Kate Maleike: Bildung – was die Parteien ändern wollen, das fragen wir heute in unserer Reihe die FDP oder genauer gesagt, deren Generalsekretärin Nicola Beer. Guten Tag, Frau Behr!
Nicola Beer: Schönen guten Tag!
Maleike: Auf einem Ihrer Wahlplakate steht: "Bildung ist die Supermacht des 21. Jahrhunderts". Das klingt nach Kleckern und nicht Klotzen, aber auch ein bisschen vollmundig. Was wollen Sie denn praktisch tun?
Beer: Wir wollen erst mal wieder bewusst machen, dass Bildung wirklich die Grundlage dafür ist, und zwar nicht nur für mein persönliches Glück, sondern auch für eine weltoffene, für eine innovative Gesellschaft, und dass wir deswegen als Gesellschaft insgesamt prioritär in Bildung investieren sollten, und auch darauf schauen und gerade auch von der Politik einfordern, dass da nicht Scheindebatten geführt werden, sondern dass wir dort investieren, wo wirklich Qualität in der Bildung entsteht, und nicht über irgendwelche ideologische Strukturdebatten uns verzetteln.
Investmentplan für die nächsten fünf Jahre
Maleike: Wo also wollen Sie investieren, und wieviel?
Beer: Wir wollen direkt vor Ort in Schule investieren. Nicht nur, weil wir tagtäglich in unseren verschiedenen Städten sehen, wie Schulgebäude heruntergekommen sind, Toiletten nicht in Ordnung sind, sondern weil wir wissen, dass sie Veränderungen zum Beispiel der Digitalisierung, die in unserem Umfeld, unserem Lebensumfeld, aber insbesondere auch in der Arbeitswelt stattfinden, dass die eine Riesenherausforderung sind, Kinder dafür fit zu machen. Wir wissen, dass 60 Prozent der Kinder, die dieses Jahr in Deutschland eingeschult werden, später, nach ihrem Schulabschluss in Berufen arbeiten werden, die es heute noch gar nicht gibt. Das bedeutet eine unfassbar große Herausforderung, zu modernisieren sowohl die Ausstattung der Schulen, als auch die Lehrpläne, und vor allem auch die Lehrer fit zu machen, dass sie unsere Kinder dafür vorbereiten können. Das heißt, wir müssen massiv in die Lehreraus- und -fortbildung rein. Wir haben jetzt vorgeschlagen, einen Mehrwertsteuerpunkt aus dem bisherigen Mehrwertsteueraufkommen zu nehmen, um schon mal einen Anfang zu machen. Wir möchten gern einen Staatsvertrag haben zwischen Kommunen, Ländern und dem Bund, um direkt vor Ort in Schule zu investieren und zum Beispiel auch in die Ausstattung. Wir stellen uns für die technische Ausstattung 1.000 Euro pro Schülerin und Schüler vor in den nächsten fünf Jahren, um eben mal voranzukommen, damit all das, was Digitalisierung an Chancen bietet, vor Ort überhaupt umgesetzt werden kann.
"Schulen eigenständig machen bei Personal, Budget, Organisation"
Maleike: Damit sind Sie ja nicht allein. Ich habe jetzt aufmerksam zugehört und habe das Wort Staatsvertrag gehört. Ich habe aber nicht gehört, dass Sie das Kooperationsverbot abschaffen wollen, das ja bislang noch für den Bund zum Beispiel besteht, um in den Ländern Schulpolitik zu verändern. Darüber wird ja gerade mächtig diskutiert. Wollen Sie nicht mitmachen?
Beer: Auch wir wollen, dass der Bund stärker investiert. Aber ich glaube, es ist zu kurz gesprungen, nur über das Kooperationsverbot zu sprechen, denn dann werden wir eine Parallelfinanzierung von Bund und Ländern und auch noch ein bisschen Kommune haben. Was wir wollen, ist zum einen, diese drei Ebenen zusammenzubringen, also wirklich eine grundlegende Reform des Bildungsföderalismus, und dabei dann nicht wieder in irgendeiner Ebene das Geld hängen zu lassen, sondern es direkt vor Ort in Schule zu investieren. Also Schulen eigenständig zu machen, selbstverantwortlich zu machen bei Personal, bei Budget, bei Organisation, weil sie vor Ort die Experten sind, damit sie das Beste aus ihren Potenzialen und Talenten herausholen. Und es wird, habe ich also wirklich auch die Jahre in der Kultusministerkonferenz als Kultusministerin ja live erlebt – das wird nicht laufen, wenn wir das in den üblichen Strukturen machen. Dann bleibt das Geld auf irgendeiner Ebene, spätestens bei den Finanzministern hängen. Wir müssen alle Ebenen gemeinsam darauf verpflichten. Es geht direkt vor Ort in Schule, damit wir die, die da herausragende Arbeit leisten, nämlich unsere Lehrkräfte, auch wirklich unterstützen.
"Fünf Milliarden nur ein Tropfen auf den heißen Stein"
Maleike: Sie haben vorhin die Digitalisierung auch als den wichtigsten Punkt im Moment angesprochen, den Sie auch angreifen wollen. Ich würde sagen, das gibt uns die Gelegenheit, mal in den Alltag reinzuhören und zu hören, wie groß das Problem wirklich ist, und wir gucken da nach Frankfurt in eine Schule, die Afanasia Zwick besucht hat.
Der Mathematiklehrer Martin Kurz erklärt seiner Klasse, wie man das Volumen komplizierter Körper berechnet. Äh, wie war das nochmal?
Aha! Kurz hat den Unterricht von einem Schüler mit dem Smartphone filmen lassen und bei YouTube hochgeladen. So kann sich jeder die Unterrichtseinheit noch einmal anschauen; und zwar so oft bis man es verstanden hat- ein großer Pluspunkt der digitalen Medien im Unterricht, sagt Kurz:
"Der Schüler kann mehr Verantwortung wahrnehmen für seinen eigenen Lernprozess, das ist viel motivierender. Und plötzlich können Schüler Mathematik, was sie selbst nie gedacht hätten."
Es gibt etliche Apps, mit denen man mathematische Funktionen zeichnen und mehrdimensional darstellen kann; Apps für Fremdsprachen, bei denen die Vokabeln vorgelesen werden; Apps, die Slow-Motion-Videos produzieren, um den Versuch in Physik oder den Weitwurf in Sport zu analysieren. Und dennoch- obwohl sogar Schulbuchverlage eigene Applikationen entwickeln- das Smartphone wird aus manchem Unterricht komplett verbannt:
"Ganz einfach, weil es negativ besetzt ist. Man sieht Jugendliche sitzen nebeneinander, die sprechen offensichtlich nicht miteinander, die tippen auf dem Handy und für uns Ältere und Erwachsene ist das einfach merkwürdig. Dann sagt man sich natürlich, man muss ein Gegengewicht geben, besonders als Lehrkraft."
Außerdem schrecke es viele Kollegen ab, dass die Verordnungen zum Datenschutz nicht im Detail geregelt seien, sagt Martin Kurz. Umso wichtiger findet er Fortbildungen in punkto Digitalisierung. Gleich mehrere Projektwochen für Lehrer und Schüler bieten die Medienpädagogen der Frankfurter Initiative "Digitale Helden". Ihr Gründer, Gregory Grund:
"Es ist sicherlich nicht damit geholfen, wenn wir nur Hardware anschaffen, die dann in den Schulen verstaubt. Bestes Beispiel sind Whiteboards. Die gibt es an vielen Schulen, werden aber nur an ganz wenigen didaktisch hochwertig eingesetzt. Mein Wunsch ist also, dass wir uns auch Gedanken darüber machen, wie Lehrkräfte weitergebildet werden. Und das ganze wird sich über die nächsten Jahrzehnte erstrecken und da ist es natürlich schwierig, wenn man mit politischen Konzepten, die einen Planungshorizont von zwei, drei Jahren haben, hantieren muss."
Die Infrastruktur für einen digitalen Unterricht beklagen auch Lehramtsstudierende der Frankfurter Goethe-Universität und der TU Darmstadt. Für sie ist klar: ihr Unterricht soll nicht ohne Smartphones stattfinden:
"Da es eine andere Generation ist, sind sie von vorneherein digitalisierter aufgewachsen und erwarten das dann natürlich auch im Unterricht. / Die Leute, die es an der Uni lernen, haben irgendwelche abstrakten didaktischen Konzepte, die sind nicht gerade fortschrittlich. / Letztes Semester ging’s darum, dass der effektive Unterricht gesteigert werden sollte durch Lernvideos hauptsächlich- einmal von den Lehrern selbst, aber es ging auch darum, wie die Schüler lernen so was zu erstellen."
Die Schüler von Martin Kurz wissen das bereits. Auf jedem Pult liegt ein Smartphone; für jede Klasse hat er eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet; und in jeder Stunde lässt er das Tafelbild abfotografieren und stellt Musterlösungen guter Schüler in den Klassenchat. Seine Unterrichtsmethode kommt an- sowohl bei seinen Schülern als auch bei seinen Kollegen.
Aha! Kurz hat den Unterricht von einem Schüler mit dem Smartphone filmen lassen und bei YouTube hochgeladen. So kann sich jeder die Unterrichtseinheit noch einmal anschauen; und zwar so oft bis man es verstanden hat- ein großer Pluspunkt der digitalen Medien im Unterricht, sagt Kurz:
"Der Schüler kann mehr Verantwortung wahrnehmen für seinen eigenen Lernprozess, das ist viel motivierender. Und plötzlich können Schüler Mathematik, was sie selbst nie gedacht hätten."
Es gibt etliche Apps, mit denen man mathematische Funktionen zeichnen und mehrdimensional darstellen kann; Apps für Fremdsprachen, bei denen die Vokabeln vorgelesen werden; Apps, die Slow-Motion-Videos produzieren, um den Versuch in Physik oder den Weitwurf in Sport zu analysieren. Und dennoch- obwohl sogar Schulbuchverlage eigene Applikationen entwickeln- das Smartphone wird aus manchem Unterricht komplett verbannt:
"Ganz einfach, weil es negativ besetzt ist. Man sieht Jugendliche sitzen nebeneinander, die sprechen offensichtlich nicht miteinander, die tippen auf dem Handy und für uns Ältere und Erwachsene ist das einfach merkwürdig. Dann sagt man sich natürlich, man muss ein Gegengewicht geben, besonders als Lehrkraft."
Außerdem schrecke es viele Kollegen ab, dass die Verordnungen zum Datenschutz nicht im Detail geregelt seien, sagt Martin Kurz. Umso wichtiger findet er Fortbildungen in punkto Digitalisierung. Gleich mehrere Projektwochen für Lehrer und Schüler bieten die Medienpädagogen der Frankfurter Initiative "Digitale Helden". Ihr Gründer, Gregory Grund:
"Es ist sicherlich nicht damit geholfen, wenn wir nur Hardware anschaffen, die dann in den Schulen verstaubt. Bestes Beispiel sind Whiteboards. Die gibt es an vielen Schulen, werden aber nur an ganz wenigen didaktisch hochwertig eingesetzt. Mein Wunsch ist also, dass wir uns auch Gedanken darüber machen, wie Lehrkräfte weitergebildet werden. Und das ganze wird sich über die nächsten Jahrzehnte erstrecken und da ist es natürlich schwierig, wenn man mit politischen Konzepten, die einen Planungshorizont von zwei, drei Jahren haben, hantieren muss."
Die Infrastruktur für einen digitalen Unterricht beklagen auch Lehramtsstudierende der Frankfurter Goethe-Universität und der TU Darmstadt. Für sie ist klar: ihr Unterricht soll nicht ohne Smartphones stattfinden:
"Da es eine andere Generation ist, sind sie von vorneherein digitalisierter aufgewachsen und erwarten das dann natürlich auch im Unterricht. / Die Leute, die es an der Uni lernen, haben irgendwelche abstrakten didaktischen Konzepte, die sind nicht gerade fortschrittlich. / Letztes Semester ging’s darum, dass der effektive Unterricht gesteigert werden sollte durch Lernvideos hauptsächlich- einmal von den Lehrern selbst, aber es ging auch darum, wie die Schüler lernen so was zu erstellen."
Die Schüler von Martin Kurz wissen das bereits. Auf jedem Pult liegt ein Smartphone; für jede Klasse hat er eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet; und in jeder Stunde lässt er das Tafelbild abfotografieren und stellt Musterlösungen guter Schüler in den Klassenchat. Seine Unterrichtsmethode kommt an- sowohl bei seinen Schülern als auch bei seinen Kollegen.
Stimmen aus Frankfurt, Frau Beer, zum Alltag und zu den beutelnden Dingen, die gerade in den Schulen ablaufen, wenn es um die Digitalisierung geht. Sie wissen, dass es gerade den Digitalpakt geben soll beziehungsweise dass er geschnürt werden soll zwischen Bund und Ländern. Würden Sie den auch schnüren?
Beer: Ja. Ich halte es sogar für sträflich, dass das jetzt schon wieder anderthalb, zwei Jahre hängt, zumal die fünf Milliarden nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Aber offensichtlich hat insbesondere Herr Schäuble nicht erkannt, dass es dringend Not ist und vor allem dringend Zeit ist, jetzt hier Geschwindigkeit aufzunehmen, um direkt vor Ort in Schule zu investieren, weil wir letztendlich ja jetzt alle Felder gleichzeitig angehen müssen. Es geht nicht nur um die Frage der Ausstattung. Es geht, und das ist in Ihrem Einspieler wunderbar deutlich geworden, vor allem darum, Lehrkräften erst einmal aufzuzeigen, auch einzuüben, was es für neues pädagogisches Handwerkszeug gibt, um Unterricht einfach besser zu machen, auch individueller anpassbar zu machen, um Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, auch ihre eigene Lerngeschwindigkeit mit zu nutzen und dann eben die verschiedenen technischen Möglichkeiten dazu einzusetzen. Und das Dritte ist, wir müssen eben auch dran, damit wir in Sachen Digitalisierung nicht nur Anwender ausbilden. Ich möchte nicht nur, dass Jugendliche wissen, wie ein Computer angeht und sie das eine oder andere Programm benutzen können, sondern wir wollen ja Entwickler, wir wollen Tüftler, wir wollen Erfinder mit produzieren. Das heißt, wir müssen Menschen fit machen, hinter die Kulisse eines Tablets, eines Computers zu schauen. Sie müssen die Algorithmen verstehen, sie müssen coden können, so wie sie heute Fremdsprachen lernen, um eben die Ingenieure, die Tüftler, die Erfinder der Zukunft zu sein, damit wir selbst diese digitale Welt mitgestalten können. Cybermobbing ist ein großes Problem mittlerweile an unseren Schulen, und das müssen wir ernst nehmen. Das sind Veränderungen, das sind auch Herausforderungen und Risiken, auf die wir eingehen müssen.
"Es verändern sich die Inhalte von Weiterbildung"
Maleike: Sie haben das Stichwort Lehrkräfte mitnehmen gerade genannt. An der Stelle würde ich gern Edith Krepner-Grimme einspielen, die nämlich eine Frage an Sie hat, und sie ist vom Deutschen Lehrerverband in Hessen.
Edith Krepner-Grimme: Digitalisierung ist momentan nicht nur für alle an Schule Beteiligte eines der Schlüsselworte. Daraus resultiert meine zweigeteilte Frage: Durch welche finanziellen Umschichtungen wollen Sie Ihr Ziel, Digitalisierung der Bildung, erreichen? Und zweitens: Wenn Lehrkräfte in diesem Sinne fort- und weiterqualifiziert werden sollen, welche anderen Verpflichtungen gegenüber Lehrkräften werden Sie dafür streichen?
Maleike: Was sind Ihre Antworten, Frau Beer?
Beer: Zum einen geht es darum, zusätzliches Geld zu investieren. Ich möchte nicht eine Umschichtung innerhalb der bestehenden Bildungshaushalte, sondern wir sollten den Ehrgeiz haben, zu den führenden fünf Ländern der OECD aufzuschließen, was Bildungsinvestitionen betrifft. Deswegen habe ich ja vorhin angesprochen, zehn Milliarden aus dem Mehrwertsteueraufkommen zu nehmen und davon auch wenigstens tausend Euro pro Schülerin und Schüler in Technik und Modernisierung zu investieren. Den Rest müssen wir dann schauen, dass wir eben Lehrer-Fort- und Ausbildung zum Beispiel vorantreiben. Es ist auch eine Verpflichtung der Länder, diese Kapazitäten jetzt im Rahmen ihrer Ausbildungsstätten auch zur Verfügung zu stellen. Und wenn Frau Krepner-Grimme sich Gedanken darüber macht, ob das dann die Lehrkräfte überfordert im Hinblick auf ihre Verpflichtung – das glaube ich nicht, weil es geht ja darum, was wird in dieser Lehrer-Fort- und -weiterbildung gemacht. Und Digitalisierung ist nicht nur ein Baustein, der quasi danebengesetzt wird als Add-on, sondern das ist ja auch interdisziplinär in den jeweiligen Fächern zu denken. Also da verändern sich die Inhalte von Weiterbildung, aber eben nicht die Tatsache, dass jetzt das nur ein Obendrauf ist, eine Überforderung.
"Bei Forschungsmitteln unsere Hochschulen besser aufstellen"
Maleike: Denn Herausforderungen gibt es ja noch genug. Lassen Sie uns an der Stelle den Bereich, den Kosmos Schule verlassen und in den nächsten großen Bereich gehen, den wir uns anschauen in unserer Reihe, da geht es um die Hochschule. Was ist aus Ihrer Sicht das größte Problem im Moment im Bereich Hochschule, und was ist Ihr Gegenmittel?
Beer: Meines Erachtens auch die Frage, wie wir bei Grundfinanzierung und bei Forschungsmitteln unsere Hochschulen besser aufstellen. Wir sehen, dass die Investitionen der einzelnen Bundesländer in die Hochschulen sehr unterschiedlich sind, dass insbesondere vor dem Hintergrund der eigenen Bevölkerungszahlen manche Hochschulen gar nicht genug Studienplätze zur Verfügung stellen. Das machen dann andere Bundesländer. Und ich glaube, dass es sinnvoll wäre, hier ein neues Modell, Finanzierungsmodell zu implementieren, dass dann auch die Grundfinanzierung stärkt. Wir nennen das "Geld folgt Studierenden". Wir möchten gern einen länderübergreifenden Finanzierungstopf schaffen, der sich eben an der Wirtschaftskraft und an der Einwohnerzahl der einzelnen Bundesländer orientiert. Das heißt, jedes Land würde dort einzahlen, und die Studierenden würden dann einen sogenannten Bildungsgutschein aus diesem Topf bekommen, den sie an die Hochschule tragen, den sie dort abgeben, wo sie tatsächlich studieren. Also ein Ausgleich. Die Hochschulen wären nicht mehr abhängig von der Finanzkraft ihres einzelnen Bundeslandes, und gleichzeitig würden damit die reellen, die tatsächlichen Kosten der verschiedenen Studiengänge auch abgebildet, das heißt, die Grundfinanzierung gestärkt.
"Der Steuerzahlergemeinschaft etwas zurückgeben"
Maleike: Wir verstehen Sie also richtig, dass die chronische Unterfinanzierung aus Ihrer Sicht das größte Problem für die Hochschulen ist. Sie haben das Wort Studiengebühren gar nicht genannt. Das ist ja jetzt in einigen Bundesländern, unter anderem in Nordrhein-Westfalen, wo Sie ja mit in Regierungsverantwortung sind, jetzt aber das Maß der Dinge. Es werden für die ausländischen Studierenden, die aus Nicht-EU-Staaten kommen, Gebühren verlangt. Ist das für Sie ein Modell, was auch wieder ganzflächig Einzug halten sollte?
Beer: Das Problem der Hochschule ist momentan nicht nur die Unterfinanzierung. Aber ich glaube, gerade die Tatsache, dass in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich mit der Grundfinanzierung umgegangen wird und dementsprechend es eben auch schwierig ist, zusätzliche Mittel im Forschungsbereich draufzusetzen. Da geht es auch bei den Forschungsmitteln nicht nur der Länder, sondern auch des Bundes, noch eine ganze Menge zu verbessern. Studiengebühren sind ein weiterer Finanzierungstopf, der dazukommen soll. Nur leider ist es den Freien Demokraten bislang noch nicht gelungen, das nach wirklich unserem freidemokratischen Modell durchzusetzen. Wir möchten, dass es in der Verantwortung, in der eigenen Entscheidung der Hochschulen ist, ob sie, und wenn ja, in welchen Studiengängen und wie hoch Studiengebühren erheben wollen. Das ist für uns ein neuer, ein umgekehrter Generationenvertrag, weil nämlich diese Studiengebühren explizit nur nachlaufend erhoben werden sollen, also dann, wenn ich meinen Studienabschluss habe und wenn ich ein entsprechendes Gehalt habe, ich quasi der Steuerzahlergemeinschaft etwas zurückgebe von dem, was sie in mich investiert hat und dementsprechend dann sukzessive an diese Studiengebühren, sofern sie von den einzelnen Hochschulen erhoben wurden, zurückzahle.
Hochwertiges Angebot an Hochschulen als Einnahmequelle
Maleike: Janno Vogt, Frau Beer, hat uns eine Mail geschrieben, als er auf diese Serie aufmerksam geworden ist, und hat gesagt, fragen Sie doch bitte unbedingt die Politik, wie sie gedenkt, das berufsbegleitende Studium zu stärken. Wir haben ja einen sehr, sehr großen Qualifizierungsbedarf, und wir haben längst nicht mehr den klassischen Studenten, der alles in Vollzeit macht. Wie beantworten Sie das für die FDP?
Beer: Das ist eine ganz große Nachfrage, und ich glaube, es ist insbesondere sehr wichtig, dass weiter auszubauen, weil wir merken, dass sich ja das Fachwissen immer schneller umschlägt, dass immer mehr neue Sachen entstehen, die ich brauche, sodass gerade auch die Frage wissenschaftlich-technischer Kompetenzen, diese zu erlernen, mich individuell in die Lage zu versetzen, diesen Wandel mitzumachen und auch mitzugestalten, dass das wichtig ist. Also von daher werden wir einen erhöhten Weiterbildungsbedarf auch auf wissenschaftlichem Niveau haben, und das bedeutet schlicht, dass man auch Hochschulen hier stärken muss, so was anbieten zu können. Das dürfte für Hochschulen dann auch dort, wo sie es sehr hochwertig anbieten, eine zusätzliche Einnahmequelle sein. Gleichzeitig ist es meines Erachtens auch im Interesse von Arbeitgebern, hier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für solche Möglichkeiten freizustellen, gegebenenfalls solche Weiterbildungen dann dort auch zu bezahlen und es somit möglich zu machen, dass sie nicht nur Fachkräfte binden, sondern dass sie die auch auf dem neuesten Ausbildungsstand haben.
"Eine Vision für die nächsten 15, 20 Jahre"
Maleike: Was wäre eine erste Amtshandlung in der Bildung, wenn es nach dem 24. September tatsächlich zu einem Ministeramt käme?
Beer: Eine erste Amtshandlung wäre wirklich, alle Ebenen zusammenzuholen und zu sagen, Leute, lasst uns langfristig in Qualität investieren. Das Schlimmste ist, dass momentan gerade in der Bildungspolitik alle zwei, drei Jahre das Ruder wieder um 180 Grad rumgeworfen wird. Wir brauchen für die nächsten 15, 20 Jahre eine Vision, wo wir dann stehen wollen als deutsche Gesellschaft in der Bildung. Und darüber muss man einen Konsens schaffen, damit dann eben auch nachhaltig längerfristig investiert wird.
Maleike: Nicola Beer war das, die Generalsekretärin der FDP, in unserem Parteien-Check zur Bundestagswahl. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Beer!
Beer: Gerne, schönen Tag noch!
Maleike: Diese Pläne und auch die von Grünen, AfD, CDU, CSU und Linke stellen wir auf unserer Homepage zusammen in eine Infobox, unter deutschlandfunk.de, und da fehlt dann nur noch die SPD, und die haben wir übermorgen, am Donnerstag, hier im Gespräch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.