Silvia Engels: Verkehrsminister Scheuer von der CSU ist derzeit vor allem mit juristischen Themen beschäftigt. Zum einen erwägt er, Österreich zu verklagen. Es geht um die drohenden Durchfahrtsverbote für Pkw in grenznahen Orten in Tirol. Daneben muss sich Scheuer in dieser Woche mit den Parlamentariern des Verkehrsausschusses auseinandersetzen, die rund um die gescheiterte Pkw-Maut nun Einsicht in die bereits geschlossenen Betreiberverträge verlangen. Sie wollen so herausfinden, ob möglicherweise hohe Regressforderungen auf den Bund zukommen.
Zwei große verkehrspolitische Themen in der Diskussion derzeit. Am Telefon ist nun Daniela Kluckert (FDP). Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschusses. Guten Tag, Frau Kluckert.
Daniela Kluckert: Guten Tag, Frau Engels.
Engels: Beginnen wir mit dem, was wir gerade gehört haben, nämlich der möglichen Klage gegen Österreich. Tirol will an jedem Wochenende im Sommer in grenznahen Regionen zu Bayern Fahrverbote auf Nebenstrecken durchsetzen, um Ortschaften zu entlasten. Von Blockabfertigung ist die Rede und das trifft wohl viele deutsche Urlauber. Finden Sie da die Klageandrohung des Bundesverkehrsministers angemessen?
Kluckert: Na ja. Wir sehen jetzt, dass da, wenn man populistische Forderungen wie eine Maut für Ausländer fordert, natürlich auch Gegenschläge kommen. Und ich sage mal: So was kommt von so was. Und Scheuer, dem sollte das jetzt eine Lehre da sein, dass man so nicht mit seinen Nachbarn umgeht, weil die dann nämlich Gegenmaßnahmen für die eigene Bevölkerung vorsehen. Deswegen kann ich Scheuer nur ganz dringend raten, sich um die heimischen Probleme hier zu kümmern und den Umgang mit der Maut aufzuarbeiten und auch zu sehen, was es den Steuerzahler am Ende kosten wird und sich darum zu kümmern und nicht um unsere Nachbarn.
Rat an Scheuer, "mal zum Telefon zu greifen"
Engels: Sie sehen da einen Zusammenhang. Wenn man aber die österreichische Perspektive jetzt mal sieht: Die Maut kommt ja nicht. Und da kann man ja doch fragen: Ist es, angesichts offener Grenzen in der EU, der richtige Schritt aus Wien, die Reisefreiheit einzuschränken, gewisse Regionen für den Verkehr auszuklammern oder durch Blockabfertigung zu belasten?
Kluckert: Nein, das ist es sicherlich nicht. Was wir wollen ist, dass die Menschen in Europa zusammenkommen, dass sie reisen können und dass sie auch gerade die Vorteile von Europa kennenlernen, auch durch das Reisen. Aber noch mal: So was kommt von so was! Wenn man wie Scheuer versucht, am Biertisch seine Wahlen zu gewinnen, indem man Nachbarn belasten möchte, und erst durch den EuGH darin gestoppt wird, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn Reaktionen auch von den Nachbarn kommen.
Engels: Aber welchen Umgang empfehlen Sie denn nun mit Österreich? Denn hier liegen ja die Maßnahmen des Landes Tirols einfach auf dem Tisch.
Kluckert: Ja. Ich denke mal, das sind ja auch Dinge, die von längerer Hand geplant sind. Auch Österreich konnte sich nicht sicher sein, dass der EuGH die Maut in Deutschland stoppen wird. Ich rate jetzt Scheuer, mal zum Telefon zu greifen und die Freunde in Österreich anzurufen und das auf kurzem Wege am besten versuchen zu klären.
Engels: Dann wechseln wir nun zu einem anderen Thema, dem Hauptthema rund um die Verkehrspolitik: die Folgen der gescheiterten Pkw-Maut. In einem Schreiben des Verkehrsministeriums an den Bundestag wird aufgelistet, dass durch die Planung und Vorbereitung der Pkw-Maut bereits jetzt 53,6 Millionen Euro entstanden seien. Wer trägt dafür politische Verantwortung und fordern Sie da personelle Konsequenzen?
Kluckert: Da trägt ganz klar selbstverständlich der Minister und sein Vorgänger, also die CSU und die CDU gemeinsam die Verantwortung dafür. Und jetzt geht es vor allem darum, das aufzuarbeiten, zu schauen, sind es überhaupt die 53 Millionen. Da würde ich ein großes Fragezeichen hinter machen. Wir haben gesehen, dass wir in der Vergangenheit immer wieder Überraschungen bei der Maut erlebt haben, auch unsaubere Aktionen seitens des Verkehrsministeriums, und deswegen ist es uns so wichtig, dass wir diese Verträge nicht nur in der Geheimschutzstelle sehen, sondern dass auch die Öffentlichkeit das bewerten kann.
"Warum hat man ohne Not Unterschriften vorgezogen?"
Engels: Um das mal sauber zu trennen: Diese Kosten, die jetzt bekannt gemacht wurden, betreffen ja laut dieses Schreibens vor allen Dingen erst mal die Vorbereitung in den Ministerien und in den nachgeordneten Behörden. Da geht es noch nicht um Regressforderungen, die ja möglicherweise durch die bereits geschlossenen Verträge, die mittlerweile gekündigt sind, durch Firmen aufgestellt werden. Erwarten Sie denn, dass alleine durch die Vorbereitungen der Maut, die jetzt nicht kommt, diese 53 Millionen noch nicht das Ende der Fahnenstange sind?
Kluckert: Das erleben wir häufig, dass mit Zahlen hantiert wird, die sich am Ende als unwahr herausstellen. Deswegen haben wir jetzt auch eine kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, um da auch ganz klar zu sagen, welche Stellen sind denn zum Beispiel geschaffen worden, was waren die Vorbereitungen dafür und was wird man jetzt auch damit machen. Die Maut wird so nicht kommen und jetzt ist natürlich die Frage, wie geht es dann mit den aufgebauten Ressourcen weiter.
Engels: Haben Sie denn schon einen Überblick, wenn wir jetzt auf den anderen Teil schauen, welche Zusatzkosten durch mögliche Regressforderungen auf dem Tisch liegen?
Kluckert: Nein, da fehlt uns völlig der Überblick, und deswegen sagen wir ja auch, wir wollen die Offenlegung der Verträge, und auch die Öffentlichkeit, die dann ja am Wahltag auch aufgerufen ist, die Arbeit der Bundesregierung und auch den Umgang mit Finanzen zu beurteilen, dass auch die davon Kenntnis hat, warum und wieso vielleicht auch so schnell diese Verträge unterschrieben worden sind. Warum hat man nicht gewartet? Warum hat man ohne Not Unterschriften vorgezogen? All das wollen wir auch und, dass davon die Öffentlichkeit mitbekommt und dass das dann auch bewertet wird.
Engels: Das Verkehrsministerium argumentiert ja hier, man habe diese Verträge schon schließen müssen, um zum geplanten Maut-Startpunkt auch wirklich vorbereitet zu sein. Auf der anderen Seite scheint auch die Argumentationslinie des Verkehrsministeriums so zu laufen, dass es die Klagen, die möglichen Klagen der Betreiber für nicht erfolgversprechend hält, da man schon vor dem Scheitern der PKW-Maut mit diesen Firmen inhaltliche Probleme gehabt habe, und das werde dann vor Gericht nicht durchkommen. So optimistisch sind Sie aber nicht. Warum?
Kluckert: Na ja. Sehen Sie, den Optimismus, dass man vor Gericht gewinnt, den hatte das Verkehrsministerium auch vor dem EuGH. Da kann ich jetzt diesen Optimismus nicht noch mal weiterziehen. Es stellen sich natürlich schon Fragen, warum die Mängel, die das Verkehrsministerium jetzt aufgedeckt haben möchte, genau an dem Tag just aufgedeckt werden, als das EuGH entschieden hat. Das sind alles Fragen, die zu klären sind. Deswegen nein, ich teile den Optimismus des Verkehrsministeriums nicht, sondern sehe große Gefahren für den Steuerzahler. Deswegen ist es wichtig, auch so schnell wie möglich einen Überblick überhaupt zu bekommen, was da möglicherweise auf uns zukommt.
Forderung nach "völliger Transparenz"
Engels: Fordern Sie einen Untersuchungsausschuss zu diesem Thema Pkw-Maut und die Kosten?
Kluckert: Es geht jetzt erst mal darum zu schauen, wie geht das Verkehrsministerium mit unseren Forderungen um nach völliger Transparenz. Wenn da uns nicht weit genug entgegengekommen wird, wenn da weiter Informationen zurückgehalten werden, die wir auch brauchen, um die ganze Sache bewerten zu können, dann ist ein Untersuchungsausschuss auf jeden Fall nicht abwegig.
Engels: Blicken wir noch kurz nach vorne. Dass Autofahrer in Zeiten des Klimaschutzes einen hohen CO2-Ausstoß ihrer Wagen womöglich höher bezahlen müssen als einen niedrigen und mit mehr Fahrleistung mehr zahlen müssen als mit einer weniger hohen Fahrleistung, ist ja schon länger in der Diskussion. Sehen Sie eine andere Mautlösung in Sicht?
Kluckert: Ich würde sagen, diese Maut, so wie sie jetzt vom Verkehrsministerium geplant ist - das ist ja vor allem die sogenannte Ausländermaut -, die ist krachend gescheitert. Und ich möchte mich eigentlich jetzt auch nicht darüber unterhalten, wie schaffen wir es, die nächste Maut auf die Straße zu bekommen. Wir haben so wichtige Themen in der Verkehrspolitik. Die digitale Infrastruktur ist überhaupt nicht zukunftsfest für all das, was auf uns zukommt, auch mit der Digitalisierung. Wir haben die Debatte über Klimaschutz. Wir haben das Personenbeförderungsgesetz, was erneuert werden muss. Ich glaube, das Verkehrsministerium ist gut daran getan, jetzt erst mal die Maut ad acta zu legen und die anderen Themen tatsächlich zu bearbeiten, die so lange gebremst worden sind, weil man sich nur mit dieser Maut beschäftigt hat, dass ich jetzt eine neue Mautdebatte für überflüssig halte.
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