Eine schwarze Wand aus neun mächtigen Quadern verschließt die Bühne bis auf einen schmalen Streifen. Oben drängeln sich in der Lücke des mittleren Quaders Faust, Mephisto und der Kaiser mit seinen Höflingen. Es gibt keinen Geisterkreis, keinen Chor, keine anmutige Gegend für den Monolog des mit frisch lebendig schlagenden Pulsen die Sonne begrüßenden Faust. Mit seiner Einsicht, "am farbigen Abglanz haben wir das Leben" hat Regisseur Michael Thalheimer bereits seinen "Faust 1" enden lassen.
Doch wie im ersten, so wird Faust auch im zweiten Teil nicht in bunt bebilderter Außenwelt als die übliche idealisierte Sinnsucher-Figur gezeigt, sondern als ein seine Identität suchender orientierungsloser Denker. Wir sehen faszinierendes Menschen- und Schauspielertheater ohne großen Szenenaufwand und äußerlichen Bühnenzauber (Bühne Olaf Altmann), und das ganz aus der atmosphärischen Musik von Bert Wrede, vor allem aber aus der Sprache lebt. Wie hier Goethes Text von innen heraus belebt wird, das ergibt eine elektrisierende sinnliche und intellektuelle Erfrischung.
All die bildungshuberischen Passagen mit ihren Greifen und Faunen, mit Hexen und Mummenschanz, mit Figuren wie Alekto oder Tisiphone, Klotho oder Atropos, die man nur nach Lexikon-Lektüre versteht, sie sind gestrichen. "Faust 2", gemeinhin zwischen dreieinhalb und acht Stunden dauernd, dauert bei Thalheimer nur knapp zwei Stunden, und statt der bei Goethe fast siebzig verzeichneten Personen treten hier nur drei Schauspielerinnen und acht Schauspieler auf.
Faust reist durch seine Erfahrungswelt auf der Suche nach geistigen Modellen: der Diskurs in der realen Herrschaftswelt zeigt mit dem wunderbaren Horst Lebinsky einen ungemein komischen Kaiser, der Gesten, Posen und Haltungen ausprobiert und sich die von Mephisto versprochenen Banknoten gleich aus der Hosentasche gräbt. Er will Helena und Paris sehen:
Mit einer genialen Bilderfindung und –verschränkung des Regisseur wird ein doppelter Schöpfungsvorgang gezeigt. Während sich Faust die Idylle Arkadien und Helena herbeisehnt und sich in der Wandöffnung oben verzückt in eine Art inneren Schöpfungsvorgang versenkt, erschafft Wagner unten seinen Homunculus in einem Wasserglas. Die klassische Walpurgisnacht wird nur vom genervten Mephistopheles beschrieben, aber auf der Bühne ebensowenig gezeigt wie ein realer Homunculus.
Die Kosten der jeweiligen Schöpfung sind beide Male beträchtlich: Wagner verliert mit dem Homunculus auch eigenes Blut, und die goldüberglänzte Idylle Arkadien bringt das Paar Helena und Faust nur einen Sohn Euphorion hervor, der eroberungswütig und kriegslüstern ist. Michael Gerber spielt ihn als Spießer in Hosenträgern über kurzärmligem Hemd. So konsequent auch historisch-politisch denkend kommt Thalheimers Inszenierung fast immer daher. Nina Hoss spielt Helena als eine erschöpft genervte Frau, die es leid ist, immer wieder zum Idol gemacht zu werden und als Vorlage für Bilder zu dienen, die andere sich von ihr machen.
Dann reißt die Wand auf und verschwindet, und Faust saust auf seinem Quader ganz in die Tiefe des großen, leeren Raumes. Ein großartiger Effekt, mit dem Faust wieder in die reale Welt geschleudert wird Nach der kurz gewährten Hilfe für den Krieg des Kaisers probiert Faust das Modell "Beherrschung von Natur und Menschen", also die Urbarmachung des Sumpfes als kapitalistische Ich-AG. Ging er vorher eher kontemplativ mit seinem alter ego Mephisto als gewissermaßen duales System durch die Welt, so wird er jetzt aktiv und will die Welt beherrschen.
Dass er dafür eine Hütte mit alten Menschen ausradiert, berichtet Inge Keller eindringlich als gleichzeitige Verkörperung des Wanderers sowie von Philemon und Baucis. Die Allegorie der "Sorge", von Regine Zimmermann im gleichen Outfit wie Faust mit offenem Hemd über der Hose gespielt, blendet Faust ohne alles Pathos ganz beiläufig. Die Grablegung kommt völlig ohne Lemuren und Chor der Engel aus. Faust legt seinen Kopf so auf die Schulter von Mephisto, wie dieser es bei seinem ersten Erscheinen in "Faust 1" bei Faust getan hat, und Faust geht still, "den höchsten Augenblick genießend", seinen Weg in die Auflösung, ohne dass die oft zitierten Schlußworte fallen: "Alles vergängliche ist nur ein Gleichnis" und "Das ewig Weibliche zieht uns hinan."
Es ist dies, mit zwei wunderbaren Schauspielern, die Goethes Texte zu hoher sinnlicher Kraft führen, mit Ingo Hülsmann als Faust und Sven Lehmann als Mephisto, eine wirklich grandiose Aufführung geworden.
Doch wie im ersten, so wird Faust auch im zweiten Teil nicht in bunt bebilderter Außenwelt als die übliche idealisierte Sinnsucher-Figur gezeigt, sondern als ein seine Identität suchender orientierungsloser Denker. Wir sehen faszinierendes Menschen- und Schauspielertheater ohne großen Szenenaufwand und äußerlichen Bühnenzauber (Bühne Olaf Altmann), und das ganz aus der atmosphärischen Musik von Bert Wrede, vor allem aber aus der Sprache lebt. Wie hier Goethes Text von innen heraus belebt wird, das ergibt eine elektrisierende sinnliche und intellektuelle Erfrischung.
All die bildungshuberischen Passagen mit ihren Greifen und Faunen, mit Hexen und Mummenschanz, mit Figuren wie Alekto oder Tisiphone, Klotho oder Atropos, die man nur nach Lexikon-Lektüre versteht, sie sind gestrichen. "Faust 2", gemeinhin zwischen dreieinhalb und acht Stunden dauernd, dauert bei Thalheimer nur knapp zwei Stunden, und statt der bei Goethe fast siebzig verzeichneten Personen treten hier nur drei Schauspielerinnen und acht Schauspieler auf.
Faust reist durch seine Erfahrungswelt auf der Suche nach geistigen Modellen: der Diskurs in der realen Herrschaftswelt zeigt mit dem wunderbaren Horst Lebinsky einen ungemein komischen Kaiser, der Gesten, Posen und Haltungen ausprobiert und sich die von Mephisto versprochenen Banknoten gleich aus der Hosentasche gräbt. Er will Helena und Paris sehen:
Mit einer genialen Bilderfindung und –verschränkung des Regisseur wird ein doppelter Schöpfungsvorgang gezeigt. Während sich Faust die Idylle Arkadien und Helena herbeisehnt und sich in der Wandöffnung oben verzückt in eine Art inneren Schöpfungsvorgang versenkt, erschafft Wagner unten seinen Homunculus in einem Wasserglas. Die klassische Walpurgisnacht wird nur vom genervten Mephistopheles beschrieben, aber auf der Bühne ebensowenig gezeigt wie ein realer Homunculus.
Die Kosten der jeweiligen Schöpfung sind beide Male beträchtlich: Wagner verliert mit dem Homunculus auch eigenes Blut, und die goldüberglänzte Idylle Arkadien bringt das Paar Helena und Faust nur einen Sohn Euphorion hervor, der eroberungswütig und kriegslüstern ist. Michael Gerber spielt ihn als Spießer in Hosenträgern über kurzärmligem Hemd. So konsequent auch historisch-politisch denkend kommt Thalheimers Inszenierung fast immer daher. Nina Hoss spielt Helena als eine erschöpft genervte Frau, die es leid ist, immer wieder zum Idol gemacht zu werden und als Vorlage für Bilder zu dienen, die andere sich von ihr machen.
Dann reißt die Wand auf und verschwindet, und Faust saust auf seinem Quader ganz in die Tiefe des großen, leeren Raumes. Ein großartiger Effekt, mit dem Faust wieder in die reale Welt geschleudert wird Nach der kurz gewährten Hilfe für den Krieg des Kaisers probiert Faust das Modell "Beherrschung von Natur und Menschen", also die Urbarmachung des Sumpfes als kapitalistische Ich-AG. Ging er vorher eher kontemplativ mit seinem alter ego Mephisto als gewissermaßen duales System durch die Welt, so wird er jetzt aktiv und will die Welt beherrschen.
Dass er dafür eine Hütte mit alten Menschen ausradiert, berichtet Inge Keller eindringlich als gleichzeitige Verkörperung des Wanderers sowie von Philemon und Baucis. Die Allegorie der "Sorge", von Regine Zimmermann im gleichen Outfit wie Faust mit offenem Hemd über der Hose gespielt, blendet Faust ohne alles Pathos ganz beiläufig. Die Grablegung kommt völlig ohne Lemuren und Chor der Engel aus. Faust legt seinen Kopf so auf die Schulter von Mephisto, wie dieser es bei seinem ersten Erscheinen in "Faust 1" bei Faust getan hat, und Faust geht still, "den höchsten Augenblick genießend", seinen Weg in die Auflösung, ohne dass die oft zitierten Schlußworte fallen: "Alles vergängliche ist nur ein Gleichnis" und "Das ewig Weibliche zieht uns hinan."
Es ist dies, mit zwei wunderbaren Schauspielern, die Goethes Texte zu hoher sinnlicher Kraft führen, mit Ingo Hülsmann als Faust und Sven Lehmann als Mephisto, eine wirklich grandiose Aufführung geworden.