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FC Schalke 04
Nach Tönnies-Rücktritt: Hilft NRW mit Millionen-Bürgschaft?

Nach dem Rücktritt von Aufsichtsratschef Clemens Tönnies werden die Probleme beim FC Schalke 04 nicht kleiner. Mit Verbindlichkeiten in Höhe von knapp 200 Millionen Euro befindet sich der Verein weiter im Krisenmodus. Nun könnte das Land NRW mit einer Millionen-Bürgschaft einspringen. Eine Bestätigung von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet blieb heute aus.

Von Mathias von Lieben | 30.06.2020
    Nordrhein-Westfalen, Gelsenkirchen: Fußball: Bundesliga, Tönnies tritt einem «Bild»-Bericht zufolge von seinem Amt als Aufsichtsratsvorsitzender beim Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 zurück.
    Aufsichtsratschef Clemens Tönnies tritt ab - die finanziellen Probleme beim FC Schalke 04 bleiben (Tim Rehbein/dpa)
    Noch am vergangenen Samstag hatten Fans des FC Schalke 04 auf dem Vereinsgelände den Rückzug von Aufsichtsratschef Clemens Tönnies gefordert, in dessen Fleischkonzern sich zuletzt mehr als 1.000 Mitarbeiter*innen mit dem Corona-Virus infiziert hatten. Nun war der Druck aus Verein und Öffentlichkeit offenbar zu groß: Tönnies tritt mit sofortiger Wirkung von all seinen Ämtern beim FC Schalke zurück. Die finanziellen Sorgen des Klubs werden damit jedoch nicht kleiner.
    Die Gelsenkirchener haben mit Vereins-Verbindlichkeiten in Höhe von knapp 200 Millionen Euro zu kämpfen, die durch die Corona-Pandemie noch einmal deutlich ansteigen dürften. Die Lage ist existenzbedrohend. Helfen soll laut einem Bericht des Handelsblatt nun eine Bürgschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Wirtschaftszeitung hatte bereits gestern Abend berichtet, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung dem finanziell angeschlagenen Fußball-Bundesligisten mit einer Landesbürgschaft in Höhe von rund 40 Millionen Euro aushelfen wolle.
    NRW-Ministerpräsident Armin Laschet wollte dies mit Verweis auf die vorgeschriebene Vertraulichkeit heute jedoch nicht bestätigen: "Es gibt keine Entscheidung in irgendeiner Bürgschaftsfrage", sagte der CDU-Politiker in der Düsseldorfer Landespressekonferenz. Allerdings bestehe das Problem, dass er rechtlich "noch nicht mal bestätigen" dürfe, dass ein entsprechender Antrag existiere. Auch das NRW-Finanzministerium wollte mit Verweis auf das Bürgschaftsgeheimnis keine Stellung zu dem Sachverhalt nehmen – genauso wenig wie der FC Schalke 04. Laschet betonte jedoch: "Es wird garantiert keine Lex Schalke geben."

    Generell seien Bürgschaften für Sportvereine nicht ungewöhnlich, so Laschet weiter: "Seit 1995 wurden von jeder Landesregierung Bürgschaften auch an Fußballvereine gegeben." In der Tat: Der FC Schalke hat in der Vergangenheit bereits mehrmals Unterstützung vom Land Nordrhein-Westfalen bekommen: Zum Beispiel für den Bau der Arena und zuletzt 2019 mit einer Bürgschaft in Höhe von über 50 Millionen Euro. Es gibt auch andere Beispiele: Als Borussia Dortmund Anfang der 2000er Jahre in wirtschaftlichen Schwierigkeiten war, genehmigte die damalige NRW-Landesregierung um Finanzminister Peer Steinbrück, der selbst Dortmunder Vereinsmitglied ist, eine Bürgschaft in Höhe von 46 Millionen Euro.
    Bei einer Landesbürgschaft würde das Land Nordrhein-Westfalen kein Geld an Schalke direkt überweisen. Der Klub würde durch die Bürgschaft allerdings finanziellen Handlungsspielraum erhalten, um anschließend neue Kredite aufzunehmen. Sollte der Klub den Kredit allerdings nicht bedienen können, würde das Land – und damit der Steuerzahler – für bis zu 80 Prozent des Kreditrahmens einspringen. Das Restrisiko in Höhe von 20 Prozent würde von dem zuständigen Kreditinstitut getragen. Mit dem Rückzug von Tönnies aus allen Vereinsämtern beim FC Schalke dürfte eine solche Bürgschaft der Öffentlichkeit etwas einfacher zu vermitteln sein.
    Rückendeckung ausgerechnet von Borussia Dortmund
    Der FC Schalke könnte die Bürgschaft gut gebrauchen. Die Verbindlichkeiten von rund 200 Millionen Euro aus dem Geschäftsjahr 2019 dürften Corona-bedingt in diesem Jahr noch ansteigen. Allein durch den Wegfall der Zuschauereinnahmen verlor Schalke pro Geisterspiel zuletzt rund zwei Millionen Euro. Erzrivale Borussia Dortmund hatte beispielsweise erst am Montag verkündet, dass man durch die Corona-Krise mit einem Fehlbetrag von etwa 45 Millionen Euro kalkuliere. Eine mögliche Landesbürgschaft würde in Gelsenkirchen daher wohl erst einmal nur die Einbußen aus der Corona-Krise kompensieren – um eine akute Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden. Laut Berichten des WDR könnten auch weitere Vereine wie der VfL Bochum oder der MSV Duisburg eine Landesbürgschaft in Höhe von einem mittleren einstelligen Millionenbereich beantragen.
    Der FC Schalke 04 steht wegen seiner ökonomischen Fehlplanung allerdings schon länger in der Kritik. Die Verantwortlichen haben in der Vergangenheit hohe Kredite aufgenommen, um den Kader der Bundesliga-Mannschaft mit teuren Fußballprofis aufzurüsten. Bedient werden sollten diese Kredite mit einkalkulierten Einnahmen aus internationalen Fernsehrechten. Da die sportlichen Ziele jedoch regelmäßig verpasst wurden, wuchs der Schuldenberg stetig an. Gegengesteuert werden soll laut Süddeutscher Zeitung nun mit einer Gehaltsobergrenze, um die teilweise viel zu hohen Spielergehälter zu deckeln. Dadurch soll jeder Spieler in Zukunft maximal 2,5 Millionen Euro jährlich verdienen. Spieler, die mehr Geld verlangen, sollen künftig nicht mehr verpflichtet werden. Offiziell bestätigt hat der Vereine diese Pläne noch nicht.

    BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.
    BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke: "Das sind keine staatlichen Hilfen." (pa/dpa/Gambarini)
    Rückendeckung erhalten die Königsblauen ausgerechnet von Borussia Dortmund. BVB-Chef Hans-Joachim Watzke kann die Aufregung um eine mögliche Bürgschaft des Landes Nordrhein-Westfalen nicht nachvollziehen. "Ich finde, das ist nicht ehrenrührig. Von uns als Fußball-Bundesliga wird verlangt, dass wir die gleichen Steuern zahlen, dass wir sie pünktlich zahlen - was eine Selbstständlichkeit ist. Aber wenn der Bund oder das Land oder wer auch immer beschließt, coronageschädigten Unternehmen beizustehen, dann gelten die gleichen Rechte für uns offensichtlich nicht. Grundsätzlich zu sagen, dass Fußballclubs davon ausgeschlossen sein müssen, das entspricht nicht meinem Gleichbehandlungsgrundsatz", sagte der BVB-Geschäftsführer am Rande eines Medientermins in Dortmund. "Staatliche Kredite müssen zurückgezahlt werden. Das sind keine staatlichen Hilfen", sagte Watzke. Trotzdem müsse geprüft werden, ob es sich bei Schalke um "Corona-Effekte" handle. Für diese Prüfung steht zumindest Clemens Tönnies beim FC Schalke 04 nicht mehr als Ansprechpartner zur Verfügung.