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FDP zum Wahlprogramm der Union
"Wie ein Abklatsch des Programms der SPD"

Wolfgang Kubicki (FDP) hält wenig vom CDU-Wahlprogramm. Es unterscheide sich kaum von dem der SPD, kritisierte er im Dlf. Dennoch könne sich seine Partei eine Koalition nach der Bundestagswahl vorstellen. Man sei stark genug, es "im Zweifel auch mit Angela Merkel und Horst Seehofer aufzunehmen".

Wolfgang Kubicki im Gespräch mit Christine Heuer |
    Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki.
    Dem FDP-Vize Wolfgang Kubicki geht das Wahlrpogramm von Union und CSU nicht weit genug. (picture alliance /dpa /Revierfoto)
    Christine Heuer: Nach der SPD hat nun auch die Union geliefert, ihr Wahlprogramm nämlich. Die Wähler können das nun alles vergleichen mit dem Wahlprogramm der SPD, das ja bereits etwas länger vorliegt. Und die möglichen Koalitionspartner können das auch, die Grünen und die FDP. Der stellvertretende FDP-Chef im Bund und ihr Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Wolfgang Kubicki.
    Wolfgang Kubicki: Guten Morgen, Frau Heuer.
    Heuer: Welches Programm gefällt Ihnen denn besser, das von der Union oder das von der SPD?
    Kubicki: Das von den Freien Demokraten gefällt mir selbstverständlich am besten. Aber ich finde es wenig ambitioniert von der Union, beispielsweise sich zur Frage, wie ertüchtigen wir unsere Infrastruktur, kaum geäußert zu haben, denn das ist eine der größten Herausforderungen, die wir haben. Unsere Straßen verfallen, die Brücken sind kaum noch befahrbar, hier muss richtig viel Geld investiert werden. Das Programm der CDU liest sich etwas wie ein Abklatsch des Programms der SPD, nach der Devise, wir bereiten schon mal die Große Koalition vor, denn es gibt wenig Streitpunkte in den wesentlichen Fragen zwischen dem Programm der CDU/CSU und dem der SPD.
    "Es wird im Bundestagswahlkampf richtig lustig werden, um die besseren Konzepte zu ringen"
    Heuer: Herr Kubicki, aber gerade in Sachen Infrastruktur lehnt die SPD sich ja viel weiter aus dem Fenster und sagt, wir müssen unbedingt investieren. Da können Sie eigentlich sagen, in dem Fall ist die SPD für uns, die FDP, der bessere Partner.
    Kubicki: Zunächst einmal suchen wir uns unsere Partner nicht danach aus, was versprochen wird, sondern es geht um die Frage zunächst einmal, wie wir die Zukunftsfähigkeit unseres Landes sicherstellen. Auch im Programm der SPD gibt es einige Ansatzpunkte, mit denen wir einverstanden sind, die auch sehr nahe an dem sind, was die Freien Demokraten gefordert haben. Auch im Programm der Union. Ich freue mich, dass die Union jetzt endlich mal sich zu einem Zuwanderungsgesetz bekennt, was sie ja seit 1996 vehement bekämpft hat. Was daran leider falsch ist, ist die Tatsache, dass es begrenzt werden soll auf Arbeitskräfte, die der Arbeitsmarkt braucht.
    Wir müssen auch selbstverständlich im Bereich der Flüchtlingskrise die Möglichkeit schaffen, dass Menschen, die sich hier integriert haben, die Möglichkeit haben, aus der Situation heraus auch dauerhaft in Deutschland bleiben zu können über eine Möglichkeit des Quereinstiegs in die Zuwanderungssituation. Dass die Union Vollbeschäftigung für 2025 verspricht, ist deshalb relativ lustig, weil das ja erst die übernächste Legislaturperiode ist, in der das Versprechen erfüllt sein muss. Das ist eine Zielbeschreibung, aber der Weg dahin wird bedauerlicherweise nicht markiert. Und was wesentlich ist auch für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ist, dass in der Steuergesetzgebung mehr passiert, als Union und SPD bisher vorgelegt haben. Wir müssen – und darüber reden wir die ganze Zeit – die Kalte Progression endlich abschaffen, denn das ist etwas, was die mittleren und kleinen Einkommen besonders belastet. Hier versagen die beiden noch größeren Parteien und deshalb wird es im Bundestagswahlkampf richtig lustig werden, um die besseren Konzepte zu ringen und die Menschen zu überzeugen.
    Heuer: So richtig überzeugt klingen Sie von beiden Programmen nicht. Dann frage ich noch mal anders herum: Mit wem kann die FDP Ihrer Ansicht nach ihre Ideen, nach allem was wir jetzt wissen, besser durchsetzen, mit Rot-Grün in einer Ampel, oder mit Schwarz-Grün in einer Jamaika-Koalition?
    Kubicki: Ich glaube, dass wir uns die Frage von Rot-Grün und FDP in einer Ampel nicht stellen müssen, weil schon nummerisch das nicht ausreichen wird bei der Bundestagswahl, sodass wir ...
    "Sozialdemokraten werden bedauerlicherweise so schwach bleiben, dass das nicht funktionieren wird"
    Heuer: Vielleicht werden Sie so stark, dass es dann doch geht?
    Kubicki: Die Sozialdemokraten werden bedauerlicherweise so schwach bleiben, dass das nicht funktionieren wird. Aber ich finde es schon mal bemerkenswert, dass die Sozialdemokraten sich zumindest dazu bereit gefunden haben, im Steuerbereich etwas zu tun für die kleineren und mittleren Einkommen. Was mich stört ist, dass der Spitzensteuersatz bei den Sozialdemokraten schon bei vergleichsweise geringen Einkommen greifen soll, dass er auch noch angehoben werden soll ab 76.000 Euro. Das erreicht jeder Facharbeiter bei VW im Jahresschnitt. Wir müssen den Menschen wieder Mut machen, selbst zu investieren, nicht auf Almosen des Staates angewiesen zu sein.
    Und wir müssen auch schon mal sehen, wenn ich das mal sagen darf, dass die Union in ihrem Wahlprogramm viele Forderungen hat, die im Zweifel Länder und Kommunen bezahlen müssen. Das wird auch eine sehr interessante Fragestellung werden: Wer ist zum Schluss derjenige, der die Versprechen einlösen muss.
    "Denn eins geht nicht: Die Bundestagswahl gewinnen und Länder und Kommunen sollen dafür bluten"
    Heuer: Ja in der Tat, danach wollte ich Sie fragen. Die Union nimmt sich da Dinge vor, die SPD macht das übrigens auch, die der Bund gar nicht bezahlen wird. Die FDP regiert ja nun in einigen Ländern. Wie sehen Sie das? Geht so was in Ordnung, oder wehren Sie sich da und sagen, das könnt ihr euch sowieso gleich mal abschminken, so läuft das nicht?
    Kubicki: Die Länder werden sehr sorgfältig darauf achten, dass der Bund keine Versprechen macht, die Länder und Kommunen bezahlen müssen, denn zu Lasten eines Dritten sich einen schlanken Fuß zu machen, geht in der Politik schon mal gar nicht. Dass wir mehr Polizeibeamte brauchen, das weiß jeder, angesichts der Herausforderungen, die vor uns stehen. Aber den überwiegenden Teil werden die Länder schultern müssen.
    Wenn der Bund das verspricht, und zwar sowohl bei der SPD wie auch bei der CDU/CSU, dann muss die Finanzierung vonseiten des Bundes sichergestellt werden. Ich finde es bemerkenswert, dass die Kita-Situation verbessert werden soll, auch die Qualität in den Kitas verbessert werden soll. Aber auch das sind überwiegend Leistungen, die die Kommunen erbringen müssen. Auch da wird der Bund, wird die CDU/CSU und wird die SPD, werden die sagen müssen, wie sie denn aus Bundesmitteln das finanzieren wollen. Denn eins geht nicht: Die Bundestagswahl gewinnen und Länder und Kommunen sollen dafür bluten. Das wird nicht funktionieren. Das werden die Länder auch verhindern aus der Situation heraus, dass sie selbst ja die Schuldenbremse einhalten müssen und sich ab 2020 nicht mehr verschulden dürfen.
    "Wir erhöhen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit"
    Heuer: Andererseits, Herr Kubicki, will die FDP die Steuern ja noch stärker senken, als Union und SPD das ankündigen, und das geht ja nun auch zulasten der Länder. Da machen Sie es doch nicht anders als die Großen.
    Kubicki: Ja, es geht auch zulasten der Länder. Aber gleichzeitig investieren wir ja. Wir erhöhen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Wenn Wolfgang Schäuble sagt, wir wollen die Steuerquote bei 22 Prozent sozusagen einfrieren, dann wissen wir, dass wir nicht 15 Milliarden, sondern 30 Milliarden Euro den Menschen zurückgeben können. Mit dem Geld passiert ja etwas. Die Menschen werden bauen. Übrigens eine sehr interessante Geschichte, dass 1,5 Millionen Wohnungen gebaut werden sollen.
    Dazu brauchen wir Bauland, dazu brauchen wir eine Verbesserung des Baugenehmigungsverfahrens und dafür brauchen wir andere Standards als gegenwärtig. Sonst wird es nicht funktionieren. Entscheidend ist noch einmal, dass die Menschen das Gefühl haben, es lohnt sich wieder, selbst fleißiger zu sein, sich zu engagieren, es lohnt sich auch für kleine und mittlere Unternehmen, wieder zu investieren. Denn die Steuern sprudeln ja nur aufgrund der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unseres Landes. Die muss erhalten und ausgebaut werden und dazu ist es wichtig, ein vernünftiges Steuersystem zu haben und andere Anreize zu bieten, damit Menschen wirtschaftlich tätig sind.
    "Wir können uns das Leben nicht so malen"
    Heuer: Sie haben vorhin gesagt, die SPD wird ohnehin nicht stark genug, um mit ihr im Bund zu koalieren, selbst wenn die FDP stark genug würde und gebeten würde. Heißt das im Umkehrschluss, Herr Kubicki, dass Sie es allen Ernstes noch mal mit Angela Merkel aufnehmen wollen, nach den schlechten Erfahrungen vom letzten Mal?
    Kubicki: Nun entscheidet ja dankenswerterweise der Wähler, was am Wahlabend dabei herauskommt. Wir können uns das Leben nicht so malen, wie wir das gerne hätten. Ich finde es gut, dass Martin Schulz jetzt, nachdem er von sozialer Gerechtigkeit zunächst gesprochen hat, sein Augenmerk mittlerweile wieder auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes legt. Wir haben ja auch erklärt, dass Teile des Steuerkonzepts der SPD vernünftig sind. Allerdings die Überlegungen zur Erbschaftssteuer nicht. Aber machen Sie sich keine Sorgen, keine Gedanken: Die FDP ist mit ihrer neuen Führungsspitze stark genug, es im Zweifel auch mit Angela Merkel und Horst Seehofer aufzunehmen, deren Tage ja auch gezählt sind.
    Heuer: Wolfgang Kubicki, stellvertretender FDP-Bundesvorsitzender und Landeschef seiner Partei in Schleswig-Holstein. Herr Kubicki, danke fürs Gespräch.
    Kubicki: Vielen Dank, Frau Heuer.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.