Bundesverkehrsminister Wissing kündigte allerdings am Morgen in Berlin an, er werde aus der FDP austreten und weiter im Amt bleiben. Bundeskanzler Scholz habe ihn gebeten, seine Aufgaben weiter wahrzunehmen. Nach einer Bedenkzeit habe er sich dazu entschlossen, dieser Bitte nachzukommen. Er wolle sich selbst treu bleiben und könne den Kurs von Parteichef Lindner nicht mittragen, erklärte Wissing. Es gehe darum, Verantwortung zu übernehmen.
Nach der Entlassung von Lindner als Bundesfinanzminister soll der SPD-Politiker Kukies dieses Amt übernehmen. Kukies ist derzeit Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Mehr zu ihm lesen Sie hier.
Scholz: "Kein Vertrauensverhältnis mehr"
Gestern Abend hatte Scholz Lindners Entlassung damit begründet, es gebe kein Vertrauensverhältnis mehr. Lindner habe sich trotz Ukraine-Krieg und Trump-Wahl einem Kompromissangebot zum Haushalt und zur Ukraine-Unterstützung verweigert und damit verantwortungslos gehandelt. Als Bundeskanzler könne er das nicht dulden, sagte Scholz. Er sehe sich zu diesem Schritt gezwungen, um Schaden vom Land abzuwenden, sagte der SPD-Politiker. Am 15. Januar will Scholz die Vertrauensfrage im Bundestag stellen, die Folge könnten Neuwahlen Ende März sein.
Weiter führte Scholz aus, er sei sich mit Vizekanzler Habeck einig, dass Deutschland schnell Klarheit über den weiteren politischen Kurs brauche. In den Sitzungswochen des Bundestags bis Weihnachten wolle er alle Gesetze zur Abstimmung stellen, die keinen Aufschub duldeten. Dazu gehören nach seinen Worten die Stabilisierung der Rente sowie Sofortmaßnahmen für die Industrie.
Zu Lindner erklärte Scholz weiter, diesem gehe es nicht um das Land, sondern um das eigene Klientel und das Überleben der eigenen Partei. Lindner habe Kompromisse oft sachfremd blockiert. Der Streit auf offener Bühne habe zudem viel zu lange den Blick für das verstellt, was diese Regierung gemeinsam vorangebracht habe, sagte Scholz.
Wirtschaftsminister Habeck bedauerte den Bruch der Koalition. Dies fühle sich falsch an, gerade an einem Tag, an dem Deutschland in Europa Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit zeigen müsse, sagte er gestern.
Lindner: "Kalkulierter Bruch"
Lindner machte gestern den Bundeskanzler für das Scheitern der Ampel-Koalition verantwortlich. "Olaf Scholz hat leider gezeigt, dass er nicht die Kraft hat, unserem Land einen neuen Aufbruch zu ermöglichen", sagte Lindner am Abend in Berlin. Er warf Scholz vor, die Zusammenarbeit mit ihm und der FDP aufgekündigt und damit einen "kalkulierten Bruch dieser Koalition" herbeigeführt zu haben. So habe ihm der Kanzler etwa ein Ultimatum für ein Aussetzen der Schuldenbremse gestellt und keine für alle tragfähige Einigung mehr angestrebt.
Zudem warf Lindner SPD und Grünen vor, seine Vorschläge für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Deutschlands nicht einmal als Beratungsgrundlage akzeptiert zu haben. Scholz habe lange die Notwendigkeit verkannt, dass das Land einen neuen wirtschaftlichen Aufbruch benötige.
FDP zieht Minister aus Regierung zurück
Die FDP kündigte noch am Abend an, ihre Minister aus der Bundesregierung zurückzuziehen. Nach der Ankündigung Wissings, aus der FDP auszutreten und im Amt zu bleiben, sind das neben Lindner nun noch Bildungsministerin Stark-Watzinger und Justizminister Buschmann. Sie wollten ihren Rücktritt bei Bundespräsident Steinmeier einreichen, sagte Fraktionschef Dürr. Damit beendet die FDP das Dreierbündnis der Ampel-Koalition.
Steinmeier will die FDP-Minister am Nachmittag entlassen. Gleichzeitig könnten Nachfolger ernannt werden.
Lindner hatte nach übereinstimmenden Berichten mehrerer Medien beim Treffen des Koalitionsausschusses am Abend Neuwahlen vorgeschlagen. Dies habe Scholz abgelehnt. Weiter hieß es, Lindner habe zuvor beklagt, dass die Gespräche der vergangenen Tage über den Kurs in der Wirtschafts- und Finanzpolitik keine ausreichende Gemeinsamkeit für eine Wende darstellten.
Diese Nachricht wurde am 07.11.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.