Archiv

FDP-Bundesparteitag
"Wir wollen dem grünen Zeitgeist nicht nachgeben"

Ob es um das Wohnen, die Umwelt oder die Rente gehe – für die Freien Demokraten könne eine Lösung nur eine marktwirtschaftliche sein, sagte die stellvertretende FDP-Vorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Dlf. Der Zeitgeist, der grün angestrichen sei, fühle sich zwar gut an, löse aber keine Probleme.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Gespräch mit Christoph Heinemann |
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Abgeordnete im Deutschen Bundestag und stellvertretende Parteichefin spricht während des 118. Landesparteitags der FDP in der Schwabenlandhalle in Fellbach.
Die stellvertretende FDP-Vorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann war sechs Jahre Bürgermeisterin in Düsseldorf, bevor sie in die Bundespolitik ging (dpa / picture alliance / Sebastian Gollnow)
Christoph Heinemann: Am Telefon ist jetzt die Bundestagsabgeordnete Maria-Agnes Strack-Zimmermann, sie ist, wie gehört, noch stellvertretende Bundesvorsitzende, Wahlkreis Düsseldorf. Guten Morgen!
Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Guten Morgen, Herr Heinemann!
Heinemann: Frau Strack-Zimmermann, wofür gibt es die FDP?
Strack-Zimmermann: Oh, wenn es die FDP nicht gäbe, dann würden wahrscheinlich sehr viele Menschen einem Zeitgeist hinterhereilen, der sich gut anfühlt, der aber die Probleme, die wir haben, nicht wirklich lösen würde. Sie haben gerade in Ihrem Beitrag darauf hingewiesen.
Wir haben unter anderem wachsende Städte, wir haben Gegenden, die vereinsamen, wir beschäftigen uns intensiv damit, und unser Auftrag ist es, dabei Marktwirtschaft, Klarheit und Wahrheit nicht außer Acht zu lassen, keinen Trends hinterherzurennen, sondern Lösungen herauszuarbeiten.
"Wir müssen das Land attraktiver machen"
Heinemann: Wir haben vor allem steigende Mieten in den wachsenden Städten. Christian Lindner schlägt vor, den Enteignungsartikel 15 aus dem Grundgesetz zu streichen. Anlass ist klar, das Berliner Volksbegehren zur Enteignung von Wohnungskonzernen. Können sich Spekulantinnen und Spekulanten auf die FDP verlassen?
Strack-Zimmermann: Ich glaube, das ist ein ganz ernstes Thema, was Sie ansprechen, dass die Mieten immer mehr steigen, die Preise immer höher werden, und selbst Familien, wo Mutter und Vater ein ordentliches Einkommen haben, sich kein Eigentum mehr leisten können, ist unerträglich, und dagegen muss auch in den Kommunen etwas unternommen werden, zum Beispiel in dem Grund und Boden, der städtisch ist, nicht mehr verkauft wird, sondern in Erbpacht weitergegeben wird, um diese hohen Preise zu verändern.
Wir müssen das Land attraktiver machen, indem wir mehr öffentlichen Nahverkehr schaffen, indem wir digitalisieren, das heißt, das Land muss auch technisch aufgemöbelt werden, damit auch Unternehmen wieder Interesse haben, in ländliche Gebiete zu gehen, dort, wo gekauft und gebaut werden kann.
Das Thema Enteignung hat damit überhaupt nichts gemein. Enteignung ist ein Drohpotenzial, um Menschen, die sich etwas schaffen wollen, um das ihnen wegzunehmen. Das ist ein DDR-Relikt, das kann man hier in Berlin gerne wünschen. Für uns ist das ein No-Go.
"Ich komme aus der Kommunalpolitik. Ich weiß, wovon ich rede."
Heinemann: Wem gehört denn der Wohn- und Lebensraum in deutschen Städten?
Strack-Zimmermann: Der Wohn- und Lebensraum in deutschen Städten gehört den Menschen, die dort leben, wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, Eigentum zu erwerben. Vieles ist in den letzten Jahren in Deutschland falsch gelaufen. Das hat auch etwas damit zu tun, dass die Grunderwerbssteuer … Sie kennen die Problematik, wenn Sie heute Wohnungen kaufen, haben Sie unvorstellbare Nebenkosten, die dabei entstehen.
All das haben alle laufen lassen, all das muss geändert werden. Es gehört aber auch zur Wahrheit aber auch dazu, dass der Druck auf die Städte in den letzten Jahren enorm gewachsen ist.
Ich komme aus der Kommunalpolitik, ich war sechs Jahre lang Bürgermeisterin von Düsseldorf. Ich weiß, wovon ich rede. Vor zehn Jahren war das, was wir heute erleben, in dieser Form nicht absehbar.
Das heißt, wir müssen umdenken, wir müssen umschwenken, aber Enteignung wird es mit den Freien Demokraten nicht geben.
Heinemann: Frau Strack-Zimmermann, Christian Lindner hat zuletzt die Freitagsdemonstration Fridays for Future von Jugendlichen kritisiert mit der Aussage, Klimaschutz sei eine Sache für Profis. Wissen Sie, was er damit sagen wollte?
Strack-Zimmermann: Ich gehe davon aus, dass er damit sagen wollte, dass es selbstverständlich ist, dass jeder demonstrieren sollte und muss, und wenn es junge Leute machen, umso besser, weil es um deren Zukunft geht.
"Was wir brauchen, ist professionellen Ansatz"
Heinemann: Ja, genau das hat er ja nicht gesagt.
Strack-Zimmermann: Es gibt bei dieser Problematik, bei dem Thema Umweltproblematik gibt es auch schlichtweg auch die Sorge, dass wir in eine Situation geraten, oder anders gesagt: Junge Leute gehen auf die Straße, sollten auch ältere Leute übrigens tun, und es täte uns gut, wir sollten das ernstnehmen, aber die Problematik, wie gehen wir mit dem Klima in Zukunft um, ist nicht alleine mit Demonstrationen getan, sondern es ist damit getan, dass wir Alternativen finden.
Beispiel: Wir reden vom Verbrennungsmotor auf der einen Seite, ausschließlich von der Elektromobilität auf der anderen Seite. Das ist aber nicht die alleinige Alternative. Was wir brauchen, ist professionellen Ansatz.
Sich Gedanken darüber zu machen, dass Menschen mobil sein wollen, das wollen wir im Übrigen auch nicht verbieten, und dass es neben Verbrennung und neben Elektro noch andere Alternativen geben muss, darüber müssen wir streiten, darüber müssen wir ringen, und das ist für manche natürlich nicht so angenehm.
"Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Rentner fünf Millionen Euro gewinnt, ist überschaubar"
Heinemann: Christian Lindner hat die Idee einer Grundrente mit dem Argument zurückgewiesen, wer eine kleine Rente beziehe und zusätzlich fünf Millionen Euro geerbt habe, der benötige keine zusätzlichen Leistungen von Bundesarbeitsminister Heil. Wie häufig, glauben Sie, gibt es diese Konstellation in Deutschland?
Strack-Zimmermann: Ich wünsche, es gäbe sie häufiger, aber Herr Heinemann, Sie arbeiten sich gerade an Christian Lindner ab, an Zitaten, und ich muss sagen, das ist doch ein wenig …
Heinemann: Der Mann ist der Parteichef.
Strack-Zimmermann: Das ist der Parteichef, in der Tat, und ich durfte vor fünfeinhalb Jahren mit ihm sehr gut zusammenarbeiten. Gerade deswegen kann ich das so auch nicht stehen lassen, dieses Abarbeiten an einzelnen Persönlichkeiten.
Es geht doch hier nicht um einzelne Persönlichkeiten, es geht um große wichtige Themen, die wir in Zukunft gestalten müssen in einer Zeit …
Heinemann: Frau Strack-Zimmermann, wie wirkt das denn auf Bürgerinnen und Bürgern, wenn man vor kleinen Rentnern mit Riesenerbe warnt?
Strack-Zimmermann: Wir haben das Problem, dass wir in eine Situation geraten, dass ältere Menschen von ihrer Rente nicht mehr leben können. Auch das ist etwas, mit dem wir natürlich umgehen müssen und es nicht hinnehmen dürfen, dass Leute, die ein Leben lang hart gearbeitet haben, eine kleine Rente haben.
"Wir wollen auch nicht ständig Verbote aussprechen"
Heinemann: Wieso sagt Christian Lindner denn so etwas nicht?
Strack-Zimmermann: Ich würde Sie bitten, an der Stelle Christian Lindner zu fragen. Dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Rentner fünf Millionen Euro gewinnt, eher überschaubar ist.
Es ist genauso überschaubar, dass Sie, Herr Heinemann, oder ich das gewinnen würden. Dann würden Sie wahrscheinlich auch Ihren Beruf aufgeben dürfen.
Heinemann: Keineswegs, macht mir großen Spaß.
Strack-Zimmermann: Ja, das verbindet uns beide, das ist gut.
Heinemann: Sehen Sie.
Strack-Zimmermann: Die Frage ist doch, dass wir Probleme haben, dass wir Herausforderungen haben, in die Zukunft, um Deutschland so fit zu halten wie es jahrzehntelang war, und das wird es nicht mehr sein.
Wir haben nur noch ein geringes Wachstum im Gegensatz zu anderen Ländern. Es läuft alles nach dem Motto, es ist immer alles gutgegangen, wir sind ein tolles Land, es wird aber so nicht weitergehen, wenn wir nicht gegensteuern.
Darüber muss man diskutieren, da muss es Antworten geben, die nicht allen passen, und dann steht man eben im Feuer und muss das ausdiskutieren. Das gehört zur Demokratie dazu, und das werden die Freien Demokraten auch ertragen.
Heinemann: Wieso tritt Christian Lindner ständig in Fettnäpfe?
Strack-Zimmermann: Ich würde nicht sagen, dass Christian Lindner in Fettnäpfe tritt, ich würde sagen, dass er in vielen Dingen ins Schwarze tritt, weil wir eben nicht bereit sind, dem Zeitgeist, der momentan grün angestrichen ist, nachzugeben.
Wir wollen auch nicht ständig Verbote aussprechen und Leute in ihrer Lust auf Mobilität einschränken, und wir wollen – ich sage das an der Stelle noch mal sehr deutlich –, wir wollen nicht, dass über Enteignung gesprochen wird, weil wenn Sie Menschen etwas wegnehmen, das sie gekauft haben, wo Investitionen nötig sind, dann ist das ein … unvorstellbare Folgen wird das haben, und das wollen wir nicht.
Insofern tritt er nicht in Fettnäpfchen, er trifft oft ins Schwarze, und da momentan sehr viel Grün ist und das Schwarze nicht so wahnsinnig gern gesehen wird, muss man das eben aushalten, und diese Diskussion führen.
Ich bin zutiefst überzeugt, dass die Menschen auch heute, die diese Sendung hören, wissen, dass ohne marktwirtschaftliche Ansätze wir Deutschland nicht so fit halten können, wie wir derzeit sind. Wir sprechen, Herr Heinemann, von Millionen von Arbeitsplätzen, die möglicherweise in Gefahr sind, und da hört der Spaß dann … auch der grüne Spaß hört dann auf.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.