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FDP-Politiker Kuhle
"AfD-Verbot ist ein unseriöser Vorschlag"

Die aktuelle Diskussion um ein Verbot der AfD würde der Partei eher helfen, als dass es ihr schade. Man wissen aus dem NPD-Verfahren, wie schwierig ein Parteiverbot in Deutschland aus guten Gründen sei, sagte der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle im Dlf.

Konstantin Kuhle im Gespräch mit Christoph Heinemann |
Konstantin Kuhle, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, bei einer Rede am 28. April 2017 in Berlin, Deutschland
"Rechtsextremismus gehört in der AfD zum guten Ton", sagt der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle - ein Verbotsverfahren wäre zum jetzigen Zeitpunk allerdings kontraproduktiv. (Steffi Loos / Getty Images)
Die Diskussion über ein Verbot der AfD komme zur Unzeit, sagte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Konstantin Kuhle. In Deutschland gebe es zu Recht hohe Hürden für ein Parteiverbot. Ein unvorbereiteter Vorstoß würde daher leider nur der AfD helfen.
Zugleich forderte Kuhle eine genaue Beobachtung der rechtsextremen Strömungen in der Partei durch den Verfassungsschutz. Die AfD sei das Zentrum des Rechtsextremismus in Deutschland, sagte Kuhle im Deutschlandfunk.
Nach den Stör-Aktionen im Bundestag hatte der thüringische Innenminister Georg Maier ein Verbot der AfD ins Gespräch gebracht. SPD-Chefin Esken sprach sich dafür aus, die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz auszuweiten. Ähnlich äußerte sich der nordhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU). AfD-Politiker bezeichneten die Überlegungen als taktisches Manöver, um ihre Partei zu diskreditieren.
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Der ehemalige Bildungsminister Klaus von Dohnanyi (SPD) fordert nach den Störaktionen im Bundestag einen konsequenten Umgang mit der AfD. Insgesamt müssten die Parteien den Fokus wieder mehr auf den Schutz von Arbeitsplätzen legen, um die Fundamente und das Nachwachsen der AfD zu verhindern, sagte er im Dlf.

Das vollständige Interview im Wortlaut.
Christoph Heinemann: Wie andere Parteien auch forderte die AfD zuletzt eine stärkere Beteiligung des Bundestages, wenn über Einschränkungen des öffentlichen Lebens entschieden wird. Im Gegensatz zu allen anderen Fraktionen des Deutschen Bundestages nutzte die größte Oppositionsgruppe die Debatte in der vergangenen Woche für eine Plakataktion, die Wolfgang Schäuble dann rasch beendete. Abgeordnete der AfD hatten am Tag der Sitzung außerdem Personen in das Reichstagsgebäude eingeladen, die Politikerinnen und Politiker beschimpften. Einerseits soll der Bundestag einbezogen werden; andererseits werden, von Mitgliedern der AfD-Fraktion organisiert, Abgeordnete beleidigt. Einigen reicht es jetzt. Thüringens Innenminister Georg Maier von der SPD und sein nordrhein-westfälischer CDU-Amtskollege Herbert Reul schließen ein Verbotsverfahren nicht mehr aus.
Am Telefon ist Konstantin Kuhle, der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Wahlkreis Göttingen.
"Die Gesamtpartei durch den Verfassungsschutz beobachten lassen"
Christoph Heinemann: Herr Kuhle, sollte die AfD verboten werden?
Kuhle: Nein! – Diese Diskussion kommt total zur Unzeit und ist auch ein unseriöser Vorschlag. Das sind ja hohe rechtliche Hürden, die seitens des Bundesverfassungsgerichts und seitens des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aufgestellt werden, und wir wissen aus dem NDP-Verfahren, dem ersten wie dem zweiten, wie schwierig in Deutschland ein Parteiverbot aus guten Gründen ist. Deswegen sollte man sich vielmehr darum kümmern, die rechtsextremen Bestrebungen innerhalb der AfD genau unter die Lupe zu nehmen, aber diese Verbotsdiskussion, die hilft der AfD jetzt leider eher, als dass sie ihr schadet.
Heinemann: Wieso ist das unseriös?
Kuhle: Weil wir in Deutschland ein sehr ausdifferenziertes Verfahren bei der Beobachtung extremistischer Tendenzen haben. Es ist so, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesämter für Verfassungsschutz zunächst eine Beobachtung anstellen. Wir haben ja derzeit bei der AfD noch eine Trennung zwischen einer Beobachtung in Teilen der Partei und der Gesamtpartei. Ich bin der Auffassung, dass die Beobachtung des Flügels und die Trennung zwischen Flügel und Nichtflügel immer mehr künstlich wird. Mittlerweile gehört die Verachtung für die Institutionen und die Werte des Grundgesetzes in der AfD zum guten Ton und deswegen ist jetzt der nächste Schritt erst mal, dass man die Gesamtpartei durch den Verfassungsschutz beobachtet und genau hinschaut, was dort vonstattengeht. Jetzt eine Verbotsdiskussion vom Zaun zu brechen, ohne dass man einen konkreten Antrag hat, ohne dass man so was vorbereitet, das dient eher der Profilierung des Thüringer Innenministers vor der möglichen Landtagswahl im nächsten Jahr und das hätte man sich sparen können.
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Mit Fundamentalopposition will Brandenburgs neuer AfD-Fraktionsvorsitzender Hans-Christoph Berndt das Land verändern, kommentiert Christoph Richter. Und zwar in Richtung eines autoritären, antiliberalen Staats. Mit Berndts Wahl habe sich die AfD in Brandenburg weiter radikalisiert.
"AfD kämpft gegen die parlamentarische Demokratie"
Heinemann: Der sogenannte Flügel ist ja offiziell aufgelöst, die Flügel-Mitglieder allerdings nach wie vor in der AfD. Unter anderem deshalb sagt Georg Maier, der Innenminister von Thüringen, es werde immer offensichtlicher, wie sehr die AfD als parlamentarischer Arm der Rechtsextremisten fungiert und versucht, die parlamentarische Demokratie von innen auszuhöhlen. – Stimmen Sie, Herr Kuhle, Herrn Maier zu?
Kuhle: In der Analyse stimme ich Herrn Maier zu. Die AfD ist der Kristallisationspunkt des deutschen Rechtsextremismus und der Hauptansprechpartner für unterschiedlichste rechtsextreme Gruppen. Das können Reichsbürger sein, das können Wählerinnen und Wähler oder Funktionäre von rechtsextremen Parteien wie der NPD sein, das können Anhänger von verschiedenen internationalen Gruppierungen sein. Wir sehen, dass die AfD im Zentrum dieser Bestrebungen in Deutschland steht, und ich kann auch bestätigen, dass der Kampf der AfD gegen die parlamentarische Demokratie mit der letzten Woche noch mal eine neue Qualität erreicht hat.
Bisher ging es darum, sich lustig zu machen über die Institutionen. Jetzt geht es offenbar auch um physische Obstruktion. Die AfD radikalisiert sich weiter. Aber die Schlussfolgerung daraus zu ziehen, dass man eine Verbotsdiskussion vom Zaun bricht, das drängt die AfD in eine Opferrolle, denn jetzt wird sehr viel über diese Verbotsforderung diskutiert und weniger über das Problem des Rechtsextremismus in der AfD, und darauf sollte man sich konzentrieren.
Stärkung der AfD "darf man nicht riskieren"
Heinemann: Sehen Sie bei der AfD eine aktiv kämpferische aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung?
Kuhle: Das ist der Obersatz des Bundesverfassungsgerichts für das Parteiverbot. Das müsste bestätigt werden, wenn man ein solches Verbotsverfahren einleiten würde. Es ist aber zu bedenken, dass diese Formulierung, die Sie gerade verwendet haben, aus dem KPD-Urteil in den 50er-Jahren stammt und jetzt noch ergänzt werden muss um die Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der noch mal strengere Voraussetzungen anlegt an das Parteiverbot. Ich befürchte also: Selbst wenn Einzelne in der AfD diese aggressiv kämpferische Haltung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung haben, würden wir mit der Verbotsdiskussion wieder in einer Situation landen, wo eine Partei am Ende sogar gestärkt aus einem solchen Verfahren hervorginge, und das darf man nicht riskieren. Da ist der Schaden am Ende größer als der Nutzen.
Heinemann: Nun ist Björn Höcke laut Bundesverfassungsschutz Rechtsextremist. Er ist gerade in seinem Amt als Landessprecher in Thüringen bestätigt worden. Was folgt daraus für die Gesamtausrichtung der AfD?
Kuhle: Daraus folgt, dass man seriöser Weise nicht mehr differenzieren kann zwischen dem Flügel oder den ehemaligen Angehörigen des sogenannten Flügels und der Gesamtpartei. Rechtsextremismus gehört in der AfD zum guten Ton. Wer es in der AfD zu etwas bringen möchte, der muss sich geradezu immer weiter radikalisieren, weil sonst in der Partei auch die Sichtbarkeit abnimmt und man dafür ja auch aktiv gemobbt und herausgedrängt wird, wenn man in irgendeiner Weise versucht, dort moderat zu agieren. Die AfD befindet sich auf einem selbst auferlegten Radikalisierungskurs und das zeigt auch das Vorgehen in anderen Landesverbänden. Sie haben Thüringen erwähnt, aber in meinem Bundesland, in Niedersachsen, ist gerade auch die Spitze im Landesverband übernommen worden von Extremisten, und daran können wir sehen, dass der Radikalisierungsprozess dieser Partei immer weiter geht und wir uns keiner Illusion hingeben dürfen und sehr wehrhaft sein müssen gegen die Bestrebungen der AfD.
"Rechtsradikale Haltung in der AfD ein Sicherheitsproblem"
Heinemann: Wobei die FDP ja da eine zwielichtige Rolle gespielt hat. In Thüringen hat sich ein FDP-Politiker mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen lassen. – Verfügt die FDP auf dem rechten Auge über die vollen Sehkräfte?
Kuhle: Die FDP muss auf dem rechten Auge über die vollen Sehkräfte verfügen und ich bin sehr froh, dass das Problem, was in Thüringen entstanden ist, aus der Welt geschafft worden ist. Denn von vornherein war diese Bestrebung in Thüringen zum Scheitern verurteilt. Wenn man eine rot-rot-grüne Landesregierung von der Macht verdrängen will, dann ist das ein legitimes Ansinnen. Wenn man das aber tun will um den Preis, dass man sich von der AfD abhängig macht, dann ist das genau das Gegenteil von einer Befriedung des politischen Prozesses, sondern dann führt das zu weiterer Radikalisierung und Polarisierung.
Und wenn man sich anschaut, dass aus der rechtsradikalen Haltung, die es in der AfD in weiten Teilen gibt, auch ein Sicherheitsproblem erwächst – das hat man ja jetzt gesehen in der letzten Woche in dem Deutschen Bundestag –, dann muss man hier auf dem rechten Auge genau die gleiche Sehstärke haben wie auf dem linken.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.