Durch das Ampel-Aus, die „D-Day“-Affäre und ein internes Strategiepapier hat die Glaubwürdigkeit der FDP stark gelitten. Wie die Liberalen mit der schweren Krise umgehen, wird mit darüber entscheiden, ob sie nach der vorgezogenen Bundestagswahl wieder im Parlament sitzen werden. In ihrem Wahlprogramm setzt die FDP Schwerpunkte.
Wer führt die FDP in die Bundestagswahl?
Das Gesicht der FDP ist und bleibt Parteichef Christian Lindner. Die Rückendeckung seiner Partei scheint ihm sicher, trotz kritischer Stimmen zur "D-Day"-Affäre. Von den Parteigremien wurde er zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl nominiert.
Lindner ist seit Ende 2013 FDP-Chef. Seine Mitstreiter im Wahlkampf sind alte Bekannte. Wolfgang Kubicki ist von der FDP in Schleswig-Holstein auf Listenplatz eins gewählt worden. Die ehemalige Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger will die Hessen-FDP in den Bundestagswahlkampf führen.
Eine wichtige Aufgabe kommt auch dem neuen Generalsekretär, Ex-Justizminister Marco Buschmann, zu. Er kommt wie Lindner aus dem Landesverband NRW.
Mit welchen Inhalten geht die FDP in den Wahlkampf?
Am 17.12. 2024 stellte die Partei ihr Wahlprogramm vor. In einem Entwurf werden auf 48 Seiten die Forderungen der Liberalen aufgelistet. Hier die Themen im Überblick:
Steuern
Die FDP will den Grundfreibetrag in der Einkommensteuer um mindestens 1.000 Euro anheben. Dies solle sicherstellen, dass sich Arbeit mehr lohne, als Sozialleistungen zu beziehen. Überstunden bei Vollzeitarbeit sollen von der Lohnsteuer befreit werden. Der Spitzensteuersatz soll nicht wie bisher bei einem Jahreseinkommen von 68.000 Euro greifen, sondern erst ab 96.600 Euro. Eine Vermögensteuer lehnt die FDP nach wie vor ab. In der Gastronomie soll ein reduzierter Mehrwertsteuersatz für Speisen von sieben Prozent gelten.
Die Unternehmenssteuerbelastung soll auf unter 25 Prozent reduziert werden. Der Solidaritätszuschlag soll vollständig abgeschafft und die Körperschaftsteuer gesenkt werden.
Finanzen
Die FDP macht sich weiter für die Schuldenbremse stark, diese sei laut Entwurf ein „zentrales Gebot“. In Deutschland will die FDP Subventionen zurückfahren und Staatsbeteiligungen veräußern. Die „vielen Milliarden Euro staatlicher Gelder an einzelne Branchen und Unternehmen“ seien zum Beispiel in der Bildung besser investiert. Auf EU-Ebene lehnt die Partei jede Verschuldungskompetenz ab, der Corona-Wiederaufbaufonds müsse eine einmalige Ausnahme bleiben.
Bildung
Die FDP spricht sich für eine bundesweite Einführung der Schulfächer Wirtschaft und Informatik aus.
Bürokratie
Drei Jahre nach der Bundestagswahl sollen keine neuen Regularien beschlossen werden, die für Unternehmen zu neuen bürokratischen Belastungen führen, „es sei denn, sie sind vorher in gleichem Umfang abgebaut worden.“ Zudem soll es jedes Jahr ein Bürokratieentlastungsgesetz geben, um überflüssige Regelungen abzuschaffen. Ziel ist eine Reduzierung der Bürokratiekosten für Betriebe um mindestens sechs Milliarden Euro pro Legislaturperiode.
Arbeit
Eine gesetzliche Regelung für eine Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich lehnen die Liberalen ab. Außerdem sind sie gegen politische Eingriffe in die Arbeit der Mindestlohnkommission. Das Bürgergeld soll grundlegend reformiert werden, "bei fehlender Initiative sollen die Sozialleistungen Stück für Stück reduziert werden."
Klimapolitik
Die FDP positioniert sich gegen das bisherige Ziel der Bundesregierung, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Stattdessen sollte man sich am EU-Ziel 2050 orientieren. Das Verbrennerverbot ab 2035 bei Neuzulassungen soll aufgehoben werden. Den Flugverkehr will die FDP durch eine Streichung der Luftverkehrssteuer fördern.
Wohneigentum
Mit einem Grunderwerbsteuerfreibetrag von 500.000 Euro für die erste selbst genutzte Immobilie will die FDP den Zugang zu Eigentum erleichtern. Die Spekulationssteuer beim Verkauf selbstgenutzter Immobilien soll wegfallen.
China
Die FDP fordert eine Anpassung der deutschen und europäischen China-Politik. Die Abhängigkeit müsse bei Importen aus China in sicherheitsrelevanten Bereichen und in Schlüsselzweigen der Wirtschaft reduziert werden. Kritische Infrastruktur müsse wirksam vor chinesischer Einflussnahme geschützt werden.
Mit welchen Problemen kämpft die FDP gerade?
Hauptproblem der FDP beim Start in den Bundestagswahlkampf ist der Umgang mit der sogenannten D-Day-Affäre. Im Wahlkampf geht es nicht mehr nur darum, wer hauptverantwortlich für den Bruch der Ampelkoalition ist, sondern auch um grundlegende Werte wie Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit und Aufrichtigkeit.
Die Führung der FDP soll unter dem Projektnamen „D-Day“ auf einen Bruch der Koalition hingearbeitet haben. Ein öffentlich gewordenes Strategiepapier führte zum Rücktritt von FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann.
Djir-Sarai hatte zunächst betont, der Begriff „D-Day“ sei nicht benutzt worden. Das Strategiepapier, in dem Ablaufszenarien und Kommunikationsstrategien zum Ampel-Ausstieg erörtert werden, enthält allerdings Begriffe wie „D-Day“ oder „offene Feldschlacht“. Djir-Sarai sagte bei seinem Rücktritt, er habe keine Kenntnis von dem Papier gehabt. Parteichef Lindner behauptete, er habe das Papier "nicht zur Kenntnis genommen".
Ansehen höchstens noch bei Stammwählern
„Die FDP kann fast nicht noch mehr Vertrauen verlieren“, sagt Politikwissenschaftlerin Ursula Münch: „Sie steht ohnehin sehr schlecht da und ist im Augenblick allerhöchstens noch bei ihrer Stammwählerschaft angesehen.“ Doch bis zur Wahl könne sich die FDP noch erholen.
Lindner hatte vor Bekanntwerden des Papiers darauf verwiesen, dass auch die SPD bereits im Sommer Szenarien zu einem Ende der Ampel durchgespielt habe. Auch andere FDP-Spitzen hatten betont, dass die Liberalen ihren Kurs klar kommuniziert und für einen Fortbestand der Ampel-Koalition auf eine "Wirtschaftswende" bestanden hätten. Lindner hatte ein entsprechendes Papier vorgelegt. Von dem er allerdings wissen musste, dass es nicht kompatibel war mit den wirtschaftspolitischen Vorstellungen von SPD und Grünen.
Wie sind die Umfragen für die FDP?
Bei der Bundestagswahl 2021 erhielt die FDP gut elf Prozent der Stimmen. Die Partei wurde damit viertstärkste Kraft nach der SPD, der Union und den Grünen. Derzeit kommt die FDP laut Umfragen nur noch auf drei bis fünf Prozent. Die Freien Demokraten waren bereits 2013 - nach vier Jahren schwarz-gelber Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) - am Wiedereinzug in den Bundestag gescheitert.
Fünf Prozent würden für den Einzug in den Bundestag reichen, doch die Liberalen wollen mehr. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Wolfgang Kubicki, hat als Ziel ein zweistelliges Ergebnis ausgegeben. Auch FDP-Chef Lindner hält das für realistisch.
Zu den wichtigsten Themen, die die Bundesbürger zur Zeit beschäftigen, gehören laut einer aktuellen YouGov-Umfrage die Migrations-, die Wirtschafts- und die Umweltpolitik. Da die sogenannte Wirtschaftswende ein zentrales Ziel der FDP ist, könnte sie von der Stimmung im Land profitieren. Punkten könnte die Partei auch bei ihren Stammwählern, die mit der Ampelkoalition unzufrieden waren.
Wie stehen die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung der FDP?
FDP-Chef Lindner will nach der vorgezogenen Bundestagswahl erneut regieren und wirbt für ein Bündnis mit der Union unter Führung von Friedrich Merz. In den jüngsten Umfragen lag die Union mit mehr als 30 Prozent weit vor allen anderen Parteien. Doch könnten Union und FDP nach derzeitigem Stand keine Mehrheit bilden - dafür müssten die Liberalen deutlich zulegen. Eine erneute Kooperation der FDP mit SPD oder Grünen erscheint angesichts des Zerwürfnisses mit den ehemaligen Koalitionspartnern momentan sehr unwahrscheinlich.
CDU-Chef und Kanzlerkandidat Merz hat sich bislang nicht festgelegt. Eine Koalition mit den Grünen schließt er trotz größerer Differenzen bei gesellschaftspolitischen Themen und in der Wirtschaftspolitik nicht aus. Lindners Vorschläge zur „Wirtschaftswende“ trafen bei Merz auf Zustimmung. Allerdings kann sich Merz inzwischen auch eine Lockerung der Schuldenbremse vorstellen – was der FDP-Chef kategorisch ablehnt.
rey, jfr, tei, pj