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FDP-Parteitag
Luksic: Mainstream der Partei ist proeuropäisch

Der saarländische FDP-Politiker Oliver Luksic erwartet auf dem Bundesparteitag keinen Grundsatzstreit über die Ausrichtung der Liberalen. Der designierte neue Vorsitzende Lindner werde die Achse der Partei nicht verschieben, die Eurokritiker seien in der Minderheit.

Oliver Luksic im Gespräch mit Mario Dobovisek | 07.12.2013
    Mario Dobovisek: Beim FDP-Parteitag in Berlin, ebendort begrüße ich Oliver Luksic, er ist Vorsitzender der Saarliberalen und Beisitzer im scheidenden Bundesvorstand. Guten Tag, Herr Luksic!
    Oliver Luksic: Schönen guten Tag!
    Dobovisek: Als wir uns gestern kurz telefonisch über das Interview heute hier verabredet haben, zitierten Sie eine Zeitungsschlagzeile, „Aufbruch oder Verwesungsprozess“ haben Sie da gesagt. Wie fühlt sich der Parteitag im Moment für Sie an?
    Luksic: Er hat gerade erst angefangen mit den Reden von Patrick Döring und Philipp Rösler. Ich denke, es ist normal an dieser Stelle und richtig und notwendig, dass heute der Tag der Selbstkritik ist, der Tag der kritischen Analyse, um daraus die Fehler aufzugreifen, die nicht in der Zukunft entstehen dürfen, damit wir dann mit der Wahl von Christian Lindner ein neues Kapitel aufschlagen. Ich bin der festen Überzeugung, das ist auch die Stimmung im Saal, dass nach der notwendigen kritischen Analyse, die auch wehtun wird, der Blick nach vorne gerichtet wird.
    Dobovisek: Ist Christian Lindner der Richtige für den Blick nach vorne?
    Luksic: Auf jeden Fall. Wir sehen ja, dass er ein Sympathieträger ist. Und das ist ja einer der Mängel der FDP, dass wir davon eher zu wenige haben. Und er schafft es auch, die liberalen Gedanken richtig zu formulieren und zu positionieren. Aber wir brauchen eine Mannschaft – den Punkt hat Philipp Rösler zu Recht angesprochen –, wir haben in den letzten Jahren vor allem im Präsidium in den engeren Führungszirkeln zu wenig an innerem Zusammenhalt gehabt, das war eine der Ursachen.
    Dobovisek: Ein Sammelsurium von Einzelkämpfern sozusagen.
    Luksic: Das ist leider auf allen Ebenen der FDP öfters das Problem, dass wir eben stark von Individualisten geprägt sind und dann eben das, was in einer Partei notwendig ist, der Zusammenhalt, wenn Angriffe von außen kommen, nicht immer in ausreichendem Maße da war. ich gehe stark davon aus, da wir ja auch hier eine breite Erneuerung haben, dass sich das in Zukunft verbessern wird, das ist auch zwingende Voraussetzung, das alleine reicht nicht, aber es ist eine notwendige Voraussetzung, um als politische Partei Erfolg zu haben.
    Dobovisek: Nun sind ja Lindner und Kubicki keine ganz neuen Namen bei den Liberalen. Wie kann das für einen Neuanfang stehen?
    Luksic: Wir haben ja eine Reihe an anderen Persönlichkeiten, die jetzt auch nach vorne in den Vordergrund kommen werden, aus den Landesverbänden, aus dem Europaparlament, wir haben ja noch eine Reihe an Abgeordneten, Nicola Beer aus Hessen als Generalsekretärin. Also, wir haben hier eine Reihe an weiteren Personen, die jetzt in den Vordergrund kommen werden. Aber ich glaube, das Entscheidende sind nicht die Personen, sondern die kritische Analyse, die auch unsere Mitglieder und unsere Wählerinnen und Wähler erwarten, die ja – manche auch schweren Herzens – uns nicht die stimme gegeben haben, die auch gesagt haben, wir hätten gerne die FDP gewählt, wenn das Bild nach außen ein anderes gewesen wäre, die Erwartungen haben, die wir mehrfach enttäuscht haben. Wir hatten immer wieder Phasen bei den Landtagswahlen, bei denen wir gut abgeschnitten haben. Wir müssen diese Menschen, die ja an der FDP weiterhin interessiert sind, wieder zurückgewinnen, das wird in erster Linie durch Zurückgewinnen von Glaubwürdigkeit, Kompetenz und Sympathie gehen, das ist ein schwieriger Prozess, der dauern wird, aber den wir heute starten müssen.
    Dobovisek: Da hören wir viel in diesem Zusammenhang von einem mitfühlenden Liberalismus, er soll die neuausrichtung charakterisieren. Ihr Parteifreund Holger Zastrow, der Landeschef in Sachsen, der sieht das eher kritisch, kann mit dem Begriff nicht allzu viel anfangen und ging heute Morgen hier im Deutschlandfunk auf Distanz zu Lindner. Hören wir mal, was er gesagt hat:
    O-Ton Holger Zastrow: "Wir wissen ja alle, dass wir hier für einen doch eher marktwirtschaftlichen Kurs stehen und dass wir wollen, dass die FDP wieder zu einem geradlinigen Liberalismus zurückkehrt und eine konsequente Haltung einnimmt. Das hat sie in den letzten Jahren nicht gehabt und ich hoffe, dass das korrigiert wird."
    Dobovisek: Gibt es denn einen Unterschied zwischen mitfühlendem und einem geradlinigen Liberalismus?
    "Wenn jemand das Wort sozial in den Mund nimmt, ist er deswegen nicht unliberal"
    Luksic: Ich glaube, hier werden falsche Gegensätze aufgebaut. Nur, wenn jemand das Wort sozial in den Mund nimmt, ist er deswegen nicht unliberal. Also, insofern, Holger zastrow selber hat, als er die FDP in Sachsen aufgebaut hat, eben auch versucht, darauf hinzuwirken, dass das Außenbild der FDP eben nicht von sozialer Kälte geprägt ist, und ich bin auch der festen Überzeugung, dass Christian Lindner ja nicht die Achse der FDP verschieben will, das wird er auch nicht. Man kann es ja auch immer nachlesen in all seinen Wortmeldungen, das hat er auch nie versucht. Aber er will eben eine andere Intonierung liberaler Inhalte, und das ist meines Erachtens auch sinnvoll und notwendig. Da lässt sich über semantische Fragen streiten, aber im Kern, glaube ich, gibt es bis auf einige wenige Fragen auch gar keine allzu großen Richtungsstreitigkeiten in der Partei. Holger Zastrow hat jetzt eine wichtige Landtagswahl vor sich, da profiliert er sich natürlich auch ein Stück weit gegen die Bundespartei, das haben in der Vergangenheit andere wie Wolfgang Kubicki auch gemacht. Das sei ihm unbenommen, aber dennoch ist das, was Christian Lindner anspricht, richtig und für die Partei auch sinnvoll.
    Dobovisek: Einen inhaltlichen Punkt hat mein Kollege Klaus Remme vorhin angesprochen, da geht es auch unter anderem um die Kandidatur von Ihrem Parteifreund Schäffler, den Eurokritiker, den Eurorebellen in Ihren eigenen Reihen. Muss die FDP eurokritischer werden?
    Luksic: Nein. Wir haben diese Frage ja intensiv in einem Mitgliederentscheid diskutiert. wir sind ja kritisch, was das Thema angeht der Finanzen auf der nationalstaatlichen Ebene, dass wir hier in der Tat das Problem haben, dass wir eine stärkere Stabilitätsunion brauchen. aber einen europakritischen Kurs, das würde die DNA der FDP verändern, das ist, glaube ich, eine lautstarke Minderheit, aber es ist eben eine Minderheit innerhalb des Parteitags, innerhalb der Mitglieder und vor allem auch innerhalb unserer Wähler, die ja in großen Teilen sehr proeuropäisch eingestellt sind. Also, insofern, auch hier: Es gehört zu einer liberalen Partei dazu und ist auch normal, dass wir eine Bandbreite abdecken, die breit ist, aber der Mainstream der Partei ist proeuropäisch ausgerichtet und auch hier sind wir uns in 90 Prozent der Fragen einig. Und ich glaube, es ist jetzt richtig, sich auf die Alternativen zur Großen Koalition zu fokussieren und weniger bauchnabelspiegelung zu machen und da versuchen, mit der Lupe unterschiede zu finden, wer der vermeintlich Liberalere ist. Das wäre der falsche Weg. Ich glaube, wir haben durchgehend durch das Programm der Großen Koalition einen breiten Boulevard der Möglichkeiten für die FDP, Alternativen zu formulieren, und das sollten wir auch tun.
    Dobovisek: Oliver Luksic, FDP-Landesvorsitzender im Saarland, über den Neustart seiner Partei auf ihrem Parteitag in Berlin. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Luksic!
    Luksic: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.