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FDP-Politikerin zu Chinas Einreiseverbot
In Fragen der Menschenrechte nicht klein beigeben

Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestags, Gyde Jensen, kritisiert China dafür, dem Gremium die Einreise zu verweigern. Man werde weiterhin den Dialog suchen, sagte sie im Dlf. Aber das bedeute auch, sich "klar für Universalität der Menschenrechte und unsere Werte stark zu machen".

Gyde Jensen im Gespräch mit Peter Sawicki |
Gyde Jensen (FDP), Mitglied des Deutschen Bundestages, spricht bei einer Debatte zu 70 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Deutschen Bundestag.
In einem Dialog müsse es auch möglich sein, sich kritisch über Dinge zu äußern, sagte Gyde Jensen, Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, im Dlf (dpa / picture alliance / Christoph Soeder)
Peter Sawicki: Der politische Umgang mit China ist für die Bundesrepublik oft eine heikle Sache. Einerseits ist Peking ein wichtiger Handelspartner, gleichzeitig verweisen Menschenrechtsgruppen immer wieder auf Missstände bei diesem Thema in China. Dort hört man Kritik an der Innenpolitik aber nicht gerne, auch nicht von Seiten Deutschlands, und das zeigt sich jetzt auch daran, dass zwei geplante Reisen von Bundestagsausschüssen das Aus droht: zum einen dem Ausschuss für Menschenrechte, der unter anderem nach Tibet reisen möchte, und dem Digitalausschuss, dort lehnt China explizit die Teilnahme einer Grünen-Politikerin an der Reise ab. Im Fokus steht dabei unter anderem Kritik am Umgang Chinas mit der Volksgruppe der Uiguren. Dazu Benjamin Eyssel .
Aus Peking Benjamin Eyssel, und wir können das Thema jetzt vertiefen. Am Telefon ist Gyde Jensen, sie ist für die FDP im Bundestag und dort Vorsitzende im Menschenrechtsausschuss. Schönen guten Morgen!
Gyde Jensen: Schönen guten Morgen!
Sawicki: Was hat die Volksrepublik an Ihnen auszusetzen?
Jensen: An mir persönlich, denke ich, nichts. Ich gehe davon aus, dass die Volksrepublik China verstärkt und in den letzten anderthalb Jahren, in denen der Ausschuss jetzt in dieser Legislaturperiode arbeitet, auch immer wieder zu China gearbeitet und sich positioniert hat, dass das negativ aufgefallen ist. Wir haben es gerade im Beitrag gehört, dass Kritik an der Volksrepublik sehr ungerne gesehen wird und als Einmischung in die internen Angelegenheiten deklariert wird. Das sehen wir anders, und aus dem Grund sind wir immer wieder mal angeeckt.
"Inakzeptables Vorgehen Chinas"
Sawicki: Ihr Kollege Michael Brand von der CDU sagt, dass China jetzt möglicherweise ein Exempel statuieren möchte. Hat er recht?
Jensen: Ich würde nicht so weit gehen und sagen: Exempel statuieren. Ich glaube, das ist ein Vorgehen, das die Volksrepublik und auch die chinesische Botschaft bei uns in Deutschland an den Tag legt, die es schon länger gibt und die auch nichts mit einzelnen Personen direkt nur aus dem Ausschuss zu tun hat, sondern die kritisiert, wie ein Umgang eines anderen Parlaments von freigewählten Abgeordneten bei uns im Deutschen Bundestag ist mit Themen, die China als intern begreift und deswegen als nicht einmischungswürdig begreift. Ich denke, das ist etwas, was wir immer klar ansprechen müssen, und in der Vergangenheit haben wir das getan. In dem Beitrag wurde ja auch gerade die Region Xinjiang genannt. Wir hatten dazu eine Bundestagsdebatte im vergangenen Winter und haben daraufhin sehr positive Rückmeldungen von Menschenrechtsorganisationen und auch von tätigen Organisationen in China und Umgebung bekommen, allerdings auch böse Korrespondenz an den Bundestagspräsidenten Herrn Doktor Schäuble und an die Fraktionsführung aller Fraktionen. Dieses Vorgehen, das bezeichne ich, und das bezeichnen auch meine Kollegen im Ausschuss immer wieder als inakzeptabel, denn wir sind hier in Deutschland frei gewählt und dürfen aufgrund unseres freien Mandats und natürlich auch zu allen Themen äußern, die uns interessieren und die uns vor allen Dingen auch im Ausschuss betreffen.
"Dialog bedeutet auch, sich kritisch zu äußern"
Sawicki: Sie haben es aber trotzdem angesprochen gerade, dass China das ja als Einmischung in innere Angelegenheiten betrachtet. Kann man diesen Standpunkt einfach so ignorieren?
Jensen: Ignorieren würde ich das nicht. Das hat Herr Doktor Schäuble auch nicht gemacht in seiner Antwort. Das habe ich auch nicht gemacht in meiner Korrespondenz mit dem chinesischen Botschafter, auch nicht auf der Reise der FDP-Fraktion, die gerade stattgefunden hat, wo ich dabei war. Die Frage ist, glaube ich, immer – und das wird ja auch heiß diskutiert in den sozialen Medien, auch in den Medien hört man das immer wieder –, wie umgehen mit China, ohne entweder klein beizugeben oder komplett, ich sage mal, auf Konfrontation zu setzen und dadurch aber zu erreichen, dass man wenig bis gar keinen Dialog mehr führen kann. Ich glaube, es muss eine …
Sawicki: Ist da so ein Mittelweg möglich?
Jensen: Ich glaube ja. Ich glaube, es ist ein Mittelweg möglich. Ich habe ein großes Interesse – das möchte ich auch noch mal erneuern, das habe ich in der Korrespondenz mit dem chinesischen Botschafter auch immer erneuert –, ich habe ein Interesse an einem Dialog, und Dialog bedeutet natürlich nicht, dass man nur positive Dinge anspricht, sondern Dialog bedeutet auch, sich kritisch über Dinge zu äußern und auszutauschen. Dialog bedeutet aber auch nicht, immer auf einer Seite stehen zu müssen, aber es geht darum, wenn der Menschenrechtsausschuss sich nicht für Menschenrechte stark macht weltweit, das ist die Universalität der Menschenrechte, die wir auch immer wieder ansprechen, dann machen wir unseren Job nicht richtig. Das vertreten wir natürlich auch für und bei der Volksrepublik China wie bei anderen Ländern auch. Das muss allerdings auch ein Thema sein, wenn andere Delegationen, zum Beispiel auch der Digitalausschuss nach China reisen will, Thema sein sollte, und wenn das versucht wird, wird häufig von China versucht, dort zu intervenieren und entsprechende Abgeordnete nicht mitreisen zu lassen. Das kritisieren wir, und das werde ich mir auch vorbehalten, weiterhin zu kritisieren, denn Dialog geht in beide Richtungen.
"Kleinbeigeben gegenüber China kann nicht das Ziel sein"
Sawicki: Frau Jensen, haben Sie das auch in Ihrer Korrespondenz, die Sie jetzt angesprochen haben, mit Peking auch so mitgeteilt?
Jensen: Das haben wir immer so mitgeteilt von Anfang an. Leider war es mir bis jetzt noch nicht möglich, ein Treffen zu arrangieren, das leider immer wieder kurzfristig abgesagt wurde aus den unterschiedlichsten Gründen. Ich werde da auch standhaft bleiben und nachdrücklich immer wieder darauf pochen, dass es doch ein Treffen aufgrund auch von Dialogbereitschaft unsererseits, sowohl des Ausschusses als auch aufgrund einzelner Mitglieder, nach wie vor sehr gerne gesehen wird. Wir können es immer wieder nur anbieten, aber wir werden nach wie vor offensiv und auch sozusagen den Dialog anbieten und uns aber auch klar für die Universalität der Menschenrechte und unsere Werte stark machen und dort nicht klein beigeben, denn wenn wir nicht selbstbewusst antworten, dann ist das aus meiner Sicht ein Kleinbeigeben Chinas oder gegenüber China, und das kann nicht das Ziel sein.
Sawicki: Wie ist der aktuelle Stand bei der Planung, bei der Vorbereitung der geplanten Reisen? Hat China endgültig abgesagt oder steht da die Entscheidung noch aus?
Jensen: Da wir keine Antwort haben und im diplomatischen Bereich keine Antwort meist sogar negativer gewertet wird als eine Absage, gehe ich momentan davon aus, dass der Ausschuss in dieser Situation nicht reisen können wird, denn wir brauchen natürlich eine formelle Einladung. Das gehört sich so, um reisen zu können.
Sawicki: Bis wann bräuchten Sie noch eventuell eine Genehmigung?
Jensen: Noch haben wir ein bisschen Zeit und das ist auch alles noch machbar. Die Frage ist eher, wie lange wir hingehalten werden um dann kurzfristig doch eine Absage zu bekommen oder keine Antwort zu bekommen und auf eine Zu- oder Absage zu warten. Wir sind ja durchaus in der Lage, dort auch andere Möglichkeiten zu finden und die Reise umzustrukturieren. Uns geht es aber darum, festzuhalten, dass wir sehr gerne auch in dieses Land reisen möchten, uns austauschen möchten, alle Seiten der Medaille auch beleuchten wollen, und das geht nicht, wenn uns Dialog und Reisemöglichkeit verwehrt wird.
"Ich würde schon sagen, dass es den Menschen vor Ort etwas bringt"
Sawicki: Grundsätzlich stellt sich auch ja die Frage, wie zielführend solche Reisen sind, wenn sie denn stattfinden. Sind die nur gut für das Image, um es in bisschen zuzuspitzen, oder haben auch die Menschen vor Ort etwas davon?
Jensen: Nein, die Reisen sind tatsächlich auf der einen Seite gut, für uns als Abgeordnete sich einen besseren Eindruck verschaffen zu können. Wenn man vor Ort ist, erlebt man ein Land anders, als man es möglicherweise über Berichte in den Medien erleben kann, und die Anwesenheit von Abgeordneten anderer Länder, würde ich jetzt ganz allgemein auch formulieren, in Ländern wie zum Beispiel auch der Volksrepublik, die wird auch pressewirksam dort so begleitet, dass die Bevölkerung davon auch Wind bekommt, dass sozusagen ein öffentlicher Dialog über ein bestimmtes Thema, meistens dann ja mit dem Ausschuss, der reist oder Abgeordneten, die reisen, verknüpft wird. Ich würde schon sagen, dass es den Menschen vor Ort etwas bringt. Delegationsreisen sind immer noch mal etwas anderes als Einzeldienstreisen. Häufig sind Abgeordnete bei Delegationen noch mal ganz speziell an Themen interessiert, die sie dort auch ansprechen. Das weiß ich von Kolleginnen und Kollegen anderer Ausschüsse, die das tun. Deswegen ist diese Reisetätigkeit, die wir im Bundestag nutzen dürfen und das große Privileg haben, das nutzen zu dürfen, unheimlich wichtig für die Arbeit, aber in beide Richtungen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.