Bundesvorstandsmitglied Vogel betonte im Deutschlandfunk, für die FDP sei Bildung die wichtigste soziale Aufgabe der Zukunft. Außerdem gehe es darum, wie man den Wohlstand in der Digitalisierung bewahren könne.
Auf einem heute beginnenden Bundesparteitag der FDP in Berlin wird die Parteispitze um den Vorsitzenden Christian Lindner neu gewählt. Außerdem wollen die rund 660 Delegierten das Programm zur Bundestagswahl beschließen.
Das Interview in voller Länge:
Christoph Heinemann: Abgabenlast senken, Bildung, Digitalisierung – zentrale Begriffe des Wahlprogramms der FDP für die Bundestagswahl im September, das von heute an auf dem Bundesparteitag in Berlin diskutiert und schließlich verabschiedet werden soll.
Schauen wir mal über die Landesgrenzen. Der eine ist liberal, Ende der 70er-Jahre geboren und ausgesprochen erfolgreich, denn er hat gerade aus dem Stand und ohne parteipolitische Traditionskompanien im Rücken mit 24 Prozent der Stimmen die erste Runde der französischen Präsidentschaftswahl gewonnen.
Der andere ist liberal, Ende der 70er-Jahre geboren, und hier enden die Gemeinsamkeiten zwischen Emmanuel Macron und Christian Lindner, denn wie gerade im Bericht von Klaus Remme gehört: Gerade mal fünf bis sechs Prozent bescheinigen die Meinungsforscher der FDP auf Bundesebene.
Am Telefon ist jetzt Johannes Vogel, Mitglied des FDP-Bundesvorstandes und Generalsekretär der FDP in Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen!
Johannes Vogel: Guten Morgen!
Heinemann: Herr Vogel, was kann Emmanuel Macron, was Christian Lindner nicht kann?
"Die Erneuerung der FDP hört damit nicht auf"
Vogel: Ich glaube erst mal, Emmanuel Macron macht uns allen ja Mut, weil da ein Reformer der Mitte sich gegen die Populisten stellt. Das ist etwas, was wir teilen, und ich freue mich, dass er vorne lag.
Heinemann: Auch Mut den erfolglosen Liberalen?
Vogel: Er macht auch uns Mut, weil es zeigt, dass eine solche weltoffene, reformorientierte, sich Gedanken um die Zukunft machende Position der Mitte ja stark werden kann dieser Tage, und genau auf dem Weg sind wir auch.
Aber es ist ja völlig klar, dass die FDP aus der Außerparlamentarischen Opposition auch mit den Schwierigkeiten, sich mediale Sichtbarkeit zu erkämpfen, was wir gut machen, aber was aus der APO schwieriger ist, als wenn man im Deutschen Bundestag sitzt, dass das ein Weg ist. Aber ich bin ganz sicher, dass wir den im Herbst erfolgreich gehen werden, und dann soll es auch weitergehen. Die Erneuerung der FDP hört ja damit nicht auf.
"Wir waren in der schwersten Krise der Geschichte unserer Partei"
Heinemann: Für die mediale Sichtbarkeit sorgen wir beide ja heute früh.
Vogel: Genau. Der Deutschlandfunk ist natürlich die perfekte Ausnahme dafür. Das muss man natürlich auch mal sagen.
Heinemann: Na wunderbar. – Was schafft Macron, was Lindner nicht hinbekommt?
Vogel: Um es noch mal zu sagen, Herr Heinemann. Wir müssen ja mal festhalten, aus welcher Situation die FDP kommt. Wir waren in der schwersten Krise der Geschichte unserer Partei. Wir sind aus dem Deutschen Bundestag geflogen als Traditionspartei und haben uns dann auf den Weg der Erneuerung gemacht und haben angefangen bei der Landtagswahl in Hamburg über die Landtagswahlen letztes Jahr uns Schritt für Schritt wieder vorangearbeitet.
Jetzt haben wir das Vertrauen zurückgewonnen und aktuell stehen erst mal die Landtagswahlen in NRW und Schleswig-Holstein an. Die Umfragen machen uns da Mut, dass wir mit einem starken Ergebnis rausgehen werden, und mit der Bilanz stellen wir uns dann dem Bundestagswahlkampf, übrigens auch mit einem inhaltlichen Angebot. Darüber müssen wir vor allem reden. Und dann, bin ich ganz sicher, werden die Bürgerinnen und Bürger sagen, da fehlt was im Deutschen Bundestag, da fehlt eine Kraft der Mitte, die sich um die Zukunft Gedanken machen will. Ich treffe immer mehr Menschen, die das genau so sehen.
Andere Parteien: "Nur Rückabwicklung und Vergangenheitsbeschäftigung"
Heinemann: Fehlt vielleicht auch was im Programm der FDP, jetzt noch mal verglichen mit Macron. Der weiß immerhin, was Sozial bedeutet.
Vogel: Wollen wir mal darüber reden, wo wir im Moment in Deutschland stehen. Dann haben wir doch die Diskussion, dass die SPD immer noch sich quasi gruppendynamisch an der eigenen erfolgreichen Agenda 2010 abarbeitet, die ernsthaft weiter rückabwickeln will, und die CDU dabei stehen bleibt, den Status quo zu verteidigen.
Und was wir vorschlagen ist, lasst uns doch Gedanken machen, wie muss eine Zukunftsagenda aussehen, wie könnte eine Agenda 2030 aussehen. Und da geht es um Fragen wie Bildung, und das ist übrigens die wichtigste soziale Aufgabe auch, dass jeder eine Chance hat, sich was aufzubauen, seinen Weg im Leben zu gehen, unabhängig davon auch, aus welchem Elternhaus er kommt, wie er aussieht, welche Herkunft er hat.
Wir müssen uns Gedanken machen, wie können wir unseren Wohlstand in der Digitalisierung erhalten. Ich glaube, das sind die Fragen, die wir diskutieren müssen. Die sind sinnvoller als das, was die anderen Parteien als Gerechtigkeitsfragen ausgeben, was in Wahrheit nur Rückabwicklung und Vergangenheitsbeschäftigung ist, und da bin ich ganz zuversichtlich, sich der Debatte auch in Sozialpolitik und in der Gerechtigkeitsfrage zu stellen.
"Ich bin froh, dass wir mit Lindner ein so starkes Zugpferd haben"
Heinemann: Über die genannten Themen diskutieren die anderen ja auch, und zwar als Parteien. Der "Spiegel" bezeichnete die FDP jüngst als CLP, als Christian-Lindner-Partei. Übertreiben Sie es ein bisschen mit Ihrem Vorsitzenden?
Vogel: Wir sind ein starkes Team in der erneuerten FDP. Aber wir haben auch ein Zugpferd und ich bin froh, dass wir mit Christian Lindner so ein starkes Zugpferd haben. Ich habe es eben gesagt: In der APO sind gerade die medialen Räume eng. Sie werden sehen, dass, wenn wir im Deutschen Bundestag zurück sind, die Bühne genutzt werden wird zu zeigen, welche personelle Stärke auch die erneuerte FDP hat.
Aber bis dahin bin ich ganz froh, dass wir so ein starkes Zugpferd haben. Und jede Partei stellt natürlich ihren Vorsitzenden in den Mittelpunkt. Ich glaube, das ist keine Schwäche. Im Gegenteil: Das ist eine Stärke.
Heinemann: Das Team ist so stark, dass in Nordrhein-Westfalen auf den FDP-Plakaten nur Christian Lindner zu sehen ist, den es obendrein ja noch in den Bundestag zieht. Er will ja eigentlich gar nicht in den Landtag. So viel zum Thema Team.
Vogel: Wenn Sie, lieber Herr Heinemann, erneut versuchen, das zu einer Schwäche zu deuten, was ich für eine Stärke halte. Die SPD plakatiert in Nordrhein-Westfalen auch Hannelore Kraft. Einen anderen SPD-Politiker habe ich auf den Plakaten auch noch nicht gesehen. Das ist deren Spitzenkandidatin.
"Die Bürgerinnen können mit einer Stimme für die FDP den Politikwechsel in NRW erreichen"
Heinemann: In meinem Wahlkreis hängt selbstverständlich ein Foto der SPD-Kandidatin des Wahlkreises.
Vogel: Der SPD-Wahlkampfkandidatin, genau. Und in jedem anderen Wahlkreis in NRW und in Ihrem auch hängt auch ein Plakat (und nicht nur eins, sondern mehrere) des lokalen FDP-Kandidaten. Die Frage ist ja, welcher Spitzenkandidat ist auf den Großflächen-Plakaten, und das ist bei jeder Partei der Spitzenkandidat.
Und Christian Lindner ist unser Landesvorsitzender in NRW. Er ist auch die letzten Jahre Landespolitiker gewesen. Und natürlich gehen wir mit ihm an der Spitze in diese Landtagswahl und die Bürgerinnen und Bürger können mit einer Stimme für die FDP den Politikwechsel in NRW erreichen. Den brauchen wir dringend! Nordrhein-Westfalen steht überall hinten: bei den Bildungsausgaben, bei den Staus.
Dann können die Bürgerinnen und Bürger sicher sein, Christian Lindner wird im Landtag auch Verantwortung tragen in der Phase der Regierungsbildung. Sie können aber auch ein Signal an die ganze Republik senden, dass sie finden, dass starke Liberale auch wieder zurück in den Deutschen Bundestag gehören. Es ist doch dann ganz normal, dass unser Bundesvorsitzender uns dann auch im Herbst in die Bundestagswahl führt.
"Die Grünen in NRW werfen den Unternehmen Knüppel zwischen die Beine"
Heinemann: Schauen wir noch mal auf die Wahlwerbung. Grün-rote Wirtschaftspolitik sei ein anderes Wort für Sabotage, plakatiert die FDP in Nordrhein-Westfalen. Lassen Sie Ihre Werbesprüche von der AfD texten?
Vogel: Nein! Das ist leider die Lage in Nordrhein-Westfalen. Andere Medien haben das kommentiert als "so geht pointierter Oppositionswahlkampf". Das sehe ich von der CDU in NRW leider zu wenig. Wissen Sie, in NRW werden insbesondere durch die Grünen in der Landesregierung, aber es ist die Politik der gesamten Landesregierung, werden den Unternehmen Schritt für Schritt konsequent immer neue Knüppel zwischen die Beine geworfen.
Der IHK-Präsident in NRW, Ralf Kersting, der hat das so zusammengefasst: Wirtschaftspolitik in NRW sei, immer auf die Regeln, die es aus Brüssel und aus Berlin ohnehin schon gibt, noch eins draufzupacken und sich dazu neue Hürden, bürokratische Belastungen und Belästigungen auszudenken, die es sonst nirgendwo gibt.
Das heißt, Unternehmen, jungen Unternehmen, etablierten Unternehmen, Start-ups, Mittelständlern, Handwerkern werden permanent Steine in den Weg gelegt, und dann muss man sich nicht wundern, dass NRW nicht überall vorne steht.
Heinemann: Das kann man kritisieren, Herr Vogel.
Vogel: Genau.
"Wir wollen die Möglichkeiten für Unternehmen erweitern"
Heinemann: Kann man einem demokratischen Mitbewerber Sabotage vorwerfen? Sabotage, das ist eine absichtliche Zerstörung von Infrastruktur, von Maschinen und so weiter.
Vogel: Das ist leider exakt das, was diese Landesregierung macht. Sie legt absichtlich Unternehmen immer neue Steine in den Weg und sie baut bürokratische Hürden auf, die es sonst nirgendwo gibt. Ich kann das nicht als sinnvoll empfinden. Wir haben in NRW die höchste Arbeitslosigkeit aller Flächenländer. Das verbaut Menschen ganz konkret jeden Tag Lebenschancen. Wir haben den höchsten Anteil von Langzeitarbeitslosen. Da müssen wir doch was gegen tun!
Das Beste, was man dafür tun kann, ist, dafür sorgen, dass Handwerker, Mittelständler, übrigens gerade auch junge Unternehmer sich aufbauen können, wirtschaftlich erfolgreich sein können, Arbeitsplätze schaffen können. Wir haben in NRW doch unfassbare Chancen. Wir haben die höchste Hochschuldichte in Deutschland. Wir könnten das Gründerland Nummer eins sein.
All das geht aber nur, wenn wir weniger Bürokratie schaffen und Hürden wegräumen. Deswegen ist eines unserer zentralen Themen, wir wollen die Möglichkeiten für Unternehmer erweitern. Wir wollen hier eine wirtschaftliche Entfesselung schaffen und darüber reden wir auch pointiert im Wahlkampf.
"Wir verhelfen nicht der aktuellen Landesregierung zur Mehrheit"
Heinemann: Das heißt aber in letzter Konsequenz, eine Zusammenarbeit mit der SPD ist vollständig ausgeschlossen nach der Landtagswahl.
Vogel: Wissen Sie, ich glaube, …
Heinemann: Ja oder nein?
Vogel: Nein! Wir sind offen für Gespräche. Das haben wir klar gesagt.
Heinemann: Ach so! Sie würden mitarbeiten als Co-Saboteure dann?
Vogel: Nein, Herr Heinemann. Lassen Sie mich das ausführen. Wir sind offen für Gespräche, weil es um unser Land geht und weil wir unser Land verändern wollen. Was wir klar gesagt haben ist, dass wir nicht der aktuellen Landesregierung zur Mehrheit verhelfen, weil es ist unglaubwürdig, dass man dann einen Politikwechsel um 180 Grad schafft. Deswegen haben wir klar gesagt, die Ampel gibt es mit uns nicht, weil genau für den Politikwechsel werben wir und für den Politikwechsel stehen wir ein.
Aber darüber hinaus sind wir offen für Gespräche, weil wir unser Land ja verändern wollen. Nur eins ist klar: Mit uns kann es nur einen Politikwechsel geben, und wenn sich der nicht erreichen lässt, dann gehen wir lieber in die Opposition. Und in der Tat fehlt mir die Fantasie, dass Frau Kraft plötzlich zu einer anderen Politikerin wird, aber das ist eine Frage, die Sie dann der SPD stellen müssen.
Heinemann: Johannes Vogel, Mitglied des FDP-Bundesvorstandes und Generalsekretär der FDP in Nordrhein-Westfalen. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Vogel: Danke Ihnen, Herr Heinemann. Schönen Tag.
Heinemann: Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.