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Rückkehr Russlands im Fechten
"Fassungslos, dass es einfach so passiert ist"

Der Welt-Fechtverband hat entschieden: Russische Athletinnen und Athleten dürfen wieder an Wettkämpfen teilnehmen. Die deutsche Fechterin Léa Krüger zeigte sich im Dlf fassungslos, aber nicht überrascht. Vom DOSB erhofft sie sich nun eine klare Linie.

Léa Krüger im Gespräch mit Marina Schweizer |
Russische Fechterinnen und Fechter dürfen an der Qualifikation für die Olympischen Spiele teilnehmen. Das hat der Internationale Fechtverband entschieden.
Russische Fechterinnen und Fechter dürfen an der Qualifikation für die Olympischen Spiele teilnehmen. Das hat der Internationale Fechtverband entschieden. (IMAGO / SNA / IMAGO / Pavel Bednyakov)
Russische und belarussische Fechterinnen und Fechter dürfen an der Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024 teilnehmen. Das hat der Internationale Fechtverband (FIE) nach einer dreiteiligen Abstimmung auf einem außerordentlichen Kongress entschieden. Die Delegierten stimmten sowohl für die Teilnahme für Individualathleten, als auch für die Zulassung von Teams und Delegierten aus Russland und Belarus.
Der Fechtverband ist damit der erste Weltverband, der für die Wiederzulassung Russlands und Belarus' gestimmt hat.
Der deutschen Fechterin Leá Krüger geht es mit dieser Entscheidung "überhaupt nicht gut", sagte sie im Deutschlandfunk. "Ich war fassungslos im ersten Moment."

Wiederzulassung Russlands "eine Frage der Zeit"

Überrascht sei sie aber nicht gewesen. "Fechten ist so eng mit Russland verwoben, dass es eine Frage der Zeit war, dass die Russen wiederkommen", so Krüger, die auch Mitglied des Präsidiums der Athletenvertretung Athleten Deutschland ist. "Was mich bei dem Ganzen fassungslos macht ist, dass das jetzt einfach so passiert ist. Dass noch nicht einmal die Entscheidung des IOCs abgewartet wurde." Dabei geht es auch um die Ausgestaltung eines "neutralen" Auftritts, ohne nationale Symbole.
Porträt der Fechterin Lea Krüger
Fechterin Léa Krüger ist auch Präsidiumsmitglied bei Athleten Deutschland. (Deutschlandfunk / Jessica Sturmberg)
Dazu kritisiert Krüger, dass über die reine Teilnahme russischer und belarussischer Athletinnen und Athleten, Teams und Delegierten hinaus nichts besprochen wurde. "Was ist mit Doping? Wie soll man sich als ukrainischer Athlet verhalten? Was ist mit den Interessen der ukrainischen Athletinnen und Athleten? Diese ganzen Fragen wurden in keinster Weise auch nur aufgeworfen."

Deutscher Verband macht Abstimmungsverhalten nicht öffentlich

Wie die deutsche Fechter-Bund in der Russlandfrage abgestimmt hat, wisse Krüger nicht. "Am Ende weiß nur Frau Bokel (deutsche Verbands-Präsidentin Anm. d. Red) wie sie letztendlich abgestimmt hat. Ich weiß, dass es im Vorfeld Abstimmungen im Präsidium gab, in welche Richtung man sich bewegen sollte und kann. Und es gab dementsprechend auch Empfehlungen an Frau Bokel."
Der Deutsche Fecher-Bund hatte in einer ersten Stellungnahme nicht darüber informiert, wie er abstimmte. Auch auf Nachfrage des Deutschlandfunks machte der deutsche Fechter-Bund sein Abstimmungsverhalten nicht öffentlich. Krüger zeigte sich enttäuscht: "Weil ich mir sehr gewünscht hätte, dass das Abstimmungsergebnis auch mal verurteilt wird. Weil das hat auch Folgen für uns. Und ich glaube, jedenfalls von mir aus Athletensicht, dass sich noch keiner so richtig Gedanken gemacht hat, was dieses Ergebnis auch mit uns hier macht. Da hätte ich mir eine Verurteilung definitiv gewünscht."
Stattdessen warf Krüger eine hypothetische Frage auf: "Was wäre denn, wenn ein Verband innerhalb Deutschlands sich für eine Wiederaufnahme der Russen ausspricht? Ich glaube, das hätte weitreichende Konsequenzen, auch für die Politik. Und da müsste man sich Gedanken drüber machen, ob man dann auch von Seiten des DOSB und des Bundesinnenministeriums eine klare Linie vorgibt, was dann passieren soll."

Krüger in Zwickmühle

Als deutsche Fechterin komme sie jetzt in eine Zwickmühle, sagte Krüger: "Bis jetzt hat das BMI das Statement herausgebracht, dass deutsche Athletinnen und Athleten nicht finanziert werden, wenn an den Wettkämpfen auch russische Athletinnen und Athleten teilnehmen." Zwar gebe es mittlerweile trotzdem finanzielle Unterstützung, "aber schwarz auf weiß habe ich das nicht", so die 26-Jährige. "Ich finde die Haltung des BMI richtig, aber mich bringt das jetzt in eine super blöde Situation."
Immer wieder war in der Vergangenheit auch von möglichem Boykott die Rede, sollten russische und belarussische Athletinnen und Athleten zu Wettbewerben zugelassen werden. "Ich kann den Impuls absolut verstehen", sagte Krüger. "Aber am Ende ist es meine Karriere, die ich damit aufs Spiel setze. Wenn ich mich jetzt entscheiden sollte, das Ganze zu boykottieren, dann habe ich am Ende weniger Punkte auf irgendeiner Rangliste, komme nicht mehr in den Kader. Das hat wirklich weitreichende Auswirkungen in die eine oder andere Richtung. Und das sind alles Sachen, die sind überhaupt nicht geklärt. Und das muss jetzt passieren."
Vom Deutschen Olympischen Sportbund erwarte Krüger nun eine "klare Linie, damit auch andere Verbände in Deutschland wissen, woran sie sich orientieren können und auch müssen. Am Ende kann der DOSB nur eine Empfehlung aussprechen, klar. Aber das sollte passieren. Für mich als Athletin kann diese Empfehlung eigentlich nur dahin gehen, dass jetzt nicht der Zeitpunkt ist, russische Athleten wieder zuzulassen."