Fast 40 Jahre lang war der FC Bayern eine Art Wohlfahrt-Staat: "Es gibt Messi im Fußball - und Müller-Wohlfahrt in der Medizin", sagte Ex-FC-Bayern-Spieler Daniel van Buyten einmal über den "Mull", wie die Sportler ihren Doc liebevoll nannten. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, der Mann mit den angeblich magischen Händen.
"Das ist, wie wenn ich mit den Fingern sehe", sagt der Arzt selbst über sich: "Ich schalte alles ab, ich kann die Augen schließen und ich kann im Prinzip auch erreichen, dass ich nichts mehr höre."
Der Rücktritt des Bayern-Arztes ist das Ergebnis des eskalierten Machtkampfes zweier Egomanen. Es kann nur einen geben: Wunder-Trainer Guardiola oder Wunder-Doktor Wohlfahrt. Der Ostfriesische Mediziner hatte auch mit Trainern wie Klinsmann, Magath und van Gaal seine Probleme. Aber Doc und Pep - das ging von Anfang an gar nicht. Hauptgrund: Guardiola verlangte von Wohlfahrt, dass er verletzte Spieler schnell und zuverlässig fit machte. Zur Not auch fit spritzte. Und sei es für 90 Minuten. Das war mit Wohlfahrt nicht zu machen. Und Pep war genervt.
Genervter Trainer
Fragen Sie die Ärzte, sagte er mit zerfurchtem Gesicht, wenn es um den langen Genesungsprozess etwa von Bastian Schweinsteiger ging. Guardiola kannte als Spieler keine Furcht vor Spritzen jeder Art - sogar das Dopingpräparat Nandrolon wiesen italienische Kontrolleure einst in seinem Blut nach. Als Bayern-Trainer verlangt Pep von seinen Spielern Ähnliches. Als sich sein spanischer Mittelfeldstar Thiago eine Bänderverletzung zuzog, schickte ihn sein Landsmann Guardiola statt in Wohlfahrts Münchner Praxis nach Barcelona - zu einem Sport-Arzt seines Vertrauens.
Es war ein Fehler, denn Thiago fiel aufgrund zweifelhafter Behandlungsmethoden, angeblich auch Cortison-Spritzen, mehr als ein Jahr aus. Der Münchner Doc war merklich sauer in seiner 1400 Quadratmeter großen Praxis am Marienplatz: "Mir geht es gut, wenn ich hier bin - und mir geht es manchmal nicht so gut an Wochenenden."
Denn da war er ja mit Pep Guardiola und dem FC Bayern unterwegs. Das ist nun Geschichte - und die Vereins-Ikone Wohlfahrt sagte zum Abschied nicht leise Servus, sondern zerschlug noch mächtig Porzellan. Es hatte sich viel angestaut zwischen ihm und Guardiola, und das Bayern-Präsidium muss nun versuchen, eine Spaltung des Vereins in zwei Lager zu verhindern. Ein Präsident Uli Hoeneß hätte da sicher helfen können, ist aber trotz Freigang offiziell immer noch in Haft. FC Bayern-Pressechef Markus Hörwick dankte Müller-Wohlfahrt für fast 40 Jahre Tätigkeit in knappsten Worten: "Wir bedauern dies sehr - ausdrücklich - und möchten uns bei Doktor Müller-Wohlfahrt ausdrücklich bedanken. Das ist zu dieser Geschichte alles."
Nachfragen unerwünscht
Journalisten-Fragen zum Wohlfahrt-Rücktritt waren in der Presse-Konferenz schon gar nicht erlaubt. So leicht allerdings ist das Thema vereinsintern noch nicht erledigt. Viele Bayern-Spieler, so heißt es, werden sich auch weiterhin privat von Müller-Wohlfahrt behandeln lassen und nicht von dessen schnell benannten Interims-Nachfolger Dr. Volker Braun. Der hatte bislang nur die zweite Mannschaft der Münchner medizinisch betreut. Sollte Pep Guardiola am Ende der Saison sportliche Erfolge vorweisen können, werden ihm der Verein und die Fans wohl folgen. Wohlfahrt ist dann schnell vergessen. Wenn der Erfolg allerdings ausbleiben sollte, kann sich das schnell ändern. Bei der Bayern-Presse-Konferenz am Freitag wehte kurzzeitig ein Hauch von Trapattoni durch den Saal:
"Wenn ein Spieler verletzt ist, ist das nicht die Verantwortung vom Doktor", sagte Pep Guardiola und: "Verletzt ist verletzt."
Verletzt ist verletzt. Ob mit Wohlfahrt oder ohne.