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FBI entschlüsselt iPhone
"Imageschaden dürfte Apple zu einem Verlierer machen"

Apple habe zwar dem FBI bei der Entschlüsselung des iPhones des San-Bernadino-Attentäters nicht geholfen und damit einen Präzedenzfall verhindert. Dass es der US-Bundespolizei gelungen ist, das Gerät auch ohne Hilfe zu knacken, schade aber dem Ansehen des Konzerns, sagte der Chefredakteur von netzpolitik.org, Markus Beckedahl, im DLF.

Markus Beckedahl im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Markus Beckedahl, Internetaktivist
    "Ältere Versionen des iPhones sind nicht so sicher, wie Apple es gerne hätte" - so lautet das Fazit von Netzaktivist Markus Beckedahl zum entschlüsselten iPhone. (imago/IPON)
    Möglicherweise habe der Fall erst so große Wellen geschlagen, weil die amerikanische Bundespolizei FBI einen Präzedenzfall schaffen wollte, sagte Beckedahl. Wenn das FBI den offiziellen Versuch nicht unternommen hätte, sondern - wie in früheren Fällen - hinter verschlossenen Türen etwas mit Apple ausgehandelt hätte, wäre der Fall möglicherweise nicht so groß geworden, so der Netzaktivist Beckedahl. Nun sei klar: "Ältere Versionen des iPhones sind nicht so sicher, wie Apple es gerne hätte."
    Altes Gesetz als Mittel zum Zweck
    Das FBI habe sich auf ein Gesetz aus 18. Jahrhundert berufen, wonach amerikanische Behörden alles machen können, um die Sicherheit zu gewährleisten. Es wäre laut Beckedahl "ein Unding" gewesen, wenn "ein 230 Jahre altes Ermächtigungsgesetz herangezogen worden wäre".
    Beckedahl sagte: "Ich hätte mir gewünscht, dass in diesem Fall die Gerichte zum Schluss geurteilt hätten, was gemacht werden darf und was nicht." In den USA fehle eine verfassungsgerichtliche Gesetzgebung, die den Strafverfolgungsbehörden einen klaren Rahmen gebe. In Deutschland sei das anders und beispielsweise "schwierig, einen verfassungskonformen Staatstrojaner zu bauen". Ein solches Programm sei in Deutschland "ohne Rechtsgrundlage illegal", auch wenn das Bundesinnenministerium es genehmigt habe.

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: War das jetzt ein Unentschieden? Hat das FBI ein Eigentor geschossen oder Apple vom Platz gefegt? Anders als nach dem Länderspiel gestern, Deutschland-Italien, ist das nach dem Kräftemessen zwischen Apple und der US-Regierung schwer zu sagen. Klar ist, der Streit Apple versus FBI ist jetzt zu einem Nichts zusammengeschnurrt, die Frage, ob das Unternehmen dem FBI helfen muss, das iPhone des Attentäters von San Bernadino auszuwerten, der Streit, der zum Symbol geworden war für die Auseinandersetzung von Freiheitsrechten gegen Sicherheitsinteressen. Das FBI teilt jetzt mit, es könne auch ohne Unterstützung des Unternehmens auf die Daten zugreifen. Vordergründig haben beide Seiten also bekommen, was sie wollten. Apple muss seine Datenschutzprinzipien nicht verraten, und das FBI kommt jetzt an die Daten ran. Den Chefredakteur des Blogs Netzpolitik.org, Markus Beckedahl, habe ich vor der Sendung gefragt, ob dieser Ausgang jetzt eine Win-win-Situation war.
    Markus Beckedahl: Es fällt mir schwer, jetzt richtig urteilen zu können, wer der Gewinner dieser Sache ist, weil Apple hat zwar keinen Präzedenzfall bekommen vor Gericht, wonach sie zum Beispiel verpflichtet worden wären, Hintertüren einzubauen. Aber der Imageschaden, dass das FBI jetzt auch ohne Apples Mithilfe wahrscheinlich Zugriff auf dieses iPhone bekommen hat und damit offengelegt hat, dass iPhones zumindest in dieser Version unsicher sind, dieser Imageschaden, der dürfte doch Apple zu einem Verlierer machen.
    "Das Problem an diesem Fall ist, dass sehr viele Sachen unklar sind"
    Schulz: Ist es denn wirklich ein Imageschaden, oder war es nicht auch schon ein Erfolg und ehrlich gesagt auch überraschend, dass es so viele Wochen gedauert hat, bis das FBI da rangekommen ist, und eben auch nur mit Unterstützung.
    Beckedahl: Das Problem an diesem Fall ist, dass sehr viele Sachen unklar sind. Möglicherweise ist das Ganze auch erst so groß geworden, weil das FBI einen Präzedenzfall schaffen wollte und dabei Rückgriff auf ein Gesetz genommen hat aus dem Jahr, ich glaube 1789, also aus den Geburtsstunden der Vereinigten Staaten, wonach Sicherheitsbehörden eigentlich alles machen dürfen, was sie wollen, um Sicherheit herzustellen. Und Apple hat dann gesagt, nein, dagegen werden sie sich wehren. Weil eigentlich ist es ein Unding, dass hier so ein Ermächtigungsgesetz, was 230 Jahre alt ist, herangezogen würde. Und das hat erst diese ganze Sache ins Rollen gebracht. Möglicherweise wäre dieser Fall gar nicht in der Öffentlichkeit diskutiert worden, wenn das FBI gar nicht diesen Versuch unternommen hätte, sondern einfach wie in früheren Fällen auch hinter verschlossenen Türen mit Apple etwas verhandelt hätte.
    Schulz: Warum war dieser Ermittlungswunsch als solcher denn überhaupt so skandalös oder ist als so skandalös behandelt worden? Es ging ja darum, das Mobiltelefon eines Terroristen zu scannen. Und es hat ja sogar auch eine gerichtliche Anordnung gegeben, die Apple dazu verpflichtet hat, da zu kooperieren.
    Beckedahl: Ja, genau. Diese gerichtliche Anordnung bezog sich auf dieses alte Gesetz, was 230 Jahre alt ist. Was genau die Intention war, diesen Fall so groß werden zu lassen, das ist auch noch ein bisschen ungeklärt. Möglicherweise wollte man halt tatsächlich aufgrund dieser Symbolwirkung - ein toter Terrorist, viele Menschen wussten von diesem Fall - diesen Präzedenzfall schaffen, der vielleicht mit einer anderen Straftat, die nicht so eine große Symbolwirkung hat, nicht so einfach möglich gewesen wäre.
    Schulz: Und das FBI hat eben die Richterin ja auch davon überzeugt, dass es an diese Daten auf keinen Fall herankommt, wenn Apple da nicht mithilft. Und diese Behauptung hat sich jetzt ja als falsch erwiesen. Die Frage wäre, ob sich ein Richter oder eine Richterin sozusagen in einer nächsten Situation, im nächsten Fall wieder so leicht davon wird überzeugen lassen, dass es ohne die Unterstützung von Apple nicht geht, nachdem jetzt ja doch klar wurde, es ging auch ohne Apple.
    Beckedahl: Das ist eine spannende Frage, worauf ich keine Antwort habe. Aber was ich mir eigentlich gewünscht hätte, das wäre, dass in diesem Fall die Gerichte zum Schluss geurteilt hätten, was denn jetzt gemacht werden darf oder nicht. Weil in den USA fehlt eine verlässliche Gesetzgebung, vor allen Dingen eine verfassungsrechtliche Gesetzgebung, wie wir sie in Deutschland seit 2009 haben, seitdem das Bundesverfassungsgericht zur Onlinedurchsuchung klare Regeln aufgestellt hat, die unseren Strafverfolgungsbehörden einen so engen Rahmen geben, dass es dem BKA schwerfällt, einen funktionstüchtigen verfassungskonformen Staatstrojaner zu bauen.
    Schulz: Der jetzt in jüngster Vergangenheit aber auch hier in Deutschland ja genehmigt wurde.
    Beckedahl: Ja, er wurde vom Bundesinnenministerium genehmigt, aber das halten wir für einen kleinen Skandal, weil der Rechtsrahmen einfach noch nicht da ist und das BKA hier laut Innenministerium ermächtigt werden soll, im Rahmen der Strafverfolgung einen Staatstrojaner einsetzen zu können. Und ohne Rechtsgrundlage ist das unserer Meinung nach illegal.
    "Die Unternehmen haben natürlich einen Zielkonflikt"
    Schulz: Das wird dann möglicherweise das Bundesverfassungsgericht wieder klären müssen, dann wüssten wir das genauer. Wenn wir jetzt noch mal schauen auf diesen Streit zwischen Apple und der US-Regierung oder dem FBI, da hat es ja auch ganz große Unterstützung gegeben von Unternehmen wie Facebook und Google, die sonst im Alltag ja sozusagen alle Hebel in Bewegung setzen, um an möglichst viele unserer Daten heranzukommen. Wie glaubwürdig ist es denn, dass die Unternehmen sich jetzt plötzlich als die Gralshüter des Datenschutzes gerieren?
    Beckedahl: Ich würde sie nicht als Gralshüter des Datenschutzes bezeichnen, aber die Unternehmen haben natürlich einen Zielkonflikt. Einerseits wollen sie ein Image haben für ihre Produkte, was Sicherheit suggeriert, und sie möchten eigentlich auch weitgehend sichere Produkte auf den Markt bringen. Auf der anderen Seite möchten sie es sich wahrscheinlich auch nicht mit den Sicherheitsbehörden im eigenen Land verscherzen, weil man dann wiederum Nachteile hätte beispielsweise in außenpolitischen, außenwirtschaftlichen Fragestellungen. Insofern wandern sie meistens so auf dem Grad zwischen: Was ist gerade noch so sicher, dass man es in die ganze Welt verkaufen kann, und wie kann man noch den eigenen Sicherheitsbehörden Zugeständnisse machen.
    Und dann haben wir weiterhin das Problem, das erst durch Edward Snowden aufgedeckt wurde, dass es Geheimgesetze und Geheimgerichte in den USA gibt, die diese Unternehmen zur Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten verpflichten, und darüber darf noch nicht mal geredet werden. Und an dieser Gesetzesgrundlage, die Edward Snowden aufgedeckt hat, haben wir in den letzten zwei Jahren noch keine Veränderung gesehen. Das ist alles so noch in Kraft.
    Schulz: Aber die positive Veränderung wäre doch, dass der Satz, von dem sicherlich viele angenommen haben, dass er so stimmt, nämlich dass das FBI alles bekommt, was es haben will, dass dieser Satz so unverrückbar jedenfalls nicht stimmt, oder?
    Beckedahl: Zumindest hat das FBI jetzt wahrscheinlich mit einigem zeitlichen Aufwand Zugang zu einem verschlüsselten älteren iPhone bekommen, was eine nicht ganz aktuelle Betriebssystemversion hat. Ungeklärt ist immer noch, ob das FBI jetzt auch auf ein zeitgenössisches aktuelles iPhone mit einer aktuellen Software darauf zugreifen könnte.
    "Jede einzelne Entscheidung in den USA hat direkte Auswirkungen auf uns als Verbraucher hier"
    Schulz: Und welche Schlussfolgerungen ergeben sich insgesamt, oder gibt es die überhaupt für die User und Smartphonenutzer in Europa?
    Beckedahl: Unser Problem ist, dass wir hauptsächlich Hardware und Software einsetzen, die größtenteils von amerikanischen Herstellern gebaut und vertrieben werden. Und insofern hat jede einzelne Entscheidung in den USA direkte Auswirkungen auf uns als Verbraucher hier. Jetzt gibt es dort leider keinen Präzedenzfall, der vor Gericht eindeutig geklärt wurde, ob Hintertüren erlaubt oder verboten sind, aber die Message, die zumindest heute in die Öffentlichkeit gekommen ist, ist: Ältere Versionen des iPhones sind nicht so sicher, wie Apple es gern hätte.
    Schulz: Markus Beckedahl, der Chefredakteur des Blogs Netzpolitik.org heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.