Gefangenenaustausch
FDP-Politiker Baum verteidigt Entscheidung der Bundesregierung - Amnesty: "Aufenthalte in Russland jetzt noch gefährlicher"

Nach dem jüngsten Gefangenenaustausch zwischen Russland und mehreren westlichen Staaten hat der frühere Bundesinnenminister Baum das Verhalten der Bundesregierung verteidigt. Der FDP-Politiker appellierte an die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft, auch anderen Freiheitskämpfern in Russland weiter Hoffnung zu machen. Ähnlich äußerte sich Amnesty International.

03.08.2024
    Ilja Jaschin (von links nach rechts), Andrej Piwowarow, Wladimir Kara-Mursa kommen zur Pressekonferenz in Bonn und gehen durch eine Tür. Links im Bild ein Kameramann.
    Die freigelassenen Ilja Jaschin (von links nach rechts), Andrej Piwowarow, Wladimir Kara-Mursa äußerten sich erstmals öffentlich auf einer Pressekonferenz in Bonn. (picture alliance / dpa / Christoph Reichwein)
    Baum sagte im Deutschlandfunk, die Entscheidung, im Gegenzug zur Freilassung deutscher Staatsbürger und russischer Regime-Kritiker den verurteilten Mörder Krassikow aus der Haft nach Russland zu entlassen, sei alternativlos gewesen. Putin habe ein hohes Interesse an der Freilassung des sogenannten "Tiergartenmörders" gehabt. Dies habe man in diesem Fall ausgenutzt und damit ein Zeichen gesetzt.
    Baum warnte gleichzeitig vor einer Verallgemeinerung des Falls. Durch die Entscheidung der Regierung in dieser ganz besonderen Situation sei keine Straffreiheitsgarantie für Verurteilte entstanden. In jedem Fall müsse neu entschieden werden. Zudem erinnerte der ehemalige Bundesinnenminister an das Schicksal mehrerer Menschenrechtlerinnen in Belarus, die wegen ihres Protests im Jahr 2020 in Haft sind.

    Amnesty International: "Aufenthalt in Russland nun noch gefährlicher"

    Auch Amnesty International forderte die Bundesregierung auf, sich für die Freilassung weiterer politischer Häftlinge in Russland einzusetzen. Der stellvertretende Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Mihr, sagte im Deutschlandfunk, die Politik müsse gegenüber Moskau entschlossen auftreten und Menschenrechtsverletzungen anprangern. Grundsätzlich würden Aufenthalte in Russland nun noch gefährlicher, vor allem für diejenigen, die im Bereich Menschenrechte oder Journalismus arbeiteten. Mihr betonte, die Bundesregierung müsse auch für den Schutz von russischen Oppositionellen, Aktivisten und Journalisten im deutschen Exil sorgen. Schließlich wisse man, dass der "lange Arm der russischen Repression" auch bis ins europäische Ausland reiche.

    Kara-Mursa: Werde Widerstand gegen Putin fortsetzen

    Der russische Oppositionelle Kara-Mursa äußerte sich erstmals öffentlich nach seiner Freilassung. In einer Pressekonferenz in Bonn dankte er der Bundesregierung und allen Deutschen, die sich für die politischen Gefangenen eingesetzt hätten. Kara-Mursa kündigte an, seinen Widerstand gegen den russischen Staatschef Putin fortzusetzen. Zielgerichtete Sanktionen gegen einzelne Verantwortliche des russischen Machtapparats seien am wirksamsten. Zudem machte er Putin erneut für den Tod des Kreml-Kritikers Nawalny in einem Straflager verantwortlich.

    Warnung vor weiteren willkürlichen Festnahmen in Russland

    An der Pressekonferenz nahmen auch die freigelassenen Oppositionspolitiker Jaschin und Piwowarow teil. Piwowarow erklärte, der Austausch habe einigen der Inhaftierten das Leben gerettet. Jaschin warnte, dass der Austausch zu weiteren willkürlichen Festnahmen in Russland führen könne. "Es ermutigt Putin, noch mehr Geiseln zu nehmen", sagte Jaschin.
    Jaschin führte aus, er habe nicht ausgetauscht werden wollen. Er wolle eigentich nach Russland zurückkehren, aber ihm sei klar gemacht worden, dass es keinen weiteren Gefangenenaustausch geben würde, wenn er das täte. Ein Offizier des russischen Inlandsgeheimdiensts FSB habe ihm gesagt, wenn er nach Russland zurückkomme, würden seine Tage so enden wie die von Nawalny.

    Noch zahlreiche Deutsche in Russland inhaftiert

    Das Auswärtige Amt teilte in Berlin mit, dass nach wie vor deutsche Staatsbürger in Russland und in Belarus inhaftiert seien. Es handele sich um eine "niedrige zweistellige" Zahl an Bundesbürgern in Russland, in Belarus um eine "einstellige Zahl".

    Warnung aus Moskau an Freigelassene

    Der stellvertretende Vorsitzende des russischen Nationalen Sicherheitsrats, Medwedew, bezeichnete die Freigelassenen als "Verräter" und drohte ihnen, sie sollten sich besser neue Namen zulegen und sich im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms tarnen.
    Insgesamt waren 16 Häftlinge aus Russland und Belarus beim Gefangenenaustausch freigekommen. Zehn Personen wurden im Gegenzug nach Russland abgeschoben, darunter der in Deutschland als sogenannter Tiergartenmörder verurteilte Russe Krassikow. Der Kreml bestätigte erstmals, dass Krassikow ein Agent des FSB ist.
    Diese Nachricht wurde am 03.08.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.