Archiv

Fatale Fernwirkung
Flächenbrände in Brasilien durch marine Hitzewellen mitverursacht

Das größte Feuchtgebiet der Erde, das südamerikanische Pantanal, ist derzeit von einer beispiellosen Dürre betroffen. Außerdem wüten dort gewaltige Flächenbrände. Auslöser sollen Meereshitzewellen in Tausenden Kilometern Entfernung sein, hieß es auf der Generalversammlung der European Geosciences Union.

Von Dagmar Röhrlich | 30.04.2021
Auf diesem vom Chico Mendes Institut zum Schutz der Artenvielfalt zur Verfügung gestellten Bild beobachtet eine Gruppe die Flammen bei einem Waldbrand im Naturpark Chapada dos Guimaraes.
Die Erderwärmung trägt zu den Flächenbränden in Südamerika bei, hier am nördlichen Rand des Pantanal (dpa-Bildfunk / ICMBio / Christian Niel Berlinck)
Das Pantanal ist riesig: Auf einer Fläche, so groß wie die alte Bundesrepublik, reihen sich Flüsse, Seen und Sümpfe aneinander. Es ist das größte Feuchtgebiet der Erde. Ebenso beeindruckend wie die schiere Größe ist auch der Artenreichtum: Jaguare leben dort, Riesenotter, die leuchtend blauen Hyazinth-Aras, um nur die bekanntesten zu nennen. Ihr Lebensraum entstand, weil das Pantanal im Grunde eine gigantische Badewanne ist: Die füllt sich Jahr für Jahr während der Regenzeiten mit Wasser, um danach allmählich auszutrocknen.

Doch seit 2019 herrscht Dürre, sagt Dirk Thielen: "Wegen dieser fortgesetzten, extremen Trockenheit haben im vergangenen Jahr mehr als 30 Prozent des Pantanal gebrannt. Es traf nicht nur die Zonen, die an Feuer gewöhnt sind, weil es dort immer wieder einmal brennt, sondern vor allem weite Gebiete, in denen es nie gebrannt hat, wie beispielsweise die Galeriewälder. Sie können diesen intensiven Feuern nichts entgegensetzen. Und die Dürre im Pantanal ist noch nicht vorbei."

95 Prozent des Pantanals von Dürre betroffen

Dirk Thielen ist Ökologe am venezolanischen Institut für wissenschaftliche Forschung. Die Feuer beginnen durch Blitzschlag oder oft durch Brandstiftung. Doch es ist die Dürre, die die Brände so beispiellos werden lässt. Diese Dürre betrifft inzwischen 95 Prozent des Pantanals: "Woran aber liegt es, dass die Niederschläge ausbleiben? Wir konnten in unseren Analysen eine Korrelation ausmachen: Eine Fernverbindung zwischen den Regenfällen im Pantanal und der Erwärmung bestimmter Meeresregionen. Genauer gesagt mit Meereszonen im Nordostpazifik."
Es geht um marine Hitzewellen, die sich tausende Kilometer vom Inneren Brasiliens entfernt aufbauen. Das bislang bekannteste Phänomen dieser Art war der Blob, der zwischen 2013 und 2016 die Oberflächentemperatur des Meerwassers vor der Küste Nordamerikas steigen ließ. Auch damals kam es zu einer Dürre im Pantanal, allerdings war sie nicht so stark wie jetzt. Im Juni 2019 entstand eine neue "blobartige" Struktur, die für die Rekorde sorgt: "Wir sehen zwei Monate nach dem Einsetzen dieser marinen Hitzewelle, des Blobs 2.0, eine Veränderung in den Niederschlagsmustern des Pantanals. Marine Hitzewelle und Dürre halten noch immer an."

Klimawandel verantwortlich für Dürre und Feuer

Mehr als 80 Prozent des Niederschlagrückgangs ließen sich durch Blob 2.0 erklären. Und für den Blob und damit auch die Dürre und Feuer im Pantanal verantwortlich sei der Klimawandel, so Dirk Thielen. Der Klimawandel lässt die Wassertemperaturen steigen, was die Windströmungen in der Atmosphäre verändert – und die wiederum sorgen dafür, dass weniger Regenwolken das Pantanal erreichen:
"Das ist eine neue Klima-Realität. Das ist ein beispielloser neuer Zustand. Einige Forschern prognostizieren, dass diese Meereshitzewellen häufiger auftreten und länger dauern werden – auch in den Meeresräumen, die wir über diese Fernverbindung mit den Niederschlägen im Pantanal korrelieren können."
Seiner Prognose zufolge sollte die Dürre noch mindestens zwei Jahre anhalten – und damit dürften bald auch die wenigen verschonten Gebiete betroffen sein. Die Zukunftsaussichten des weltgrößten Sumpfgebiets sind damit besorgniserregend.