Wolfgang Labuhn: Herr Rösler, dieses Superwahljahr 2011 mit insgesamt sieben Landtags- und zwei Kommunalwahlen ist für die FDP katastrophal verlaufen, bisher. Die Liberalen sind aus fünf Länderparlamenten herausgeflogen, auch die im Mai angetretene neue Parteiführung mit Ihnen an der Spitze konnte diesen Abwärtstrend nicht stoppen, im Gegenteil: Die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus heute vor einer Woche ergab für die FDP einen Stimmenanteil von nur noch 1,8 Prozent, und sogar die NPD erhielt mehr Stimmen. Und auch in den bundesweiten Meinungsumfragen ist die FDP weiter abgestürzt auf nur noch drei Prozent in einer neuen Forsa-Umfrage für den "Stern" und für RTL. Sie selbst sprachen von der schwierigsten Situation der FDP seit ihrem Bestehen. Was läuft falsch bei den Freien Demokraten?
Philipp Rösler: Also in der Tat hatten wir eine schwierige Phase, aber jedem war klar, als ich vor noch nicht einmal vier Monaten den Parteivorsitz übernommen hatte, dass schwierige Zeiten vor uns liegen werden – nach wie vor –, auch schwierige Landtags- und auch Kommunalwahlen. Aber ich gebe zu, es am eigenen Leibe noch persönlich selber zu spüren ist dann doch etwas anderes, als nur zu wissen oder zu erahnen, dass so etwas kommen könnte. Das bedeutet, wir müssen jetzt umso mehr arbeiten, um das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler, der Menschen, wieder zurückgewinnen zu können.
Labuhn: Im Fußball wird in einer solchen Lage der Trainer ausgewechselt ...
Rösler: Ja, wo Sie das Fußballspiel gerade ansprechen: Gerade vor einer Woche hat Hannover 96 sehr lange – immerhin gegen den Deutschen Meister, gegen Dortmund – zurückgelegen, nämlich 87 Minuten lang 0:1. Aber es ist gelungen, in den letzten drei Minuten das Spiel zu drehen. Am Ende hat Hannover 96, mein Heimatverein, 2:1 gewonnen. Und es fängt jetzt ja gerade auf Bundesebene der zweite Teil der Legislaturperiode an, also wir fangen gerade mit der zweiten Halbzeit an. Das heißt, man kann noch einiges gewinnen. Wir haben deutlich mehr als drei Minuten.
Labuhn: Auf dem FDP-Parteitag in Rostock im Mai, Herr Rösler, versprachen Sie: Ab heute wird geliefert! Wann wird denn nun geliefert? Wann zum Beispiel kommt die Pflegereform, wann vor allem kommt insbesondere die versprochene große Steuerreform?
Rösler: Also, es sind bereits seit dem letzten Parteitag viele Dinge auch umgesetzt worden: Terrorismusbekämpfung – da haben wir die richtige Balance gefunden - wie sich das für Liberale gehört – zwischen Sicherheit auf der einen Seite und bürgerlichen Freiheiten auf der anderen Seite. Sie haben Gesundheit angesprochen. Hier haben wir das große Versorgungsgesetz jetzt auf den Weg gebracht, was die ärztliche Versorgung insbesondere im ländlichen Raum verbessern soll, aber auch in manchen Gegenden in den Ballungszentren. Pflege steht jetzt gerade an. Und auch die steuerliche Entlastung ist ja vereinbart: Sobald die Wachstumszahlen da sind, werden wir uns über das Volumen und das Verfahren dann einig werden. Aber es ist richtig: Es reicht nicht, diese einzelnen Beschlüsse zu fassen, sondern Sie müssen sie zusammenfassen mit einer gemeinsamen Botschaft. Und die gemeinsame Botschaft ist, dass wir uns nicht neu zu erfinden brauchen, sondern auf Basis unserer Werte müssen wir die Alltagsfragen, die ganz normalen Fragen der Menschen eben lösen. Und daran machen wir uns. Und es wird seine Zeit brauchen, bis wir uns damit dann in der Öffentlichkeit auch durchsetzen können.
Labuhn: Was wollen Sie denn als FDP-Vorsitzender konkret ändern – insgesamt ändern, um das Ansehen der Partei zu verbessern und für Sie selber wieder interessanter und vor allem glaubwürdiger zu machen?
Rösler: Interessanter werden wir, indem wir deutlich machen, dass unsere Lösungsangebote in der Lage sind, die aktuellen Probleme der Menschen auch in den Griff zu kriegen. Und glaubwürdig können Sie nur dann sein, wenn Sie nicht nur gute Ideen haben, sondern auch zeigen, dass Sie in der Lage und gewillt sind, genau diese Probleme zu lösen. Und das beste Beispiel ganz konkret ist die aktuelle Diskussion über den Euro. Viele Menschen machen sich Sorgen: Wie stabil ist unsere Währung? Und hier kann die FDP mit ihrem Markenkern, nämlich "klare Ausrichtung in Richtung Europa", aber auch mit wirtschaftspolitischer Kompetenz, ihren Beitrag dazu leisten, dass unsere Währung stabil bleibt. Das ist ja die große Herausforderung, vor der die gesamte Bundesregierung momentan steht.
Labuhn: Der Bundestag will ja am kommenden Donnerstag über den sogenannten "ertüchtigten", wie es im Ministerialjargon heißt, also erweiterten Euro-Rettungsschirm abstimmen, wobei nicht ganz klar ist, ob die Koalition dabei eine eigene Mehrheit zusammenbekommt. Wie tüchtig wird die FDP-Fraktion dabei sein?
Rösler: Also, wir hatten ja bereits Probeabstimmungen innerhalb der Fraktion gehabt, und von unseren 93 Abgeordneten waren nur zwei dagegen. Das zeigt: Wir sind in der Tat der Stabilitätsanker gerade in dieser wichtigen Frage. Aber ich gehe fest davon aus, dass wir als gesamte Koalition – CDU/CSU, FDP – die notwendige Mehrheit bekommen werden, denn das, was dort verabschiedet werden soll, ist ein wichtiger, ein wesentlicher Beitrag gerade auch zur Stabilisierung des Euros.
Labuhn: Einige Euro-Rebellen in der FDP-Bundestagsfraktion, wie der Abgeordnete Frank Schäffler, die scheinen zu befürchten, dass sie in der Fraktion doch nicht ganz so viel Unterstützung erhalten, wie erhofft. Und die wollen deshalb nun an die FDP-Basis gehen, um ein Meinungsbild zum auch noch geplanten endgültigen Euro-Rettungsmechanismus ESM zu erstellen, mit dem sich der Bundestag ja Anfang kommenden Jahres befassen will. Und zurzeit werden Stimmen für einen Mitgliederentscheid zu diesem Thema gesammelt. Sollte es zu einem solchen Mitgliederentscheid kommen, will der FDP-Bundesvorstand einen Alternativantrag zur Abstimmung stellen. Welche Argumente, Herr Rösler, werden Sie dann vorbringen?
Rösler: Ich glaube, man wird nur Akzeptanz für all die kurzfristigen Maßnahmen, die es gibt, für die Rettungspakete, für die Rettungsschirme erreichen, wenn Sie den Menschen endlich die Frage beantworten: In welche Richtung soll sich Europa in den nächsten Jahren entwickeln? Ich habe dazu Vorschläge gemacht, ich habe dazu ja einen Gastbeitrag geschrieben. Ich glaube, wenn es jetzt zu einem Mitgliederentscheid kommen sollte, werde ich da klar Führung zeigen und meine Alternativvorschläge auf den Weg bringen. Wir wollen mehr Europa, wir wollen mehr Integration, aber eben mit der notwendigen wirtschaftspolitischen Kompetenz und Vernunft. Und der Antrag, den einzelne Abgeordnete bisher vorgelegt haben, der sagt nur, was sie nicht wollen. Ich sage hier sehr klar: Für eine liberale Partei in Regierungsverantwortung ist das zu wenig, nur zu sagen, was man nicht will. Ich finde, wir stehen in der Verantwortung zu sagen, in welche Richtung sich Europa entwickeln will. Das habe ich getan, und ich gehe fest davon aus, dass ich dafür auch eine breite Mehrheit innerhalb meiner gesamten Partei bekommen werde.
Labuhn: Können Sie das erläutern?
Rösler: Wir wollen mehr Integration, und mehr Integration heißt für mich: Wir sind bereit, auch Souveränitäten an die europäische Ebene abzugeben. Aber es stellt sich sofort die Frage: An wen gibt man Souveränität ab, an eine gemeinsame europäische Regierung oder an gemeinsame europäische Werteregeln und Mechanismen. Und ich sage: Man sollte eher den zweiten Weg gehen, nämlich in Richtung gemeinsame Werteregeln und Mechanismen. Mein Ziel ist eine Stabilitäts-Union. Das heißt, es muss klare Regeln und Vorgaben geben wie eine Schuldenbremse in der Verfassung und Wettbewerbsfähigkeitstests. Und die Staaten, die diesen Test nicht bestehen, die müssen eben auch bereit sein, sich Sanktionen zu unterwerfen, zu akzeptieren, damit sie auf den Pfad der Stabilität wieder zurückkommen können. Also mehr Integration, Abgabe von Souveränität, aber nicht an eine anonyme Regierung fernab irgendwo in Brüssel, sondern ganz konkret an ein Werte- und Maßnahmensystem. Und deshalb fordere ich eine europäische Wirtschafts- und Finanzverfassung.
Labuhn: Wenn sich mindestens ein Drittel der FDP-Mitglieder am Mitgliederentscheid beteiligt, kommt das Ergebnis laut FDP-Satzung einem Parteitagsbeschluss gleich. Welche Konsequenzen würde denn die Parteiführung ziehen, wenn sich die Euro-Rebellen durchsetzen?
Rösler: Die Euro-Rebellen werden sich nicht durchsetzen. Die Parteiführung ist sich da sehr einig, dass wir eine klare Antwort geben müssen, in welche Richtung sich Europa entwickelt. Das müssen wir mit all unseren Parteifreundinnen und Parteifreunden diskutieren, übrigens auch mit den Menschen, die sich auch die Frage stellen, viel stärker noch aktuell, in welche Richtung sich Europa entwickelt. Und mit unseren guten Argumenten werden wir auf jeden Fall jeden Mitgliederentscheid gewinnen, einfach aus dem Grunde, weil die gesamte FDP pro-europäisch ist mit der notwendigen wirtschaftspolitischen Vernunft. Und es ist uns allen zu wenig, nur zu sagen, was wir nicht wollen. Das ist, glaube ich, nicht unser liberaler Anspruch. Da wollen wir schon mehr leisten. Deswegen mache ich mir da überhaupt keine Sorgen.
Labuhn: Wir diskutieren sozusagen unter der "Berliner Käseglocke" solche Themen und wissen gar nicht einmal, was die FDP-Mitglieder im Land davon halten. Wie wollen Sie denn die Basis überhaupt vor dem Mitgliederentscheid noch erreichen?
Rösler: Wir haben jetzt vier Regionalkonferenzen. Denn eines ist unbestritten: Die Menschen wollen über Europa diskutieren. Bei jeder Veranstaltung kommt die Frage meist zuallererst. Das gilt natürlich auch für die Parteimitglieder, die sagen: Wir übernehmen politische Verantwortung durch unsere Aktivität in der Partei. Und die vier Regionalkonferenzen – da werde ich den Weg, den Kurs, erklären, so wie ich ihn mir vorstelle, auch das zukünftige Europa, wofür sich Liberale einsetzen können. Und dann werden wir darüber, glaube ich, intensiv diskutieren. Es heißt bei der FDP: Die Diskussion ist die Mutter aller Dinge. Also noch vor dem nächsten Parteitag im November vier Regionalkonferenzen im Oktober.
Labuhn: Will sich denn auch der Bundesparteitag selbst damit befassen? Der war ja eigentlich der Bildungspolitik gewidmet.
Rösler: War der Bildungspolitik, aber auch der Grundsatzdebatte gewidmet. Aber ich habe entschieden, dass ich in meiner Rede sehr klar meine europäische Vision vorstelle und wir dann den gesamten Samstag über Zeit haben, über diese Vorstellung auch zu diskutieren. Wie gesagt, es ist der Wunsch da, über Europa zu sprechen. Das ist der enorme Wunsch aus der Basis, und dem muss man gerecht werden. Und das will ich auch gerne tun, indem wir eben den Samstag für die Europapolitik benutzen.
Labuhn: Herr Rösler, Sie haben bereits angesprochen, dass Sie kurz vor der Berlin-Wahl einen Gastkommentar für die Zeitung "Die Welt" verfasst haben. Und darin haben Sie von der Möglichkeit einer geordneten Staatsinsolvenz Griechenlands gesprochen, sofern dafür geeignete Instrumente zur Verfügung stünden. Und Sie haben auch geschrieben, für derartige Überlegungen dürfe es keine Denkverbote geben. Ihnen ist darauf hin euroskeptischer Populismus vorgeworfen worden. Auch die Kanzlerin hat Sie deswegen indirekt öffentlich gerüffelt. Wie würden Sie im Moment eigentlich das Verhältnis der Koalitionspartner FDP und Union beschreiben?
Rösler: Also, zunächst einmal habe ich in dem Papier ja sehr klar meine europäische Vision skizziert. Es geht in der Tat um eine Stabilitätsunion mit den notwendigen Maßnahmen und Mechanismen. Und ich finde, dazu gehört dann auch die Antwort auf die Frage: Was passiert mit den Staaten, die nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wieder zurückzukommen. Ich will, dass alle Eurozonen-Staaten, die wir heute haben, in der Eurozone verbleiben, aber da muss man eben auch alles durchdenken und durchdiskutieren, was dafür notwendig ist, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Interesse des Euros und der Stabilität des Euros zu erhalten. Und die Beziehung zwischen der Bundeskanzlerin und mir ist, glaube ich, hervorragend. So kann man das wirklich nennen. Sie wissen, wir werden jetzt am kommenden Dienstag auch gemeinsam ein Buch vorstellen. Und da wird es natürlich eher um die Persönlichkeiten, um die Menschen gehen. Aber das zeigt, glaube ich, wie weit über das Politische hinaus unsere Beziehung gut ist. Das ist übrigens auch notwendig, denn auch Koalitionen sind natürlich immer auch eine Frage von Sachentscheidungen, von Sachthemen, auch von Vereinbarungen. Aber wichtig ist das zwischenmenschliche Miteinander, und das ist, glaube ich, gerade zwischen uns beiden sehr gut.
Labuhn: Lassen Sie uns kurz auf diesen Dienstag zu sprechen kommen. Da wird Ihre erste Biografie vorgestellt, also nicht aus Ihrer Feder, sondern von einem Journalisten geschrieben. Die Kanzlerin präsentiert das Buch der Berliner interessierten Öffentlichkeit. Was erwarten Sie sich davon?
Rösler: Also es geht um die Frage, wie hat sich die Persönlichkeit, der Mensch entwickelt. Das war jetzt nicht mein Wunsch, dass so eine Biografie entsteht, aber der Kollege hat sich das vorgenommen, vor allem im Zusammenhang auch mit dem Papstbesuch, denn es ist ja eine Biografie über einen katholischen Menschen und Politiker. Und insofern, glaube ich, werden wir über die Frage diskutieren, wie ist der Mensch, wo sind die Unterschiede zwischen den jeweiligen Biografien. Ich weiß nicht genau, was sie bei der Vorstellung dann präsentieren wird, aber vielleicht wird sie Vergleiche ziehen. Und das wird, glaube ich, sehr spannend werden, weil man, auch wenn man die Unterschiede von den Biografien herausarbeitet, eben genauso auch auf die Gemeinsamkeiten dann hinweisen kann. Und ich finde, es ist ein sehr starkes Signal, und ich freue mich sehr und bin auch sehr dankbar, dass sie sich dazu bereit erklärt hat, und zwar sofort und spontan, dieses Buch vorzustellen. Es ist zwar nicht mein Auftrag, aber ich finde es trotzdem toll, dass sie bereit ist, das in der Form zu machen.
Labuhn: Sie hören das Interview der Woche im Deutschlandfunk mit dem Bundeswirtschaftsminister und FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler.
Die FDP, Herr Rösler, hat seit ihrer Gründung immer wieder herausragende Persönlichkeiten in ihren Reihen gehabt, die für durchaus verschiedene liberale Ansätze und Strömungen standen. In welcher Tradition sehen Sie sich eigentlich als FDP-Bundesvorsitzender und natürlich auch als Bundeswirtschaftsminister?
Rösler: All die Persönlichkeiten, die wir hervorgebracht haben, haben eines gemeinsam, nämlich eine liberale Grundhaltung. Und das heißt für mich ein klares Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft, aber eben auch zu wissen, dass ökonomische Freiheit am Ende noch nicht die gesellschaftliche Freiheit mit sich bringt, sondern dazugehören auch Bürgerrechte, gesellschaftliche Liberalität und Toleranz. Und Otto Graf Lambsdorff zum Beispiel hat immer beides hervorragend miteinander vereinbaren können, und auch Hans-Dietrich Genscher, und gerade seine Leistungen für die große gemeinsame Idee eines vereinten Europas, die ist nach wie vor Erbe und Auftrag für die jetzige Führungsgeneration zugleich.
Labuhn: Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff, die haben aber 1982 aus wirtschaftspolitischen Gründen vor allem die sozialliberale Koalition platzen lassen. Das war damals auch eine liberale Grundsatzentscheidung. Wann wäre eigentlich für Sie in der jetzigen bürgerlich-liberalen Koalition das Ende der Fahnenstange erreicht?
Rösler: Also, 1982 haben die wirtschaftspolitischen Überzeugungen nicht zueinandergepasst. Zwischen CDU/CSU und FDP passen die wirtschaftspolitischen Überzeugungen zueinander. Wir wissen alle gleichermaßen, dass die größte Herausforderung momentan die Stabilisierung unserer Währung ist, und dort haben wir die gemeinsamen politischen Positionen. Die Idee der Stabilitätsunion wird ja auch namentlich von der Bundeskanzlerin genannt. Und das Einsetzen für die Schuldenbremse zeigt, dass wir nicht nur gleiche Auffassungen haben, sondern auch für die gleiche Sache dann selber kämpfen. Und unabhängig davon ist eines für mich sehr klar: Die FDP läuft nicht vor Verantwortung weg, wir stehen natürlich klar zu dieser Koalition. Wir sind mit großer Mehrheit in Verantwortung gewählt worden, und es ist auch eine urliberale Grundhaltung, Freiheit und Verantwortung immer gleichermaßen zu sehen. Das heißt, wir stehen zu unserer Verantwortung, und das heißt, jetzt fleißig, solide und seriös zu arbeiten.
Labuhn: Die FDP, Herr Rösler, hat aber in dieser Koalition mit CDU/CSU ihr wichtigstes Wahlversprechen nicht durchsetzen können. Wir haben es alle noch im Ohr, "mehr Netto vom Brutto" hieß es vor der Bundestagswahl 2009, also eine deutliche steuerliche Entlastung der Mittelschicht. Eine weitere Parole lautete, wir wollen ein einfacheres, gerechteres und vor allen Dingen auch niedrigeres Steuersystem als bisher. Davon ist nichts zu spüren bisher. Und die FDP als Koalitionspartner wird allem Anschein nach auch nicht verhindern können – trotz all der Dinge, die Sie gerade angeführt haben – dass sich die Europäische Union zu einer sogenannten Schuldenunion entwickeln könnte mit Eurobonds und allem, was dazugehört. Was, Herr Rösler - außer Dienstwagen und Privilegien - hält die FDP noch in dieser Koalition?
Rösler: Sie müssen sich nicht so viele Sorgen machen. Es wird mit uns als Regierungspartner gerade kein Schulden-Europa geben, keine Eurobonds. Das haben wir sehr klar gemacht. Übrigens haben wir das auch sehr klar durchgesetzt, gerade in den letzten Monaten. Sie kennen die Diskussion, wie sie abgelaufen ist. Am letzten Freitag wurde im Bundesrat endlich nach langem, zähem Ringen, auch gerade mit den Bundesländern, das sogenannte Steuervereinfachungsgesetz verabschiedet. Aber ich will auch sehr klar anerkennen: Ich glaube, es gehört nach solchen Wahlergebnissen, wie wir sie in den letzten drei Wochen erlebt haben, natürlich das notwendige Maß an Bescheidenheit bei politischen Aussagen und bei der politischen Arbeit mit dazu. Und ich glaube, im Rückblick kann man sagen, dass wir hohe Erwartungen in der Mitte unserer Gesellschaft geweckt haben. Wir haben adressiert an die Mitte in der Gesellschaft, auch sehr erfolgreich, aber nur mit einem Satz, nämlich "mehr Netto vom Brutto", und haben das nicht vollumfänglich erfüllen können. Und das muss man erkennen, dass daraus auch ein Großteil der Enttäuschung zustande gekommen ist. Und das heißt für mich, klar zu erkennen – und das gilt für die gesamte Partei – dass, wenn Sie die Mitte der Gesellschaft, und um die muss sich Politik kümmern, das ist unsere auch gerade liberale Aufgabe, dann müssen Sie mehr Botschaften haben als nur "mehr Netto vom Brutto". Das haben wir, wir sagen, wir wollen eine vernünftige Bildungssituation, wir wollen einen sicheren Arbeitsplatz, eben auch eine stabile Währung. Das müssen wir alles erfüllen, und nur dann wird es gelingen, wieder die Akzeptanz zu bekommen, die Sie sich für Ihre Partei, für Ihre Grundhaltung, die Sie sich für die liberale Idee auch wünschen.
Labuhn: Sie haben in Ihrer ersten Reaktion auf die Wahlschlappe von Berlin am vergangenen Wochenende davon gesprochen, dass die FDP die "neue Bürgerlichkeit" für sich zurückgewinnen müsse. Was haben Sie damit gemeint?
Rösler: Die "neuen Bürgerlichen" habe ich versucht anzusprechen, weil es genau das ist, was ich Ihnen beschrieben habe, dass die gesellschaftliche Mitte adressiert wurde. Die ist noch nach wie vor da, die hat auch Ansprüche an Politik …
Labuhn: ... aber sie wählt nicht mehr FDP ...
Rösler: ... sie wählt leider momentan nicht mehr FDP. Und das sind Menschen, die ganz normal klassische mittelständische Unternehmerinnen und Unternehmer sind. Die brauchen eine Politik, die sich am Mittelstand orientiert, die Bürokratie abbaut, die für einen schlanken Staat steht. Wir brauchen aber auch Antworten auf die neuen Alltagsfragen, die die Menschen haben. Jung und Alt surfen zwischenzeitlich im Internet, machen sich Sorgen um ihre Privatsphäre, wollen aber gleichzeitig keine Zensur. Das sind auch Fragen, die wir als Liberale beantworten müssen, es ist auch eine Bürgerrechtsfrage. Im Übrigen, da gibt es junge Familien, junge Eltern, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf dann leben wollen. Es gibt übrigens auch Eltern, die jetzt erwachsene Kinder haben und die sehen, wie schwierig es die Kinder im Berufsleben haben, weil sie nur befristete Arbeitsverträge bekommen. Und all das sind Themen, die die ganz normalen Menschen betreffen. Da, finde ich, hat die FDP immer jeweils bezogen auf die Einzelfragen gute Antworten. Und meine Aufgabe ist es, all das zusammenzubinden und zu sagen, jawohl, es gibt solche neuen bürgerlichen Schichten in Deutschland und sie haben einen richtigen Ansprechpartner, und das ist die liberale Partei, die FDP.
Labuhn: Diese neuen bürgerlichen Schichten, Herr Rösler, sind doch eigentlich die alten Stammwähler der Freien Demokratischen Partei. Würde die FDP nicht viel an Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, wenn sie diese Koalition doch verließe und zu diesen Menschen und auch zu den Prinzipien der FDP zurückkehrte, von denen die Kanzlerin ja offenbar nicht allzu viel wissen will?
Rösler: Sie müssen ja etwas für diese Menschen erreichen. Erreichen können Sie nur etwas, indem Sie zur Verantwortung stehen und die Verantwortung für diese Menschen nutzen und nicht, indem Sie vor der Verantwortung weglaufen und dann noch glauben, dass man dann wiedergewählt wird, weil man weggelaufen ist. Das ist nicht mein Weg als Parteivorsitzender. Mit mir jedenfalls wird die Partei diesen Weg niemals gehen, sondern wir müssen uns daran machen, wirklich die Fragen ganz konkret zu beantworten. Und ich sage es noch mal, die aktuellste Frage, die sich fast jeder stellt in unserer Gesellschaft ist die Frage nach der Stabilität der Währung. Und in der Tat, da können Sie mit den klassischen liberalen Grundwerten, europäischer Ausrichtung und wirtschaftspolitischem Sachverstand eben durchaus auch genau diese Fragen richtig und sinnvoll beantworten, um so wieder Vertrauen in Ihre Partei, aber im Übrigen auch in Politik insgesamt zurückgewinnen zu können.
Labuhn: Für den Absturz der FDP in der Wählergunst machen nicht wenige Liberale Ihren Vorgänger an der Spitze der Partei zumindest mitverantwortlich, Bundesaußenminister Guido Westerwelle, der ja seit dem Rostocker Parteitag so etwas wie ein Außenminister auf Bewährung ist. Sie selbst sahen sich veranlasst, vor einiger Zeit Westerwelle öffentlich außenpolitische Vorgaben zu machen – das ist heftig kritisiert worden –, als es um den deutschen Beitrag zum Erfolg der libyschen Rebellen im Kampf gegen das Gaddafi-Regime ging und Guido Westerwelle offenbar nicht einsehen wollte, dass die Bomben der NATO da viel wirksamer waren als deutsche Sanktionen. Wird Guido Westerwelle Außenminister bleiben können?
Rösler: Das Team, das wir jetzt haben, besteht im Präsidium, im Bundesvorstand so, wie es jetzt ist, genau nach meinen Ideen, nach meinen Vorschlägen. Wir haben eine neue Fraktionsspitze und wir haben ein gutes Team im Bundeskabinett. Und dieses Team steht in der Verantwortung, jetzt die vernünftige Arbeit zu leisten und erfolgreich zu sein im Jahre 2013. Und daran wird sich nichts ändern. Wir arbeiten gut zusammen, und manchmal sind wir uns in Sachfragen nicht immer einig. Das gehört aber zur Politik, glaube ich, dazu. Und dass das Auswechseln von Personen das Problem nicht lösen wird, erkennt man daran, dass, wenn man davon überzeugt ist, dass man die Menschen mit seinen Botschaften erreichen muss, mit den Themen, mit den Beschlüssen, die man umsetzt, auch mit den Gesetzen, dann liegt da die Hauptarbeit und nicht darin, Personen austauschen zu müssen. Ich glaube, wir haben ein gutes Team, und das wird auch so bleiben bis zum Ende dieser Legislaturperiode und gerne darüber hinaus. Das hängt allerdings von den Wählerinnen und Wählern ab, und das wiederum davon, wie gut die Arbeit von uns bis dahin geleistet wird.
Labuhn: Sie sehen also keinen Anlass für personelle Veränderungen in der Parteiführung oder auch in der Zusammensetzung der FDP-Minister im Kabinett?
Rösler: Ausdrücklich nicht. Und gerade in der Außenpolitik stehen jetzt ja sehr schwierige Fragen an. Guido Westerwelle ist jetzt gerade ja beim Weltsicherheitsrat, und da wird debattiert, wie gehen wir mit Palästina um und mit Israel. Und ich glaube, das zeigt, mit welcher großen Verantwortung Guido Westerwelle und die gesamte FDP ihre Regierungsverantwortung ausübt.
Labuhn: Die FDP hat mit ihren Außenministern seit Walter Scheel immer punkten können im Ansehen bei den Wählern. Die deutsche Außenpolitik ist geradezu verknüpft mit Namen wie Walter Scheel, mit Hans-Dietrich Genscher, auch mit Klaus Kinkel. Warum konnte Guido Westerwelle das nicht fortsetzen?
Rösler: Zunächst einmal glaube ich, dass er das fortsetzen kann. Da sind wir uns alle vollkommen einig. Natürlich sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen, immens. Das darf man, glaube ich, nicht vergessen. Und wir werden es gemeinsam schaffen, durch gute Entscheidungen, durch kluge Entscheidungen wieder Vertrauen und damit auch Ansehen zurück gewinnen zu können. Und das gilt für alle Ministerinnen und Minister in ihren Ressorts, in ihrer Ressortverantwortung. Und das wird gelingen, davon bin ich fest überzeugt.
Labuhn: Herr Rösler, man sagt Ihnen nach, Sie seien ein Familienmensch. Ihre Familie lebt in Hannover, Sie sind die Woche über in Berlin. Das ist nicht weit weg, aber doch eine unendlich weite Strecke, gerade, wenn man kleine Kinder hat. Sie sind nun seit knapp zwei Jahren an vorderster Front in der Bundespolitik aktiv. Macht Ihnen das noch Spaß?
Rösler: Es macht mir viel Spaß, und es motiviert mich auch. Und weil Sie meine Familie angesprochen haben: Meine Frau war ja viel früher engagiert in der FDP als ich. Und sie hat mir am Wahlabend am letzten Sonntag eine SMS geschrieben, über die ich mich sehr gefreut habe. Normalerweise spricht man nicht über SMS, aber ich finde, an dieser Stelle darf ich das mal sagen. Sie hat mich daran erinnert, was eigentlich unsere gemeinsame Haltung ist. Sie hat nämlich geschrieben, es gehört zur liberalen Grundhaltung, niemals aufzugeben, sondern einzutreten für die gesellschaftliche Freiheit. Und das hat mich sehr gefreut und unheimlich motiviert. Und wenn das für mich gilt, gilt das auch für die gesamte Partei. Darin sehe ich meine Aufgabe und bedanke mich bei meiner Familie, bei der gesamten Familie, für die große Unterstützung, die ich für diese nicht immer ganz einfache Aufgabe bekomme.
Labuhn: Man sagt ja auch Angela Merkel nach, dass sie gerne per SMS mit Menschen kommuniziert. Hat auch sie Ihnen eine SMS geschrieben am vergangenen Sonntagabend?
Rösler: Wir schicken uns regelmäßig SMS, allerdings war die netteste SMS an dem Abend in der Tat die meiner Frau. Aber das muss auch, glaube ich, so sein.
Labuhn: Das war eine schwere Woche für Sie. Sie haben einmal gesagt, dass Sie dennoch bis zum 45. Lebensjahr durchhalten wollen in der aktiven Politik. Bleibt es dabei?
Rösler: Das bleibt dabei. Und, wie gesagt, es liegen ja noch einige große Aufgaben vor einem. Und wenn man sieht, wie Wahlergebnisse so sind, und man leidet da wirklich mit seiner Partei mit, auch natürlich selber - dann muss man eben gerade daraus wieder Kraft schöpfen – und genau das tue ich – um eben diese Partei aus dieser schwierigen Zeit heraus zu führen. Dass es nicht leicht wird, war mir klar. Und insofern würde ich mich niemals über das beschweren, was momentan an Arbeit und Aufgaben vor mir liegt.
Labuhn: Herr Rösler, vielen Dank.
Rösler: Ich danke Ihnen auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Weitere Beiträge im Deutschlandradio zur Lage der FDP, der Eurokrise und der Wahl in Berlin:
Liefern wollen und nicht liefern können - Über die Ökonomisierung der FDP (Politisches Feuilleton vom 23.09.11)
Der Rebell der FDP: Frank Schäffler stellt sich in Währungsfragen gegen die eigene Fraktion (DLF-Magazin vom 22.09.11)
Merkel: Schwarz-Gelb wird seine Aufgaben erledigen (Akutell vom 19.09.11)
Sammelportal: Euro in der Krise
Sammelportal: Landtagswahlen 2011
Philipp Rösler: Also in der Tat hatten wir eine schwierige Phase, aber jedem war klar, als ich vor noch nicht einmal vier Monaten den Parteivorsitz übernommen hatte, dass schwierige Zeiten vor uns liegen werden – nach wie vor –, auch schwierige Landtags- und auch Kommunalwahlen. Aber ich gebe zu, es am eigenen Leibe noch persönlich selber zu spüren ist dann doch etwas anderes, als nur zu wissen oder zu erahnen, dass so etwas kommen könnte. Das bedeutet, wir müssen jetzt umso mehr arbeiten, um das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler, der Menschen, wieder zurückgewinnen zu können.
Labuhn: Im Fußball wird in einer solchen Lage der Trainer ausgewechselt ...
Rösler: Ja, wo Sie das Fußballspiel gerade ansprechen: Gerade vor einer Woche hat Hannover 96 sehr lange – immerhin gegen den Deutschen Meister, gegen Dortmund – zurückgelegen, nämlich 87 Minuten lang 0:1. Aber es ist gelungen, in den letzten drei Minuten das Spiel zu drehen. Am Ende hat Hannover 96, mein Heimatverein, 2:1 gewonnen. Und es fängt jetzt ja gerade auf Bundesebene der zweite Teil der Legislaturperiode an, also wir fangen gerade mit der zweiten Halbzeit an. Das heißt, man kann noch einiges gewinnen. Wir haben deutlich mehr als drei Minuten.
Labuhn: Auf dem FDP-Parteitag in Rostock im Mai, Herr Rösler, versprachen Sie: Ab heute wird geliefert! Wann wird denn nun geliefert? Wann zum Beispiel kommt die Pflegereform, wann vor allem kommt insbesondere die versprochene große Steuerreform?
Rösler: Also, es sind bereits seit dem letzten Parteitag viele Dinge auch umgesetzt worden: Terrorismusbekämpfung – da haben wir die richtige Balance gefunden - wie sich das für Liberale gehört – zwischen Sicherheit auf der einen Seite und bürgerlichen Freiheiten auf der anderen Seite. Sie haben Gesundheit angesprochen. Hier haben wir das große Versorgungsgesetz jetzt auf den Weg gebracht, was die ärztliche Versorgung insbesondere im ländlichen Raum verbessern soll, aber auch in manchen Gegenden in den Ballungszentren. Pflege steht jetzt gerade an. Und auch die steuerliche Entlastung ist ja vereinbart: Sobald die Wachstumszahlen da sind, werden wir uns über das Volumen und das Verfahren dann einig werden. Aber es ist richtig: Es reicht nicht, diese einzelnen Beschlüsse zu fassen, sondern Sie müssen sie zusammenfassen mit einer gemeinsamen Botschaft. Und die gemeinsame Botschaft ist, dass wir uns nicht neu zu erfinden brauchen, sondern auf Basis unserer Werte müssen wir die Alltagsfragen, die ganz normalen Fragen der Menschen eben lösen. Und daran machen wir uns. Und es wird seine Zeit brauchen, bis wir uns damit dann in der Öffentlichkeit auch durchsetzen können.
Labuhn: Was wollen Sie denn als FDP-Vorsitzender konkret ändern – insgesamt ändern, um das Ansehen der Partei zu verbessern und für Sie selber wieder interessanter und vor allem glaubwürdiger zu machen?
Rösler: Interessanter werden wir, indem wir deutlich machen, dass unsere Lösungsangebote in der Lage sind, die aktuellen Probleme der Menschen auch in den Griff zu kriegen. Und glaubwürdig können Sie nur dann sein, wenn Sie nicht nur gute Ideen haben, sondern auch zeigen, dass Sie in der Lage und gewillt sind, genau diese Probleme zu lösen. Und das beste Beispiel ganz konkret ist die aktuelle Diskussion über den Euro. Viele Menschen machen sich Sorgen: Wie stabil ist unsere Währung? Und hier kann die FDP mit ihrem Markenkern, nämlich "klare Ausrichtung in Richtung Europa", aber auch mit wirtschaftspolitischer Kompetenz, ihren Beitrag dazu leisten, dass unsere Währung stabil bleibt. Das ist ja die große Herausforderung, vor der die gesamte Bundesregierung momentan steht.
Labuhn: Der Bundestag will ja am kommenden Donnerstag über den sogenannten "ertüchtigten", wie es im Ministerialjargon heißt, also erweiterten Euro-Rettungsschirm abstimmen, wobei nicht ganz klar ist, ob die Koalition dabei eine eigene Mehrheit zusammenbekommt. Wie tüchtig wird die FDP-Fraktion dabei sein?
Rösler: Also, wir hatten ja bereits Probeabstimmungen innerhalb der Fraktion gehabt, und von unseren 93 Abgeordneten waren nur zwei dagegen. Das zeigt: Wir sind in der Tat der Stabilitätsanker gerade in dieser wichtigen Frage. Aber ich gehe fest davon aus, dass wir als gesamte Koalition – CDU/CSU, FDP – die notwendige Mehrheit bekommen werden, denn das, was dort verabschiedet werden soll, ist ein wichtiger, ein wesentlicher Beitrag gerade auch zur Stabilisierung des Euros.
Labuhn: Einige Euro-Rebellen in der FDP-Bundestagsfraktion, wie der Abgeordnete Frank Schäffler, die scheinen zu befürchten, dass sie in der Fraktion doch nicht ganz so viel Unterstützung erhalten, wie erhofft. Und die wollen deshalb nun an die FDP-Basis gehen, um ein Meinungsbild zum auch noch geplanten endgültigen Euro-Rettungsmechanismus ESM zu erstellen, mit dem sich der Bundestag ja Anfang kommenden Jahres befassen will. Und zurzeit werden Stimmen für einen Mitgliederentscheid zu diesem Thema gesammelt. Sollte es zu einem solchen Mitgliederentscheid kommen, will der FDP-Bundesvorstand einen Alternativantrag zur Abstimmung stellen. Welche Argumente, Herr Rösler, werden Sie dann vorbringen?
Rösler: Ich glaube, man wird nur Akzeptanz für all die kurzfristigen Maßnahmen, die es gibt, für die Rettungspakete, für die Rettungsschirme erreichen, wenn Sie den Menschen endlich die Frage beantworten: In welche Richtung soll sich Europa in den nächsten Jahren entwickeln? Ich habe dazu Vorschläge gemacht, ich habe dazu ja einen Gastbeitrag geschrieben. Ich glaube, wenn es jetzt zu einem Mitgliederentscheid kommen sollte, werde ich da klar Führung zeigen und meine Alternativvorschläge auf den Weg bringen. Wir wollen mehr Europa, wir wollen mehr Integration, aber eben mit der notwendigen wirtschaftspolitischen Kompetenz und Vernunft. Und der Antrag, den einzelne Abgeordnete bisher vorgelegt haben, der sagt nur, was sie nicht wollen. Ich sage hier sehr klar: Für eine liberale Partei in Regierungsverantwortung ist das zu wenig, nur zu sagen, was man nicht will. Ich finde, wir stehen in der Verantwortung zu sagen, in welche Richtung sich Europa entwickeln will. Das habe ich getan, und ich gehe fest davon aus, dass ich dafür auch eine breite Mehrheit innerhalb meiner gesamten Partei bekommen werde.
Labuhn: Können Sie das erläutern?
Rösler: Wir wollen mehr Integration, und mehr Integration heißt für mich: Wir sind bereit, auch Souveränitäten an die europäische Ebene abzugeben. Aber es stellt sich sofort die Frage: An wen gibt man Souveränität ab, an eine gemeinsame europäische Regierung oder an gemeinsame europäische Werteregeln und Mechanismen. Und ich sage: Man sollte eher den zweiten Weg gehen, nämlich in Richtung gemeinsame Werteregeln und Mechanismen. Mein Ziel ist eine Stabilitäts-Union. Das heißt, es muss klare Regeln und Vorgaben geben wie eine Schuldenbremse in der Verfassung und Wettbewerbsfähigkeitstests. Und die Staaten, die diesen Test nicht bestehen, die müssen eben auch bereit sein, sich Sanktionen zu unterwerfen, zu akzeptieren, damit sie auf den Pfad der Stabilität wieder zurückkommen können. Also mehr Integration, Abgabe von Souveränität, aber nicht an eine anonyme Regierung fernab irgendwo in Brüssel, sondern ganz konkret an ein Werte- und Maßnahmensystem. Und deshalb fordere ich eine europäische Wirtschafts- und Finanzverfassung.
Labuhn: Wenn sich mindestens ein Drittel der FDP-Mitglieder am Mitgliederentscheid beteiligt, kommt das Ergebnis laut FDP-Satzung einem Parteitagsbeschluss gleich. Welche Konsequenzen würde denn die Parteiführung ziehen, wenn sich die Euro-Rebellen durchsetzen?
Rösler: Die Euro-Rebellen werden sich nicht durchsetzen. Die Parteiführung ist sich da sehr einig, dass wir eine klare Antwort geben müssen, in welche Richtung sich Europa entwickelt. Das müssen wir mit all unseren Parteifreundinnen und Parteifreunden diskutieren, übrigens auch mit den Menschen, die sich auch die Frage stellen, viel stärker noch aktuell, in welche Richtung sich Europa entwickelt. Und mit unseren guten Argumenten werden wir auf jeden Fall jeden Mitgliederentscheid gewinnen, einfach aus dem Grunde, weil die gesamte FDP pro-europäisch ist mit der notwendigen wirtschaftspolitischen Vernunft. Und es ist uns allen zu wenig, nur zu sagen, was wir nicht wollen. Das ist, glaube ich, nicht unser liberaler Anspruch. Da wollen wir schon mehr leisten. Deswegen mache ich mir da überhaupt keine Sorgen.
Labuhn: Wir diskutieren sozusagen unter der "Berliner Käseglocke" solche Themen und wissen gar nicht einmal, was die FDP-Mitglieder im Land davon halten. Wie wollen Sie denn die Basis überhaupt vor dem Mitgliederentscheid noch erreichen?
Rösler: Wir haben jetzt vier Regionalkonferenzen. Denn eines ist unbestritten: Die Menschen wollen über Europa diskutieren. Bei jeder Veranstaltung kommt die Frage meist zuallererst. Das gilt natürlich auch für die Parteimitglieder, die sagen: Wir übernehmen politische Verantwortung durch unsere Aktivität in der Partei. Und die vier Regionalkonferenzen – da werde ich den Weg, den Kurs, erklären, so wie ich ihn mir vorstelle, auch das zukünftige Europa, wofür sich Liberale einsetzen können. Und dann werden wir darüber, glaube ich, intensiv diskutieren. Es heißt bei der FDP: Die Diskussion ist die Mutter aller Dinge. Also noch vor dem nächsten Parteitag im November vier Regionalkonferenzen im Oktober.
Labuhn: Will sich denn auch der Bundesparteitag selbst damit befassen? Der war ja eigentlich der Bildungspolitik gewidmet.
Rösler: War der Bildungspolitik, aber auch der Grundsatzdebatte gewidmet. Aber ich habe entschieden, dass ich in meiner Rede sehr klar meine europäische Vision vorstelle und wir dann den gesamten Samstag über Zeit haben, über diese Vorstellung auch zu diskutieren. Wie gesagt, es ist der Wunsch da, über Europa zu sprechen. Das ist der enorme Wunsch aus der Basis, und dem muss man gerecht werden. Und das will ich auch gerne tun, indem wir eben den Samstag für die Europapolitik benutzen.
Labuhn: Herr Rösler, Sie haben bereits angesprochen, dass Sie kurz vor der Berlin-Wahl einen Gastkommentar für die Zeitung "Die Welt" verfasst haben. Und darin haben Sie von der Möglichkeit einer geordneten Staatsinsolvenz Griechenlands gesprochen, sofern dafür geeignete Instrumente zur Verfügung stünden. Und Sie haben auch geschrieben, für derartige Überlegungen dürfe es keine Denkverbote geben. Ihnen ist darauf hin euroskeptischer Populismus vorgeworfen worden. Auch die Kanzlerin hat Sie deswegen indirekt öffentlich gerüffelt. Wie würden Sie im Moment eigentlich das Verhältnis der Koalitionspartner FDP und Union beschreiben?
Rösler: Also, zunächst einmal habe ich in dem Papier ja sehr klar meine europäische Vision skizziert. Es geht in der Tat um eine Stabilitätsunion mit den notwendigen Maßnahmen und Mechanismen. Und ich finde, dazu gehört dann auch die Antwort auf die Frage: Was passiert mit den Staaten, die nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wieder zurückzukommen. Ich will, dass alle Eurozonen-Staaten, die wir heute haben, in der Eurozone verbleiben, aber da muss man eben auch alles durchdenken und durchdiskutieren, was dafür notwendig ist, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Interesse des Euros und der Stabilität des Euros zu erhalten. Und die Beziehung zwischen der Bundeskanzlerin und mir ist, glaube ich, hervorragend. So kann man das wirklich nennen. Sie wissen, wir werden jetzt am kommenden Dienstag auch gemeinsam ein Buch vorstellen. Und da wird es natürlich eher um die Persönlichkeiten, um die Menschen gehen. Aber das zeigt, glaube ich, wie weit über das Politische hinaus unsere Beziehung gut ist. Das ist übrigens auch notwendig, denn auch Koalitionen sind natürlich immer auch eine Frage von Sachentscheidungen, von Sachthemen, auch von Vereinbarungen. Aber wichtig ist das zwischenmenschliche Miteinander, und das ist, glaube ich, gerade zwischen uns beiden sehr gut.
Labuhn: Lassen Sie uns kurz auf diesen Dienstag zu sprechen kommen. Da wird Ihre erste Biografie vorgestellt, also nicht aus Ihrer Feder, sondern von einem Journalisten geschrieben. Die Kanzlerin präsentiert das Buch der Berliner interessierten Öffentlichkeit. Was erwarten Sie sich davon?
Rösler: Also es geht um die Frage, wie hat sich die Persönlichkeit, der Mensch entwickelt. Das war jetzt nicht mein Wunsch, dass so eine Biografie entsteht, aber der Kollege hat sich das vorgenommen, vor allem im Zusammenhang auch mit dem Papstbesuch, denn es ist ja eine Biografie über einen katholischen Menschen und Politiker. Und insofern, glaube ich, werden wir über die Frage diskutieren, wie ist der Mensch, wo sind die Unterschiede zwischen den jeweiligen Biografien. Ich weiß nicht genau, was sie bei der Vorstellung dann präsentieren wird, aber vielleicht wird sie Vergleiche ziehen. Und das wird, glaube ich, sehr spannend werden, weil man, auch wenn man die Unterschiede von den Biografien herausarbeitet, eben genauso auch auf die Gemeinsamkeiten dann hinweisen kann. Und ich finde, es ist ein sehr starkes Signal, und ich freue mich sehr und bin auch sehr dankbar, dass sie sich dazu bereit erklärt hat, und zwar sofort und spontan, dieses Buch vorzustellen. Es ist zwar nicht mein Auftrag, aber ich finde es trotzdem toll, dass sie bereit ist, das in der Form zu machen.
Labuhn: Sie hören das Interview der Woche im Deutschlandfunk mit dem Bundeswirtschaftsminister und FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler.
Die FDP, Herr Rösler, hat seit ihrer Gründung immer wieder herausragende Persönlichkeiten in ihren Reihen gehabt, die für durchaus verschiedene liberale Ansätze und Strömungen standen. In welcher Tradition sehen Sie sich eigentlich als FDP-Bundesvorsitzender und natürlich auch als Bundeswirtschaftsminister?
Rösler: All die Persönlichkeiten, die wir hervorgebracht haben, haben eines gemeinsam, nämlich eine liberale Grundhaltung. Und das heißt für mich ein klares Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft, aber eben auch zu wissen, dass ökonomische Freiheit am Ende noch nicht die gesellschaftliche Freiheit mit sich bringt, sondern dazugehören auch Bürgerrechte, gesellschaftliche Liberalität und Toleranz. Und Otto Graf Lambsdorff zum Beispiel hat immer beides hervorragend miteinander vereinbaren können, und auch Hans-Dietrich Genscher, und gerade seine Leistungen für die große gemeinsame Idee eines vereinten Europas, die ist nach wie vor Erbe und Auftrag für die jetzige Führungsgeneration zugleich.
Labuhn: Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff, die haben aber 1982 aus wirtschaftspolitischen Gründen vor allem die sozialliberale Koalition platzen lassen. Das war damals auch eine liberale Grundsatzentscheidung. Wann wäre eigentlich für Sie in der jetzigen bürgerlich-liberalen Koalition das Ende der Fahnenstange erreicht?
Rösler: Also, 1982 haben die wirtschaftspolitischen Überzeugungen nicht zueinandergepasst. Zwischen CDU/CSU und FDP passen die wirtschaftspolitischen Überzeugungen zueinander. Wir wissen alle gleichermaßen, dass die größte Herausforderung momentan die Stabilisierung unserer Währung ist, und dort haben wir die gemeinsamen politischen Positionen. Die Idee der Stabilitätsunion wird ja auch namentlich von der Bundeskanzlerin genannt. Und das Einsetzen für die Schuldenbremse zeigt, dass wir nicht nur gleiche Auffassungen haben, sondern auch für die gleiche Sache dann selber kämpfen. Und unabhängig davon ist eines für mich sehr klar: Die FDP läuft nicht vor Verantwortung weg, wir stehen natürlich klar zu dieser Koalition. Wir sind mit großer Mehrheit in Verantwortung gewählt worden, und es ist auch eine urliberale Grundhaltung, Freiheit und Verantwortung immer gleichermaßen zu sehen. Das heißt, wir stehen zu unserer Verantwortung, und das heißt, jetzt fleißig, solide und seriös zu arbeiten.
Labuhn: Die FDP, Herr Rösler, hat aber in dieser Koalition mit CDU/CSU ihr wichtigstes Wahlversprechen nicht durchsetzen können. Wir haben es alle noch im Ohr, "mehr Netto vom Brutto" hieß es vor der Bundestagswahl 2009, also eine deutliche steuerliche Entlastung der Mittelschicht. Eine weitere Parole lautete, wir wollen ein einfacheres, gerechteres und vor allen Dingen auch niedrigeres Steuersystem als bisher. Davon ist nichts zu spüren bisher. Und die FDP als Koalitionspartner wird allem Anschein nach auch nicht verhindern können – trotz all der Dinge, die Sie gerade angeführt haben – dass sich die Europäische Union zu einer sogenannten Schuldenunion entwickeln könnte mit Eurobonds und allem, was dazugehört. Was, Herr Rösler - außer Dienstwagen und Privilegien - hält die FDP noch in dieser Koalition?
Rösler: Sie müssen sich nicht so viele Sorgen machen. Es wird mit uns als Regierungspartner gerade kein Schulden-Europa geben, keine Eurobonds. Das haben wir sehr klar gemacht. Übrigens haben wir das auch sehr klar durchgesetzt, gerade in den letzten Monaten. Sie kennen die Diskussion, wie sie abgelaufen ist. Am letzten Freitag wurde im Bundesrat endlich nach langem, zähem Ringen, auch gerade mit den Bundesländern, das sogenannte Steuervereinfachungsgesetz verabschiedet. Aber ich will auch sehr klar anerkennen: Ich glaube, es gehört nach solchen Wahlergebnissen, wie wir sie in den letzten drei Wochen erlebt haben, natürlich das notwendige Maß an Bescheidenheit bei politischen Aussagen und bei der politischen Arbeit mit dazu. Und ich glaube, im Rückblick kann man sagen, dass wir hohe Erwartungen in der Mitte unserer Gesellschaft geweckt haben. Wir haben adressiert an die Mitte in der Gesellschaft, auch sehr erfolgreich, aber nur mit einem Satz, nämlich "mehr Netto vom Brutto", und haben das nicht vollumfänglich erfüllen können. Und das muss man erkennen, dass daraus auch ein Großteil der Enttäuschung zustande gekommen ist. Und das heißt für mich, klar zu erkennen – und das gilt für die gesamte Partei – dass, wenn Sie die Mitte der Gesellschaft, und um die muss sich Politik kümmern, das ist unsere auch gerade liberale Aufgabe, dann müssen Sie mehr Botschaften haben als nur "mehr Netto vom Brutto". Das haben wir, wir sagen, wir wollen eine vernünftige Bildungssituation, wir wollen einen sicheren Arbeitsplatz, eben auch eine stabile Währung. Das müssen wir alles erfüllen, und nur dann wird es gelingen, wieder die Akzeptanz zu bekommen, die Sie sich für Ihre Partei, für Ihre Grundhaltung, die Sie sich für die liberale Idee auch wünschen.
Labuhn: Sie haben in Ihrer ersten Reaktion auf die Wahlschlappe von Berlin am vergangenen Wochenende davon gesprochen, dass die FDP die "neue Bürgerlichkeit" für sich zurückgewinnen müsse. Was haben Sie damit gemeint?
Rösler: Die "neuen Bürgerlichen" habe ich versucht anzusprechen, weil es genau das ist, was ich Ihnen beschrieben habe, dass die gesellschaftliche Mitte adressiert wurde. Die ist noch nach wie vor da, die hat auch Ansprüche an Politik …
Labuhn: ... aber sie wählt nicht mehr FDP ...
Rösler: ... sie wählt leider momentan nicht mehr FDP. Und das sind Menschen, die ganz normal klassische mittelständische Unternehmerinnen und Unternehmer sind. Die brauchen eine Politik, die sich am Mittelstand orientiert, die Bürokratie abbaut, die für einen schlanken Staat steht. Wir brauchen aber auch Antworten auf die neuen Alltagsfragen, die die Menschen haben. Jung und Alt surfen zwischenzeitlich im Internet, machen sich Sorgen um ihre Privatsphäre, wollen aber gleichzeitig keine Zensur. Das sind auch Fragen, die wir als Liberale beantworten müssen, es ist auch eine Bürgerrechtsfrage. Im Übrigen, da gibt es junge Familien, junge Eltern, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf dann leben wollen. Es gibt übrigens auch Eltern, die jetzt erwachsene Kinder haben und die sehen, wie schwierig es die Kinder im Berufsleben haben, weil sie nur befristete Arbeitsverträge bekommen. Und all das sind Themen, die die ganz normalen Menschen betreffen. Da, finde ich, hat die FDP immer jeweils bezogen auf die Einzelfragen gute Antworten. Und meine Aufgabe ist es, all das zusammenzubinden und zu sagen, jawohl, es gibt solche neuen bürgerlichen Schichten in Deutschland und sie haben einen richtigen Ansprechpartner, und das ist die liberale Partei, die FDP.
Labuhn: Diese neuen bürgerlichen Schichten, Herr Rösler, sind doch eigentlich die alten Stammwähler der Freien Demokratischen Partei. Würde die FDP nicht viel an Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, wenn sie diese Koalition doch verließe und zu diesen Menschen und auch zu den Prinzipien der FDP zurückkehrte, von denen die Kanzlerin ja offenbar nicht allzu viel wissen will?
Rösler: Sie müssen ja etwas für diese Menschen erreichen. Erreichen können Sie nur etwas, indem Sie zur Verantwortung stehen und die Verantwortung für diese Menschen nutzen und nicht, indem Sie vor der Verantwortung weglaufen und dann noch glauben, dass man dann wiedergewählt wird, weil man weggelaufen ist. Das ist nicht mein Weg als Parteivorsitzender. Mit mir jedenfalls wird die Partei diesen Weg niemals gehen, sondern wir müssen uns daran machen, wirklich die Fragen ganz konkret zu beantworten. Und ich sage es noch mal, die aktuellste Frage, die sich fast jeder stellt in unserer Gesellschaft ist die Frage nach der Stabilität der Währung. Und in der Tat, da können Sie mit den klassischen liberalen Grundwerten, europäischer Ausrichtung und wirtschaftspolitischem Sachverstand eben durchaus auch genau diese Fragen richtig und sinnvoll beantworten, um so wieder Vertrauen in Ihre Partei, aber im Übrigen auch in Politik insgesamt zurückgewinnen zu können.
Labuhn: Für den Absturz der FDP in der Wählergunst machen nicht wenige Liberale Ihren Vorgänger an der Spitze der Partei zumindest mitverantwortlich, Bundesaußenminister Guido Westerwelle, der ja seit dem Rostocker Parteitag so etwas wie ein Außenminister auf Bewährung ist. Sie selbst sahen sich veranlasst, vor einiger Zeit Westerwelle öffentlich außenpolitische Vorgaben zu machen – das ist heftig kritisiert worden –, als es um den deutschen Beitrag zum Erfolg der libyschen Rebellen im Kampf gegen das Gaddafi-Regime ging und Guido Westerwelle offenbar nicht einsehen wollte, dass die Bomben der NATO da viel wirksamer waren als deutsche Sanktionen. Wird Guido Westerwelle Außenminister bleiben können?
Rösler: Das Team, das wir jetzt haben, besteht im Präsidium, im Bundesvorstand so, wie es jetzt ist, genau nach meinen Ideen, nach meinen Vorschlägen. Wir haben eine neue Fraktionsspitze und wir haben ein gutes Team im Bundeskabinett. Und dieses Team steht in der Verantwortung, jetzt die vernünftige Arbeit zu leisten und erfolgreich zu sein im Jahre 2013. Und daran wird sich nichts ändern. Wir arbeiten gut zusammen, und manchmal sind wir uns in Sachfragen nicht immer einig. Das gehört aber zur Politik, glaube ich, dazu. Und dass das Auswechseln von Personen das Problem nicht lösen wird, erkennt man daran, dass, wenn man davon überzeugt ist, dass man die Menschen mit seinen Botschaften erreichen muss, mit den Themen, mit den Beschlüssen, die man umsetzt, auch mit den Gesetzen, dann liegt da die Hauptarbeit und nicht darin, Personen austauschen zu müssen. Ich glaube, wir haben ein gutes Team, und das wird auch so bleiben bis zum Ende dieser Legislaturperiode und gerne darüber hinaus. Das hängt allerdings von den Wählerinnen und Wählern ab, und das wiederum davon, wie gut die Arbeit von uns bis dahin geleistet wird.
Labuhn: Sie sehen also keinen Anlass für personelle Veränderungen in der Parteiführung oder auch in der Zusammensetzung der FDP-Minister im Kabinett?
Rösler: Ausdrücklich nicht. Und gerade in der Außenpolitik stehen jetzt ja sehr schwierige Fragen an. Guido Westerwelle ist jetzt gerade ja beim Weltsicherheitsrat, und da wird debattiert, wie gehen wir mit Palästina um und mit Israel. Und ich glaube, das zeigt, mit welcher großen Verantwortung Guido Westerwelle und die gesamte FDP ihre Regierungsverantwortung ausübt.
Labuhn: Die FDP hat mit ihren Außenministern seit Walter Scheel immer punkten können im Ansehen bei den Wählern. Die deutsche Außenpolitik ist geradezu verknüpft mit Namen wie Walter Scheel, mit Hans-Dietrich Genscher, auch mit Klaus Kinkel. Warum konnte Guido Westerwelle das nicht fortsetzen?
Rösler: Zunächst einmal glaube ich, dass er das fortsetzen kann. Da sind wir uns alle vollkommen einig. Natürlich sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen, immens. Das darf man, glaube ich, nicht vergessen. Und wir werden es gemeinsam schaffen, durch gute Entscheidungen, durch kluge Entscheidungen wieder Vertrauen und damit auch Ansehen zurück gewinnen zu können. Und das gilt für alle Ministerinnen und Minister in ihren Ressorts, in ihrer Ressortverantwortung. Und das wird gelingen, davon bin ich fest überzeugt.
Labuhn: Herr Rösler, man sagt Ihnen nach, Sie seien ein Familienmensch. Ihre Familie lebt in Hannover, Sie sind die Woche über in Berlin. Das ist nicht weit weg, aber doch eine unendlich weite Strecke, gerade, wenn man kleine Kinder hat. Sie sind nun seit knapp zwei Jahren an vorderster Front in der Bundespolitik aktiv. Macht Ihnen das noch Spaß?
Rösler: Es macht mir viel Spaß, und es motiviert mich auch. Und weil Sie meine Familie angesprochen haben: Meine Frau war ja viel früher engagiert in der FDP als ich. Und sie hat mir am Wahlabend am letzten Sonntag eine SMS geschrieben, über die ich mich sehr gefreut habe. Normalerweise spricht man nicht über SMS, aber ich finde, an dieser Stelle darf ich das mal sagen. Sie hat mich daran erinnert, was eigentlich unsere gemeinsame Haltung ist. Sie hat nämlich geschrieben, es gehört zur liberalen Grundhaltung, niemals aufzugeben, sondern einzutreten für die gesellschaftliche Freiheit. Und das hat mich sehr gefreut und unheimlich motiviert. Und wenn das für mich gilt, gilt das auch für die gesamte Partei. Darin sehe ich meine Aufgabe und bedanke mich bei meiner Familie, bei der gesamten Familie, für die große Unterstützung, die ich für diese nicht immer ganz einfache Aufgabe bekomme.
Labuhn: Man sagt ja auch Angela Merkel nach, dass sie gerne per SMS mit Menschen kommuniziert. Hat auch sie Ihnen eine SMS geschrieben am vergangenen Sonntagabend?
Rösler: Wir schicken uns regelmäßig SMS, allerdings war die netteste SMS an dem Abend in der Tat die meiner Frau. Aber das muss auch, glaube ich, so sein.
Labuhn: Das war eine schwere Woche für Sie. Sie haben einmal gesagt, dass Sie dennoch bis zum 45. Lebensjahr durchhalten wollen in der aktiven Politik. Bleibt es dabei?
Rösler: Das bleibt dabei. Und, wie gesagt, es liegen ja noch einige große Aufgaben vor einem. Und wenn man sieht, wie Wahlergebnisse so sind, und man leidet da wirklich mit seiner Partei mit, auch natürlich selber - dann muss man eben gerade daraus wieder Kraft schöpfen – und genau das tue ich – um eben diese Partei aus dieser schwierigen Zeit heraus zu führen. Dass es nicht leicht wird, war mir klar. Und insofern würde ich mich niemals über das beschweren, was momentan an Arbeit und Aufgaben vor mir liegt.
Labuhn: Herr Rösler, vielen Dank.
Rösler: Ich danke Ihnen auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Liefern wollen und nicht liefern können - Über die Ökonomisierung der FDP (Politisches Feuilleton vom 23.09.11)
Der Rebell der FDP: Frank Schäffler stellt sich in Währungsfragen gegen die eigene Fraktion (DLF-Magazin vom 22.09.11)
Merkel: Schwarz-Gelb wird seine Aufgaben erledigen (Akutell vom 19.09.11)
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