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FDP-Abtrünnige
Hamburger Liberale gründen neue Partei

Von Axel Schröder |
    Es ist der perfekte Ort, um Pläne zu schmieden - für kleine politische Zirkel, die die deutsche Parteienlandschaft verändern wollen: schwere Teppiche auf blankem Parkett, antike Holzmöbel, feines Kaffeegeschirr. Im Hintergrund ticken leise die altmodischen Uhren von Dieter Biallas. Noch ist er Mitglied der Hamburger FDP. Aber nicht mehr lange. Nach 45 Jahren Mitgliedschaft wird der weißhaarige überzeugte Linksliberale Dieter Biallas nun austreten:
    "Die Hamburger FDP ist eigentlich keine politische Partei mehr! Sie hat im Grunde keine sehr scharfen Profile, die sie vertritt. ...Ob in Hamburg die FDP an der Politik beteiligt ist, macht für Hamburg keinen Unterschied."
    Ihm gegenüber, auf dem tiefen Sofa, nicken Biallas' Komplizen beim Aufbau einer neuen liberalen, einer wirklich liberalen Partei: Najib Karim, eckige Hornbrille, akkurat gestutzter Vollbart und Sylvia Canel, blonde glatte Haare, hellbraunes Kostüm. Bis Anfang September war sie Landesvorsitzende der Hamburger FDP. Und trat dann erst von diesem Amt zurück und aus der ziemlich geschockten FDP aus:
    "Es ist mir schwergefallen, und es ist dennoch der richtige Schritt gewesen! Ich möchte natürlich für etwas arbeiten, das ist mir ganz wichtig! Und dieses für etwas Arbeiten ist mir in der letzten Zeit nicht so gelungen wie ich es gern gemacht hätte."
    Sylvia Canel beißt die Zähne zusammen, wiegt die Worte, versucht ein Lächeln. Gibt sich alle Mühe, nicht nachzutreten. Gegen das Schienenbein jener Frau, die ihr das politische Arbeiten schwergemacht hat: Katja Suding, Spitzenkandidatin bei der letzten und wohl auch der nächsten, in vier Monaten anstehenden Hamburger Bürgerschaftswahl. Der Zwist der so „frischen" Nachwuchspolitikerin mit der Landesvorsitzenden Sylvia Canel trat zuletzt offen zutage.
    "Ich hätte mir natürlich – und sie sicherlich auch – ein freundschaftliches Verhältnis gewünscht. Aber wir waren professionell genug, auch so zusammenzuarbeiten."
    ... aber ganz so professionell war die Zusammenarbeit am Ende nicht mehr: Den Kampf Landeschefin gegen Spitzenkandidatin trugen die zwei schließlich auf ihren Facebook-Seiten aus. Und spätestens als Katja Suding ihre Spitzenkandidatur nur antreten wollte, wenn Sylvia Canel aus dem Landesparlament ausschiede, war klar, dass die Hamburger FDP zu klein ist für diese beiden Elb-Liberalen.
    Ende September will Canel nun – zusammen mit Dieter Biallas und Najib Karim - eine neue linksliberale Bundespartei gründen, vielleicht auch bei der Bürgerschaftswahl im Februar antreten. Mit einer liberalen Partei, in der offen diskutiert werden kann, so Najib Karim. In der nicht nur über die Freiheit und Bedürfnisse von Unternehmern nachgedacht wird, sondern auch über die von Hartz-IV-Empfängern, Behinderten oder Migranten:
    "Gleichberechtigung ist auch ein Freiheitsthema zwischen Frau und Mann. Auch der Datenschutz und so weiter. Und da sind dann tatsächlich die Punkte, wo man sagen muss: Was hat denn die FDP da tatsächlich gemacht? Wie intensiv hat sie sich da eingesetzt? Meiner Betrachtung nach muss man sich dort sehr viel stärker engagieren als in anderen Bereichen! - also Chancen ermöglichen anstatt nur Besitzstand zu wahren."
    Und Sylvia Canel will nicht immer nur betonen, wie wirtschaftlich profitabel eine Bildungspolitik für alle ist, sondern welche Chancen sie dem Einzelnen bietet. Seit Canel hingeworfen hat, leitet Dieter Lohberger die Hamburger FDP. Als kommissarischer Landeschef. Er zollt Sylvia Canel Respekt für ihren Schritt und hält sich zurück mit einem Kommentar zum Zustand der eigenen Partei. Er zieht nur kurz die Brauen hoch, schüttelt den Kopf:
    "Nee. Also gelassen bin ich bestimmt nicht. Aber Konkurrenz belebt das Geschäft. Und letztendlich treibt es uns auch weiter voran, weiter gute Arbeit zu machen. So muss das sein."
    Dass der Einzug in die Bürgerschaft im Februar 2015 aber funktioniert, ist schon angesichts der Gesamtlage der FDP schwieriger geworden, analysiert der Göttinger Politikwissenschaftler Stephan Klecha:
    "Hamburg war für die FDP nie ein ganz einfaches Pflaster. Sie hatte zwar häufig den Sprung in die Bürgerschaft geschafft. Aber nicht immer und meistens relativ knapp. Und das gilt ja im Prinzip auch für das letzte Mal. Wenn man überlegt, dass die Partei seitdem immer noch in einem ungebrochenen Absturz bundesweit ist. Das heißt, die Chancen für die FDP auf den Wiedereinzug in die Bürgerschaft werden natürlich erheblich gemindert, wenn es weitere Konkurrenten im liberalen Spektrum der Hansestadt gibt."
    Nicht zuletzt mindert auch die AfD die Chancen neuer und alter liberaler Parteien. Die kleine Truppe im Salon von Dieter Biallas stört das wenig. Bei Kaffee und Mohnkuchen diskutieren die drei Abtrünnigen, sind unübersehbar froh, dem ewigen Hickhack in der Hamburger FDP entkommen zu sein. Und Dieter Biallas zieht seine alte Spieluhr auf. Zu hören, erklärt Biallas mit schelmischem Blick, ist die letzte Melodie, die der französischen Königin Marie Antoinette vor ihrer Enthauptung zu Ohren kam. – Aber nein, das sei natürlich nur ein Scherz. Den Katja Suding wahrscheinlich gar nicht witzig fände.