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FDP
"Wir haben Reden und Handeln nicht in Einklang gebracht"

Während der Euro-Krise stimmte Frank Schäffler (FDP) gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus und seine Partei. Jetzt will er ins Präsidium der FDP - und betont die Notwendigkeit, zusammenzustehen. Gerade in der Europa-Politik gebe es viele Gemeinsamkeiten.

    Peter Kapern: „Neustart für die Freiheit“ – so steht es auf der FDP-Homepage im Internet. Das klingt ein wenig nach aufgeblasenen Backen, so als hätte unser Land nicht nur die Präsenz einer liberalen Partei im Bundestag verloren, sondern gleich die ganze Freiheit dazu. Aber sehen wir es der FDP nach: Wer in der außerparlamentarischen Opposition ist, der muss schon ziemlich laut klappern, damit er überhaupt Gehör findet. Morgen beginnt in Berlin der Bundesparteitag der Liberalen. Dort werden dann Wunden geleckt, alte Rechnungen beglichen und der Neubeginn ausgerufen.
    Mitgehört hat Frank Schäffler, Ex-Bundestagsabgeordneter der FDP, und vielleicht kann man das so auf den Punkt bringen: der europapolitische Quälgeist seiner Partei. Guten Morgen, Herr Schäffler.
    Frank Schäffler: Guten Morgen, Herr Kapern.
    Kapern: Herr Schäffler, warum muss Frank Schäffler ins Präsidium der FDP?
    Schäffler: Weil ich einen wichtigen Flügel meiner Partei repräsentiere. Wir haben ja beim Mitgliederentscheid fast die Hälfte der Stimmen damals für uns gewinnen können, und da die FDP ja in einer existenziellen Krise ist, ist es wichtig, die Partei in dieser Frage zusammenzuhalten und eben nicht zu spalten, sondern die Gemeinsamkeiten in dieser wichtigen Phase zu suchen.
    "Es gibt in der Europapolitik genügend Gemeinsamkeiten"
    Kapern: Christian Lindner hat im Interview mit dem Deutschlandfunk – das haben wir eben noch mal gehört – gesagt, Frank Schäffler vertritt einen orthodoxen, konservativen Flügel der FDP. Das klingt so, als wollte er Sie nicht im Präsidium?
    Schäffler: Na ja, wer 44,2 Prozent der Partei als orthodox bezeichnet, ich glaube, der muss sich schon fragen, ob er seine Integrationskraft auch wirklich ernst meint. Ich glaube, es ist gut, jetzt an dieser Stelle eben nicht die Partei zu differenzieren, sondern sie zusammenzuhalten. Wie gesagt: wir haben drei wichtige Landtagswahlen, wir haben elf Kommunalwahlen im nächsten Jahr, wir haben die sehr wichtige Europawahl. Da wird ja die neue Führung daran gemessen, ob der Wiederaufstieg gelingt oder nicht, und deshalb ist es jetzt notwendig, zusammenzustehen, die Gemeinsamkeiten zu suchen. Es gibt in der Europapolitik genügend Gemeinsamkeiten, das haben wir jetzt schon in unserem Wahlprogramm dargestellt, dass der ESM beispielsweise auslaufen soll. Der hessische Landesverband hat es gerade dargestellt, dass es eine Austrittsmöglichkeit geben soll. All das sind Formulierungen, die auch von mir stammen könnten.
    Kapern: Holger Zastrow hat in einem Zeitungsinterview dieser Tage gesagt, nicht alle, die jetzt beim Parteitag kandidieren, haben über ihre persönliche Verantwortung für das Wahldesaster der FDP nachgedacht. Haben Sie das getan?
    Schäffler: Ja, ich habe das sehr wohl getan. Ich habe ja in meiner Partei schon seit Frühjahr 2010 den Kurs der Partei kritisiert und habe deutlich gemacht, dass dieser Weg falsch ist. Wir müssen eben Reden und Handeln in Einklang bringen, wir dürfen nicht alles der Regierungspolitik unterordnen, sondern wir müssen liberale Prinzipien auch im Regierungsalltag vertreten, und das haben wir in den vergangenen vier Jahren nicht gemacht. Wir haben Reden und Handeln nicht in Einklang gebracht und deshalb sind wir abgewählt worden. Das müssen wir ändern, wenn wir wieder erfolgreich sein wollen.
    Kapern: Hans-Dietrich Genscher hat gesagt, Sie hätten die FDP gelähmt und diffus erscheinen lassen, und auch deshalb sei die Partei abgewählt worden. Er hat Ihnen sogar den Austritt nahegelegt.
    Schäffler: Ja, ich habe mich da nicht angesprochen gefühlt, denn innerparteiliche Demokratie ist ja kein Lähmungszustand, sondern ist Ausdruck von gewachsenem Selbstbewusstsein von Mitgliedern und Partizipation von Mitgliedern. Wir sind keine Obrigkeitspartei, die von oben nach unten regiert wird, sondern wir haben selbstbewusste Mitglieder, die auch im Entscheidungsprozess mitwirken wollen und eben nicht nur Befehle von oben bekommen wollen.
    Wer Risiken eingeht, müsse haften
    Kapern: Welchen Wahl-Slogan, Herr Schäffler, würden Sie auf die FDP-Wahlplakate für die Europawahl drucken lassen?
    Schäffler: „Aufbruch jetzt!“
    Kapern: Nicht „Griechenland raus aus dem Euro“?
    Schäffler: Nein! Das war ehrlich gesagt auch nie meine Position. Meine Position war immer, dass derjenige, der Risiken eingeht, auch haften muss.
    Kapern: Schuldenstaaten Pleite gehen lassen, wäre das Ihr Wahl-Slogan?
    Schäffler: Ja! Wenn sie ihre Schulden nicht mehr selbst bedienen können, dann müssen sie sich mit ihren Gläubigern zusammensetzen. Das ist nicht nur meine Position, sondern das ist inzwischen auch die Position des Landesverbandes Hessen und auch anderer in der FDP, und ich setze darauf. Selbst die Friedrich-Naumann-Stiftung hat unter Christian Lindner das jetzt in einem Papier beschlossen. Das ist eine Position, die von weiten Teilen der Partei inzwischen geteilt wird, dass Staaten auch innerhalb der Euro-Zone Pleite gehen können müssen. Das ist nichts Ungewöhnliches. Auch Banken müssen Pleite gehen. Das Entscheidende ist doch in einer Marktwirtschaft auch der Austritt. Das heißt, dass derjenige, der über seine Verhältnisse lebt, auch im Zweifel dafür geradestehen muss. Wir boxen doch jetzt heute Banken und Investoren heraus und nicht die armen Griechen, sondern wir boxen die reichen Investoren heraus, und das hat mit Marktwirtschaft nichts zu tun.
    Kapern: Wie bewerten Sie das Konzept von Christian Lindner für einen Neustart der Freiheit der FDP? Ist das Säusel-Liberalismus?
    Schäffler: Ich kenne das ehrlich gesagt noch nicht. Er wird das ja auf dem Parteitag in seiner Rede vorstellen, was seine Vorstellung von Liberalismus ist. Ich glaube, dass es nicht ausreicht, nur Personen auszutauschen, sondern notwendig für die FDP ist auch eine inhaltliche Schärfung, eine Verdeutlichung, dass wir für Marktwirtschaft, für Rechtsstaat, für die individuelle Freiheit kämpfen, auch gegen große Mehrheiten. Denn das ist der Auftrag der FDP. Alle anderen Parteien in diesem Land, die wollen den Staat noch fetter, noch größer machen, wollen die Bürger nicht entlasten, wollen sie abzocken, und da muss es eine Partei geben, die auch ein anderes Konzept vertritt. Das muss die FDP sein!
    "Wir hätten es umsetzen können"
    Kapern: Und hat die FDP dann nach wie vor ein kaltes und abstoßendes Gesicht, wie es Christian Lindner gesagt hat?
    Schäffler: Nein! Ich finde, wenn man für die Entlastung des Bürgers eintritt, wenn man dafür eintritt, …
    Kapern: Also Steuersenkungen?
    Schäffler: Steuersenkungen, Steuerreformen!
    Kapern: Das war aber schon bisher kein erfolgreiches Konzept, oder?
    Schäffler: Natürlich war das ein erfolgreiches Konzept.
    Kapern: Bei 4,8 Prozent?
    Schäffler: 2009 haben wir fast 15 Prozent damit erzielt. Das Problem war nur: wir haben es anschließend nicht umgesetzt. Wir müssen eben Reden und Handeln in Einklang bringen. Das heißt, wir müssen das, was wir sagen, hinterher auch umsetzen, und wir hätten es umsetzen können, hätte es den ernsten Willen der damaligen Parteiführung gegeben. Aber da man es nicht gemacht hat, hat der Wähler uns anschließend abgestraft, und jetzt sehen wir doch mit dieser Großen Koalition: die haben in den nächsten fünf Jahren 110 Milliarden Steuermehreinnahmen, und in diesem Koalitionsvertrag geht es nur noch darum, wie man den Bürger weiter gängeln kann. Da ist nur noch die Rede von Steuerhinterziehern, Umsatzbetrügern, Gewinnverlagerern und Steuervermeidern. Das ist das Bild des Staates gegenüber dem deutschen Steuerzahler. Es wird nicht mehr davon gesprochen, dass jemand etwas hart erarbeiten muss und anschließend einen Teil davon an den Staat abgibt; nein: das sind alles Steuerbetrüger im Bild der heutigen Großen Koalition.
    Kapern: Frank Schäffler, der Euro-Rebell der FDP, der am Wochenende beim Parteitag ins Präsidium der Liberalen gewählt werden möchte. Herr Schäffler, danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
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