziehen können. Manuela Beer:
"Ich darf Ihnen noch in dieser Schublade etwas ganz besonderes zeigen Wir haben hier einen Schubladenzug dem Thema des kleinen Andachtsbildes gewidmet."
Manuela Beer öffnet eine Schublade.
"Ich zeig' Ihnen hier gerade auf der linken Seite die sogenannten Schluckbilder. Auf den ersten Blick wirkt das wie ein Briefmarkenbogen; und ganz ähnlich wurde es auch gebraucht. Man konnte mit der Schere oder dem Messer einzelne Bildchen heraustrennen, die zeigen in der Regel Maria, Christus oder Heilige oder auch nur das Christogramm. Und diese Bildchen wurden bei vielerlei Ungemach verwendet, also bei Krankheit nahmen die Menschen das zu sich, sei es in Wasser aufgelöst oder direkt auf der Zunge und man mischte sie auch gerne dem Vieh ins Futter. Gab es Probleme mit dem Kalben der Kuh oder anderen Dingen. Es war eine geistige Hausapotheke, wozu man dieses Schluckbildchen verwenden konnte."
"Der Glaube versetzt bekanntlich Berge" - wie der Volksmund schon immer wusste, was für die ein oder andere alternative Heilmethode auch heute noch gelten mag. So schließt sich der Kreis zwischen Mittelalter und Moderne.
Das Museum Schnütgen - und darauf ist Dagmar Täube besonders stolz - spielt in der ersten Liga und arbeitet zusammen mit dem Musée de Cluny in Paris, mit dem Metropolitan Museum in New York oder auch dem Victoria and Albert Museum in London. Im Ausland hoch geschätzt - hierzulande kaum bekannt, zu unrecht, meint die kommissarische Direktorin, werde die eigene Geschichte oft vergessen.
"Es sind unsere kulturellen Wurzeln, und wir gehen davon aus, dass es ganz wichtig ist, dass man seine eigene kulturelle Identität kennt, um sich für neue Kulturen öffnen zu können. Und damit sind wir am Puls der Zeit. Es gibt kein wichtigeres Thema als die Verständigung die gegenseitige, den gegenseitigen Respekt der Kulturen untereinander, und auch dafür müssen wir erst mal wissen, wer wir sind und woher wir kommen."