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FDP in Rheinland-Pfalz
Kampf ums Prestigeprojekt

In Rheinland-Pfalz ist die FDP zum ersten Mal seit 2014 wieder in einer Landesregierung vertreten. In der rot-gelb-grünen Koalition wollte der liberale Landeschef Volker Wissing den kühlen Rechner und Wirtschaftsweisen geben. Doch schon zu Beginn patzte die Ampel. Dabei soll sie das Renommierprojekt der FDP im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 abgeben.

Von Anke Petermann |
    Der rheinland-pfälzische FDP-Landeschef Volker Wissing auf der Baustelle des Hochmoselübergangs.
    Lächeln für die Kameras: Der rheinland-pfälzische FDP-Landeschef Volker Wissing meint, die Koalition habe einen "Traumstart" hingelegt. (Deutschlandradio/Anke Petermann)
    Mit Helm und Neon-Jacke wagt sich der Mainzer Verkehrsminister ganz nah an den Abgrund von Europas größter Brückenbaustelle - bis ans provisorische Geländer des gigantischen Beton-Skywalks 160 Meter hoch über der Mosel. Mögen die mitregierenden Grünen den Hochmoselübergang weiter als "Monster" kritisieren - die FDP setzt auf Fortschritt in der rheinland-pfälzischen Infrastruktur, signalisiert Volker Wissing:
    "Das ist eine Meisterleistung deutscher Ingenieurskunst, da können wir stolz drauf sein!"
    Wie hydraulische Pressen die Brückendecke im Zeitlupentempo über die Mosel Richtung Eifelseite schieben, lässt sich der Ressortchef haarklein erklären. Mithilfe von Spezial-Beschichtungen gleitet die Betondecke sanft über die gigantischen Pfeiler. Wissing fasziniert das, er rekapituliert:
    "Neopren sorgt dafür, dass es oben haftet."
    "Ja."
    "Das heißt, hier oben haben wir die Haftung durchs Neopren und unten haben wir das Nicht-Anhaften durchs Teflon."
    "Ja, genau."
    "Die Ampel hat einen Traumstart hingelegt"
    Dass er selbst mittels Teflon-Schicht die erste große Krise ohne Anhaftung übersteht - darauf hat der zweite Mann der Regierung Dreyer wohl vertraut. Der spektakuläre Reinfall auf chinesische Hochstapler beim Verkauf des Hunsrück-Flughafens Hahn machte das neue Ampelbündnis schnell zum Gespött der Republik. Doch im SWR-Sommerinterview bilanziert Wissing ungerührt:
    "Die Ampel hat einen Traumstart hingelegt."
    - "Also, die öffentliche Wahrnehmung ist da, glaub‘ ich, wirklich eine andere."
    "Ja, die öffentliche Wahrnehmung ist natürlich stark gestört durch dieses Ereignis am Flughafen Hahn. Das ist ja auch ein dickes Ding, dass man quasi unseriösen Geschäftsleuten aufgesessen ist."
    "Die Roten haben‘s wieder mal verbockt", formulieren andere Liberale salopper - hinter vorgehaltener Hand. Sie meinen den zuständigen Infrastrukturminister von der SPD. Roger Lewentz zurrte den Deal fest, bevor die FDP in die Regierung eintrat, betont Wissing. In der Frage der Verantwortung streift der stellvertretende Ministerpräsident Neopren über, geht auf Tauchstation. Nur: Beurkundet wurde der Vertrag mit den Möchtegern-Investoren aus Schanghai erst Anfang Juni. Zwei Wochen war die Regierung da alt. Wissing hätte gegenchecken können, was sein Kabinettskollege eingefädelt hatte. Doch der Ober-Liberale vertraute, statt zu kontrollieren. Dabei hatte er Rot-Grün um Dreyer und Lewentz im Wahlkampf stets als unfähig abgekanzelt:
    "Die Projekte in Rheinland-Pfalz wie Hahn, Nürburgring, Flughafen Zweibrücken, laufen alle nach dem Dreisatz ab: 'politisch organisiert, subventioniert und ruiniert' - und diesen Dreisatz zu durchbrechen, ist Aufgabe einer besseren Landespolitik."
    Glaubwürdigkeit verloren?
    Das war vor der Wahl. Seit Eintritt in die Regierung aber ist die FDP loyal bis zur Selbstaufgabe, meinen Kritiker. Von ihren "Traum-Koalitionären" schwärmt hingegen Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Das Misstrauensvotum der Opposition schmetterte die Sozialdemokratin gemeinsam mit FDP und Grünen ab. Julia Klöckner bleibt allein die Genugtuung, die Liberalen vorgeführt zu haben. Die Partei, die sich so viel auf ihre ökonomische Kompetenz zugutehält, hängt ab jetzt mit drin, höhnt die Oppositionschefin von der CDU:
    "Sich jetzt absetzen von rot-grünem Regierungshandeln, das wird für die FDP glaubwürdig zumindest so nicht mehr möglich sein."
    Abzutauchen - keine Lösung. Der rheinland-pfälzische Ober-Liberale ist dabei, sich aus dem Neopren zu schälen. Versichert, beim zweiten Privatisierungsanlauf für den Flughafen Hahn werde er dem Kollegen Lewentz auf die Finger schauen. Macht sich schon Misstrauen im neuen Bündnis breit? Wissing weicht aus:
    "Am Ende wird es ja zu einer Kabinettsentscheidung kommen, wenn ein Käufer da ist, und dann wollen wir uns eine eigene Meinung aufgrund eigener Prüfung machen. Und das glaube ich, das erwarten die Bürgerinnen und Bürger in der Situation auch von ihrem Wirtschaftsminister."
    Nächste Baustelle: Spitzen-Weinlagen
    Der FDP-Mann hetzt von Termin zu Termin. Kippen ihm Milchbauern einen Misthaufen vor die Parteizentrale, dann posiert er davor, um einen Krisenplan vorzustellen. Auf Tauchstation - das soll keiner dem Hundert-Tage-Aktivisten der Regierung Dreyer nachsagen können. Vom Hochmoselübergang also zum Vorzeige-Winzer Markus Molitor.
    Beim Verkosten edelster Tropfen darf der Weinbauminister feine Sensorik, profunde Sorten- und Anbau-Kenntnisse demonstrieren. Weingeschmack und Stimmung: perfekt harmonisch. Bis der Winzer stirnrunzelnd erzählt, was er vom Hochmoselübergang samt neuer Schnellstraße im Wald über den Weinbergen hält:
    "Das ist der größte aneinander hängende Riesling-Weinberg der Welt - von diesem Niveau. Wir haben Bedenken, dass das Wasser, das oben auf den Berg fällt und über Tage und Wochen runter in die Weinberge hineingeht, dass uns das fehlen könnte."
    Sollten die internationalen Spitzen-Weinlagen wie befürchtet austrocknen, wenn die neue Schnellverbindung nach Köln und Frankfurt 2018 fertiggestellt ist, dann allerdings dürfte sich Volker Wissing wieder eine Neopren-Schicht fürs Abtauchen wünschen. Wahlweise Teflon, damit nichts haften bleibt.